Weinexpertin berät die Münchner: „Ich bin ein Spitzenmodell“

Mit ihrem Wissen revolutionierte die Münchner Weinexpertin Paula Bosch die Gastroszene. Jetzt macht sich die „Tantris“-Sommeliere selbstständig – und möchte die Münchner zu Hause beraten.
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Die 50 000 Flaschen im Restaurant „Tantris“ kennt Paula Bosch blind. „Ich schreibe auf, was ich probiere. Wie ein Taxi fahre ich blind durch den Keller.“
Chr. Rudnik Die 50 000 Flaschen im Restaurant „Tantris“ kennt Paula Bosch blind. „Ich schreibe auf, was ich probiere. Wie ein Taxi fahre ich blind durch den Keller.“

MÜNCHEN - Mit ihrem Wissen revolutionierte die Münchner Weinexpertin Paula Bosch die Gastroszene. Jetzt macht sich die „Tantris“-Sommelière selbstständig – und möchte die Münchner zu Hause beraten.

AZ: Frau Bosch, nach 20 Jahren verlassen Sie das Tantris. Warum?

PAULA BOSCH: Insgesamt 30 Jahre in der Gastronomie zu arbeiten ist ein harter Job, in dem man kaum Zeit für anderes hat. Ich stehe bis nachts im Restaurant, kümmere mich um Gäste und Keller. Es gibt viele Dinge im Leben, auf die ich verzichten musste. Einige möchte ich jetzt in den Mittelpunkt stellen.

Was haben Sie für Pläne?

Ostern höre ich auf, dann mache ich erst mal Urlaub. Zum Juli mache ich mich als Weinberaterin selbstständig.

Was tut eine Weinberaterin?

Ich berate Gastronomen, betreue Weinreisen. Man kann mich aber auch privat buchen, für Geburtstage, Hochzeiten oder nur für ein kleines Essen mit Freunden. Ich komme zu Ihnen nach Hause, mache den Keller rund, suche das Perfekte für das selbst gekochte Menü aus. Ich bin die rechte Hand bei allem, was Sie über Wein wissen wollen.

Aber Sie sind doch sicher richtig teuer...

Ich werde keine abstrusen Preise verlangen, aber natürlich bin ich in Sachen Wein kein Mittelklassewagen, sondern ein Spitzenmodell.

Welche Flasche öffnen Sie an Ihrem letzten Arbeitstag?

Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Mmh, eine gute Flasche die mir schmeckt. Ob Weiß, ob Rot, ob prickelnd, das wird mir der Bauch sagen.

Sie als Sommelier verlassen sich tatsächlich auf das Bauchgefühl?!

Ja, es gibt nicht den perfekten Wein, sondern nur den perfekten für einen bestimmten Moment. Wenn Sie Lust auf einen Riesling haben und er nicht optimal zur Speise passt, sollten Sie ihn trotzdem trinken. Deshalb habe ich auch keinen Lieblingswein.

Wie viele Weine lagern in Ihrem privaten Keller?

Gezählt habe ich noch nie. In jedem Fall sind es nicht so viele Flaschen, wie man vermuten könnte. Bis zur Rente reichen sie wohl leider nicht.

„Bekanntheit kann grausam sein“ haben Sie mal geschrieben. Ziehen Sie sich aus der Öffentlichkeit zurück?

Auf keinen Fall! Ich mag es quirlig, aber ich vermisse die private Sphäre beim Spazierengehen, im Hotel, im Restaurant – überall beobachtet man mich. Das ist eine Ehre, aber viele Freunde nervt das auch.

Apropos Freunde: Wenn Sie eingeladen sind, wer sucht den Wein aus? Sie oder der Gastgeber?

Oh je, es ist sicher schwer, für mich etwas auszusuchen. Ich sage mal so, beim Essen mag ich auch gerne Wiener Schnitzel. Entscheidend ist, das die Qualität stimmt. Es gibt tolle Weine für fünf Euro. Ich denke, meine Freunde kommen da nie in Verlegenheit.

Hat bei Ihnen jemand nur eine Flasche Wasser bestellt?

Viele. Und das ist okay. Mir ist jeder Gast lieb, ob er Wasser trinkt, eine Flasche für 30 Euro oder eine für 500. Ich verstehe mich als Gastgeberin für alle Gäste, egal was sie trinken. Ich mache die Tür auf, schenke nach, empfehle, helfe in den Mantel, das gehört für mich alles dazu.

Mit was könnte ein anderes Restaurant Sie locken?

Da gibt es nichts. Die Erfüllung als Sommelière habe ich im Tantris erreicht.

Über 50000 verschiedene Flaschen lagern im Tantris. Wie merken Sie sich all die Düfte und Geschmäcker?

Ich schreibe auf, was ich probiere. Seit 30 Jahren bin ich so organisiert. Jetzt bin ich wie ein Taxi, das fast blind durch den Keller fährt und weiß, was sich hinter welchem Korken verbirgt. Gedächtnis ist neben Nase und Gaumen das Wichtigste.

Wieso?

Weil ich im Vorfeld wissen muss, was sich hinter einem Wein verbirgt und was daraus werden kann, wenn er so und so lange liegt. Einen Bordeaux von 2009 können Sie schon heute probieren. Aber die Fähigkeit zu erkennen, wie er in zehn Jahren schmeckt, das macht es aus.

Kann das jeder lernen?

Nein. Das ist eine Gabe, die einem geschenkt wird – Fleiß und Arbeit gehören auch dazu. Es ist auch mehr als Verkosten. Sie müssen die Geschichte um den Wein kennen, aktuelle Entwicklungen, sich in diesem Überangebot überhaupt zurechtfinden. Einen neuen Wein und einen neuen Jahrgang muss man immer probieren. Man kann nicht nur prominente Winzernamen kaufen.

Gibt es für Sie ein Leben ohne Wein?

Nein.

Int: Anne Kathrin Koophamel

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