Weihe im Rampenlicht
Auf einem Sonderparteitag wird Dieter Reiter Montag zum OB-Kandidaten der Münchner SPD ausgerufen. Es ist sein großer Tag. Da dürfen alle reden – nur Christian Ude muss schweigen
MÜNCHEN - 18 Jahre lang hat er wortgewandt und trickreich die Politik im Rathaus dominiert, hat keine Bühne ausgelassen und an allen Rednerpulten brilliert. Und heute? Heute Abend darf Christian Ude nichts sagen. Denn heute ist der Tag seines potenziellen Nachfolgers, wenn um 19 Uhr die Münchner SPD zum Weihe-Parteitag ins Bürgerzentrum Trudering strömt. Ude wird still im Publikum sitzen, während seine Vize-Rathaus-Frau Christine Strobl die Leistungen der SPD abfeiert und der Betriebsratsvorsitzende von BMW und ein Juso Grußworte halten dürfen.
Der große Glamour-Ude soll nicht wieder alles überstrahlen. Noch nicht einmal seinen Nachfolge-Kandidaten darf er mitwählen: Das dürfen nur die 120 Delegierten. Und so einer ist Ude nicht. Mit ihm sind auch alle anderen 4900 Mitglieder der Münchner SPD eingeladen zum Klatschen.
Mit 64 Jahren hat Ude eine neue Arena gefunden, um sich vor dem Ruhestand zu drücken: rettender Engel der Bayern SPD und Entthroner der CSU – Ministerpräsidenten-Kandidat eben. Schon was anderes als eine lame duck am Marienplatz, die nichts mehr zu sagen hat, weil alle nur noch auf den potenziellen Mann von morgen schauen.
Auf Dieter Reiter etwa. Der wird heute seine erste öffentliche Rede halten über die Zukunft der Stadt. Dann wird der in München aufgewachsene und in Straßlach lebende Wirtschaftsreferent seinen Partei-Stallgeruch bekommen, den etliche Genossen an ihm bisher nicht schnuppern können.
Aber 33 von 44 Ortsvereine haben ihn immerhin in der größten Mitgliederbefragung in der Münchner SPD zum OB-Kandidaten erwählt. Seine Mitkonkurrenten Brigitte Meier (Sozialreferentin) und Fraktionschef Alexander Reissl hat er klar aus dem Feld gedrängt – obwohl die Münchner Stallgeruch haben.
„Wir haben ohne Verletzungen und Kampfkandidaturen jemanden gefunden, der ein sozialdemokratisches Herz und Sachkompetenz hat”, atmete Münchens SPD-Chef Ulrich Pfaffmann erleichtert auf.
Am Ende wird es eine offene Abstimmung geben: Genau genommen werden ihn die Genossen auffordern, sich jetzt hochoffiziell um das Amt des SPD-OB-Kandidaten zu bewerben. Das Wahlrecht schreibt vor, dass er erst im Herbst 2013 offiziell aufgestellt werden darf (die Rathauswahl dürfte im März 2014 sein). Dann folgt die große Krönungsmesse.
Mit „mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung” soll das Wahlprogramm formuliert werden. Und nicht mehr nur im stillen Hinterstübchen, die Münchner sollen auf Veranstaltungen und im Internet gehört werden. Die Themen? Logisch: Miete, Kinderbetreuung, Familie und Daseinsvorsorge. Pfaffmann: „Ein neues Thema wird sein, wie man in einer prosperierenden Großstadt Verkehr, Wohnungsbau, Grünflächen und die Liberalität der Gesellschaft sichert.”