Wegen Mieterhöhung: Lach und Schieß sucht neue Bleibe

Seit fast 60 Jahren gibt es die Kabarettbühne in Schwabing, als künstlerische Heimat von Größen wie Dieter Hildebrandt. Jetzt droht das Aus. Denn die Eigentümer wollen die Miete drastisch erhöhen
Christian Pfaffinger |
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Eine frühe Besetzung der Lach- und Schießgesellschaft: Klaus Havenstein, Ursula Noack, Hans Diedrich und Dieter Hildebrandt (von links) in dem Programm „Wählt den, der lügt“ im Jahr 1961.
Georg Göbel/dpa Eine frühe Besetzung der Lach- und Schießgesellschaft: Klaus Havenstein, Ursula Noack, Hans Diedrich und Dieter Hildebrandt (von links) in dem Programm „Wählt den, der lügt“ im Jahr 1961.

München - Monas Kleid glitzert. Und ihre Stimme glänzt, warm und voll. Ganz anders ist Babys Blick: ausgekühlt und leer. Er schaut ihr beim Singen zu, durch das Fenster und merkt: Es ist aus. Mona ist jetzt wer. Und das ganz ohne ihn.

Er wendet sich ab – und sieht sie immer noch. Dutzendfach auf Plakaten. Mona, der neue Star in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft.

So endet „Kir Royal“, die Kultserie um Klatschreporter Baby Schimmerlos. Dass Regisseur Helmut Dietl sich gerade diesen Ort ausgesucht hat, als Etablissement, wo sich Senta Berger als Mona freisingt von ihrem überheblichen Klatschreporter-Freund Baby Schimmerlos (gespielt von Franz Xaver Kroetz), ist eine augenzwinkernde Hommage an die Bühne, die damals längst berühmt war. Allerdings nicht für lieblichen Gesang, sondern für scharfen Spott.

Künstler wurden hier groß, jetzt zählt nur noch die Rendite

Die Münchner Lach- und Schießgesellschaft, 1956 gegründet von Sammy Drechsel und Dieter Hildebrandt, ist eine der renommiertesten Spielstätten für politisches Kabarett. In 59 Jahren ist die Bühne eine Institution in Schwabing geworden. Bis kurz vor seinem Tod trat Dieter Hildebrandt hier auf, Künstler wie Bruno Jonas oder Renate Küster hatten hier eine Heimat, zusammen mit Autoren wie Werner Schneyder. Jetzt zwingt eine Mietererhöhung das Ensemble dazu, die Spielstätte an der Münchner Freiheit aufzugeben.

Till Hofmann betreibt das Kabarett-Theater an der Ecke Haimhauser-/Ursulastraße in einem Lokal, das Löwenbräu gemietet hat. Früher gehörte die Immobilie der Brauerei, dann wurde der Besitz zerteilt, und das Haus, in dem die Lach und Schieß daheim ist, fiel in die Hände einer privaten Eigentümergesellschaft. „Und für die zählt nur Rendite“, sagt Till Hofmann. Seit er die Lach- und Schieß 2001 übernommen hat, gehe es in einer Tour so. Vor gut zehn Jahren wurde die Miete um rund 500 Euro erhöht, dazu kam eine jährliche Steigerung von 100 Euro. Und im letzten Jahr sollte es dann auf einmal noch wesentlich mehr.

Damals konnte Hofmann noch verhandeln: „Die Erhöhung fiel dann niedriger aus, und die Brauerei zahlt sie seither, sonst ginge es gar nicht.“ Ende September soll die Miete nun aber wieder erhöht werden. Um rund 1000 Euro pro Monat. „Dann geht es nicht mehr“, sagt Till Hofmann. „Dann müssen wir raus.“

Deshalb sucht die Lach- und Schießgesellschaft eine neue Bleibe. Am Traditionsort in Schwabing droht ihr das Aus. „Ich wünsche mir natürlich, dass wir eine Lösung finden und bleiben können“, sagt Hofmann. „Auch die Künstler, das Ensemble und die Angestellten hoffen das.“ Aber momentan schaut es nicht danach aus.

„Wir sind ein unsubventioniertes Kabarett-Theater, das ist etwas Feines und Erhaltenswertes, aber den Eigentümern geht es um Rendite, denen ist es Wurscht, ob da ein Theater drin ist oder ein Burgerladen“, sagt Till Hofmann. Die drei Eigentümer sind in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert, der Kontakt besteht nur über eine Hausverwaltung.

Also umziehen – bloß wohin? Die Bühne soll in Schwabing bleiben, wenn es geht. Am besten in der Nähe der Münchner Freiheit. Doch hier etwas zu finden, wird schwer. Also doch eher in einem anderen Viertel?

Till Hofmann sagt: „Das Wichtigste ist ein cooler Vermieter, der eine solche Bühne schätzt. Ob man dann in die Gaststätte einer Brauerei gehe, selber ein Lokal betreibe oder ein ganz anderes Konzept habe, sei nicht das Entscheidende. „Das kann ein ganz wilder Raum sein, Hauptsache, es ist Platz für das Kabarett.“

Die Lach- und Schießgesellschaft, raus aus Schwabing? „Das wäre eine Katastrophe“, sagt Konstantin Wecker. Für ihn ist die Bühne ein ganz besonderer Ort, schließlich durfte er hier vor rund vierzig Jahren sein erstes Programm aufführen: „Die sadopoetischen Gesänge des Konstantin Amadeus Wecker“. „Den Auftritt hatte ich Sammy Drechsel zu verdanken“, sagt Konstantin Wecker. „Ich sah damals wahnsinnig sportlich aus, und Dieter Hildebrandt hat Sammy gesagt: Der sieht zwar nicht aus wie einer, der Klavier spielt, aber wie einer der Klaviere trägt.“ Fortan stand Wecker noch häufig auf der Bühne der Lach und Schieß.

Dass die Traditionsbühne künftig außerhalb Schwabings liegen soll, ist tatsächlich schwer vorstellbar. Schließlich ist sie eine der Institutionen, die den Ruf Schwabings als Künstlerviertel in den frühen Tagen mit aufgebaut hat. Das Ur-Ensemble, zu dem neben Dieter Hildebrandt noch Ursula Herking, Hans Jürgen Diedrich und Klaus Havenstein gehörten, legte 1956 mit dem Programm „Denn sie müssen nicht, was sie tun“ den Grundstein für den Ruhm der Bühne.

Neues Ensemble, neues Programm – und bald kein Zuhause mehr

Ende Oktober präsentiert das neue Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft nach einer längeren Pause, in der es vor allem Gastspiele gab, sein neues Programm „Nerven Systeme?“. Das wird es in seiner bisherigen Spielstätte tun. „Ich will diese Premiere nicht gefährden“, sagt Till Hofmann. „Darum würde ich die Verluste zuerst noch tragen.“ Spätestens ab dem kommenden Jahr müsste das Ensemble dann aber woanders spielen.

Und die Münchnerinnen und Münchner könnten nicht mehr zum Kabarett in das Lokal an der Ecke Haimhauser-/Ursulastraße gehen. Sie würden vielleicht manchmal draußen an dieser Ecke stehen, in ein Fenster schauen, ohne das gelbe Leuchten des Lach- und Schießgesellschaft-Schildes im Scheitel, und etwas sehen, das vielleicht ganz schön ist, aber trotzdem nicht die Wehmut trösten kann. Die Wehmut über ein verlorenes Stück Altschwabing.

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