Kommentar

Wehret den Anfängen: Was die Affäre Hubert Aiwanger uns lehrt

Die Flugblatt-Affäre um Hubert Aiwanger manifestiert einen Zeitgeist, der Anlass zur Sorge gibt.
von  Heidi Geyer
Der Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger zeigt sich wenig reumütig: Gegner seien mit ihrer "Schmutzkampagne gescheitert".
Der Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger zeigt sich wenig reumütig: Gegner seien mit ihrer "Schmutzkampagne gescheitert". © Uwe Lein/dpa

München - Es ist etwas ins Rutschen gekommen in Deutschland und im Freistaat. Nicht erst seit der Flugblatt-Affäre. Die Nazi-Zeit, die nur ein "Fliegenschiss" in der deutschen Geschichte sei, sagte Alexander Gauland von der AfD 2018.

Aiwanger spricht 2023 davon, sich die Demokratie zurückzuholen, dass Deutschland nur "formal" eine Demokratie sei.

Die Rede von Hubert Aiwanger in Erding: Diskursverschiebung nach rechts

Als "schrill" haben manche Medien seine Erdinger Rede bezeichnet. Undemokratisch und gefährlich würden eher passen. In den Nullerjahren wären solche Sätze unsagbar gewesen. Erst recht, wenn dann noch ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten ans Licht gekommen wäre. Heute reicht es offenbar, sich häppchenweise und halbherzig zu distanzieren. Garniert mit einer, ja man muss schon fast sagen "Dolchstoßlegende", dass Journalisten einen haben erledigen wollen.

Gespannt war man, welche neuen Erkenntnisse durch Söders 25 Fragen auftauchen würden. Und erfährt: nix. Es ist schon erstaunlich, dass Aiwanger den damaligen Flugblatt-Vorfall als "einschneidendes Erlebnis" betrachtet. Nur merkwürdig, dass er sich an die wesentlichen Details dieses einschneidenden Erlebnisses überhaupt nicht mehr erinnern kann.

 

Warum der populistische Zeitgeist durch die Hubert-Aiwanger-Affäre bestärkt wird

Dass Markus Söder mangels Handlungsalternativen und somit wegen drohenden Machtverlusts zu Aiwanger steht, ist keine Überraschung. Es zeigt die Schwäche des CSU-Chefs, der sich seinem Koalitionspartner auf Gedeih und Verderb ausgeliefert hat. Dass Aiwanger ohnehin ein schwacher Wirtschaftsminister ist – nebensächlich. Nun muss Söder eben mit dessen Populismus leben, wahrscheinlich sogar regieren.

Aiwanger wird vermutlich nicht geläutert sein. Er wird sich bestätigt fühlen darin, dass er mit nahezu allem durchkommt. Und es wird nicht nur ihm so gehen: Der Zeitgeist, dass man sich nahezu alles erlauben darf, wird dadurch bestärkt. Darin liegt eine große Gefahr.

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