Weishäupl: Erster Gast-Auftritt auf der Wiesn
27 Jahre lang war sie die Chefin der Wiesn. Heuer ist sie erstmals bloß Gast. Die AZ begleitet Gabriele Weishäupl bei einem Bummel übers Oktoberfest. Da geht es nicht sehr schnell voran.
Der Mann mit den strammen Wadln verbeugt sich. So tief, dass sein reich verzierter Trachtenhut fast die Knie von Gabriele Weishäupl berührt. 27 Jahre lang war sie die Wiesn-Chefin. Das Gesicht des Fests. Heuer besucht sie es zum ersten Mal als Gast. Wobei sie alle paar Meter von Besuchern erkannt und begrüßt wird. Wie von dem Trachtler, der sich verneigt. „Schad’, dass Sie’s nimmer machen.“
Wie fühlt sie sich an, die erste Wiesn danach – ohne offizielle Funktion? „Es rührt mich an. Ich dachte, ich bin cooler“, gibt Weishäupl offen zu. Sie kann noch nicht aus ihrer Haut. Schätzt automatisch die Besucherzahl zu Füßen der Bavaria. Hebt eine achtlos weggeworfene Plastikflasche auf, um sie zum Abfalleimer zu bringen. Und als sie vor ein paar Tagen mit einem TV-Team unterwegs war, „habe ich sofort sieben Verstöße gegen die Betriebsvorschriften gesehen“. Hunde und Kinderwagen im Gedränge. Nein, ein entspannter Gast ist Weishäupl noch lange nicht.
Ist sie traurig? „Es ist nicht so, dass mich pausenlos ein rasender Schmerz umtreibt“, spöttelt sie. Aber manchmal schwappt doch eine kurze Traurigkeit hoch. Etwa wenn sie am Büro der Festleitung vorbeigeht. Und da steht nicht mehr ihr Name, sondern der des neuen Wiesn-Chefs Dieter Reiter. „Dann ist schon so ein Ziehen in der Brust da.“
Beim Bummel mit der AZ zeigt die 65-Jährige ihre Lieblingsplätze auf dem Oktoberfest. Zum Beispiel Feisingers Weißbiergarten, der gerade mal 90 Plätze im Freien hat. Hier gönnt sie sich ein Glaserl Rotwein. Als Festleiterin griff sie lieber zu Cola Light. Jetzt sagt sie: „Ich bin ja außer Dienst.“ Trotzdem stockt Weishäupl kurz, als sie gefragt wird, ob ihr Wein denn lieber sei als Bier. „Kann ich das den Brauereien antun?“, fragt sie zurück – und hat damit schon geantwortet.
Apropos Brauereien: An denen hat sich Weishäupl „manchmal die Zähne ausgebissen“, wie sie erzählt. Als wichtige Immobilienbesitzer hätten sie Macht. Mehr noch als die Wirte. Das wurde Weishäupl spätestens 1985 klar, auf der damaligen Jubiläumswiesn. Da habe sie beim Anstich die Spaten-Krüge gegen Jubiläumskrüge austauschen wollen, erzählt sie. „Ich war der Meinung: Wenn ein Firmenlogo weltweit im TV zu sehen ist, dann kostet das Geld.“ Sauber auf die Nase sei sie damit gefallen. „Da bin ich an die Mauer der kommerziellen Giganten in München gestoßen.“ Die Brauereien.
So viele Jahre. So viele Geschichten – es gibt wohl niemanden, der die Wiesn besser kennt als Weishäupl. Inzwischen hat schon ein Verleger bei ihr angefragt, ob sie nicht ein Buch schreiben wolle. Sie überlegt noch.
Zurück zu ihren Lieblingsplätzen: Schiebl’s Kaffeehaferl, das Familienplatzl und das Russenrad mit seiner Orgel von 1896. Es sind die ruhigeren Seiten der Wiesn, die Weishäupl besonders schätzt. Zudem schwärmt sie für die Wildstuben: „Da ist das Essen allererste Sahne!“ Und man trifft dort auf Trachtler mit strammen Wadln, die ihren Respekt mit einer tiefen Verneigung zeigen.
- Themen:
- Bavaria
- Bier
- Dieter Reiter
- Oktoberfest