Weil die Stadt so teuer ist: OB Dieter Reiter will eigenen München-Mindestlohn

München - Für Münchens teure Mieten und Lebenshaltungskosten reichen die gesetzlichen zwölf Euro Mindestlohn einfach nicht, findet Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Und zielt auf einen kommunalen "München-Mindestlohn" von brutto 16 Euro – also mehr als die 14 Euro, die SPD-Parteichef Lars Klingbeil zuletzt gefordert hat.
Die Unternehmer in München kann der OB freilich nicht zu einem solchen Lohn verpflichten – aber die Stadt als Arbeitgeber schon, und die soll nun als gutes Beispiel vorangehen. Kommenden Mittwoch will der OB deshalb im Stadtrat den 16-Euro-München-Mindestlohn für die aktuell 28.962 städtischen Beschäftigten beschließen lassen.
Auf eine Vollzeitstelle mit 38,5 Stunden pro Woche umgerechnet sind das rund 3.635 Euro brutto im Monat, und netto rund 1.800 Euro. Wobei jetzt schon alle Mitarbeiter mehr verdienen als diese 16 Euro, wenn man Zuschläge wie die "München-Zulage" mitrechnet, so hat es jedenfalls die SPD-Fraktion im städtischen Personalreferat abgefragt. Es gebe nur eine Ausnahme bei den städtischen Angestellten: das seien acht Küchenhilfskräfte – die verdienen weniger.
"Wir wollen damit deutlich machen, wo in München die Löhne mindestens liegen müssen", erklärt die SPD-Stadträtin und Münchner DGB-Chefin Simone Burger. Rund 1.800 Euro netto für Vollzeit – das sei nur wenig mehr als die Summe von 1.660 Euro netto, die in München als "Armutsrisikoschwelle" gelte.
Mindestlohn soll künftig auch auf Security- und Reinigungsfirmen ausgeweitet werden
Aber nicht nur das steht im Beschlusspapier. Auch bei künftigen Ausschreibungen für Firmen, die für die Stadt arbeiten wollen (wie Security- oder Reinigungsfirmen) sollen die 16 Euro zu einem wesentlichen Zuschlagskriterium werden. Die Stadt könne aus rechtlichen Gründen den München-Mindestlohn bei der Vergabe zwar nicht zwingend vorschreiben, aber dem Lohn-Kriterium "eine gewichtige Rolle geben", erklärt Simone Burger.
Zunächst soll das deshalb in Pilotprojekten bei Security und Reinigungsfirmen getestet werden. Die Rathaus-Grünen wollen zustimmen, wenn bis Mittwoch die Frage der Zusatzkosten und der Finanzierung geklärt ist – denn noch liegen ihnen dazu keinen genauen Zahlen vor, heißt es aus der Fraktion. Aktuell hat die Stadt laut SPD-Fraktion 153 Bewachungsverträge mit externen Sicherheitsfirmen (Laufzeit fünf Jahre). Die bewachen städtische Gebäude wie Sozialbürgerhäuser, Flüchtlingsheime oder Museen, außerdem Veranstaltungen wie die Wiesn sowie Parks wie den Riemer Park. Der Tariflohn liegt hier aktuell bei 13,97 Euro bis 14,49 Euro pro Stunde, je nach Qualifikation.
Deutlich mehr Verträge, nämlich 459, hat die Stadt mit externen Reinigungsdienstleistern (ebenfalls fünf Jahre Laufzeit). Die halten 1.214 Gebäude sauber und kümmern sich auch um öffentliche Toiletten wie auf der Wiesn. Hier liegt der Tarif-Stundenlohn bei 13 Euro und wird ab kommendem Januar auf 13,50 Euro steigen. "Das reicht einfach nicht", sagt SPD Stadtrat Christian Köning, der auch Chef der München-SPD ist, "sonst gibt es nämlich Armut trotz Arbeit, es ist eine Frage des Respekts, dass jemand von seiner Arbeit leben kann".
Münchner Mindestlohn: Wird London zum Vorbild?
Damit bald auch private Unternehmen und die städtischen Eigenbetriebe bei den 16 Euro mitmachen, will der OB im Herbst Vertreter an einen "Runden Tisch" bringen und für den München-Mindestlohn werben. Er setzt dabei auf ein System, das ähnlich dem "Living Wage" in London funktionieren könnte. Dort haben sich 3.400 Firmen freiwillig zu einem Mindestlohn verpflichtet, der den tatsächlichen Lebenshaltungskosten entspricht – und werden dafür zertifiziert. "So ein Zertifikat können wir uns in München auch vorstellen", erklärt Christian Köning.
Verständnis für den OB-Wunsch äußert der Münchner Dehoga-Chef Christian Schottenhamel, der sowohl Wiesnwirt als auch Wirt im Paulaner am Nockherberg ist. "Natürlich müssen Leute gut bezahlt werden, aber das machen wir in der Gastronomie sowieso, sonst würden wir keine Fachkräfte mehr finden", sagt er. Viele Köche verdienten jetzt schon rund 30 Euro brutto die Stunde, Hilfsköche rund 22 Euro. Sogar ungelernte Küchenhelfer bekämen 14 bis 15 Euro "und das werden wir nicht ändern", so Schottenhamel zur AZ, "sonst muss mein Schweinsbraten statt 20 Euro bald 25 Euro kosten – und wie viele Gästen wollen das noch bezahlen?"
Eigener Mindestlohn für München? "Wir können das nicht mitmachen"
Ein klares Nein zu den 16 Euro formuliert die Gebäudereiniger-Innung: "Wir können das nicht mitmachen", erklärt Geschäftsführer Michael Zwisler, "der Wettbewerb in der Gebäudereinigung läuft über den Preis – und Betriebe, die sich an die Wunschvorstellungen des Oberbürgermeisters halten wollten, würden in kürzester Zeit vom Markt verschwinden."
Die Gewerkschaft Verdi jedenfalls attackiert schon mal vorbeugend alle Müchner Unternehmen, die nicht mitziehen wollen. "Ein Münchner Mindestlohn ist keine Luxusforderung, sondern eine Notmaßnahme um Armut trotz Arbeit zu verhindern", sagt Münchens Verdi-Chef Heinrich Birner. "Wir werden jetzt sehen, welche Arbeitgeber oder Unternehmensverbände die 16 Euro ablehnen. Die müssen sich dann vorwerfen lassen, dass sie unsoziale Unternehmer sind."