Wegen Corona leerer als sonst: In Stadelheim sind Zellen frei

München - "Stiller als sonst ist es nicht unbedingt in Münchens Justizvollzugsanstalt, aber spürbar leerer", sagt Felix Walter. Er ist evangelischer Gefängnispfarrer in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim und einer der wenigen, der in den vergangenen Wochen zu den Menschen hinter Gittern durfte – außer den Bediensteten. Denn seit der Pandemie und der Ausrufung des Katastrophenfalls dürfen Häftlinge keine Besuche mehr empfangen. Nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel von ihrem Rechtsanwalt – oder dem Pfarrer.
In Stadelheim und den anderen bayerischen Justizvollzugsanstalten sitzen derzeit fast ein Fünftel weniger Häftlinge ein. "Von den insgesamt 12.020 Haftplätzen in Bayern sind etwa 2.100 derzeit nicht belegt", sagte Justizminister Georg Eisenreich (CSU) im Gespräch mit der AZ. Das entspricht 18 Prozent.
Gezielt weniger Menschen inhaftiert
Die niedrige Zahl liegt nicht nur daran, dass es außerhalb der Gefängnismauern durch die Ausgangsbeschränkungen weniger Körperverletzungen, Wohnungseinbrüche und andere Delikte gegeben hat. Die Justizbehörden haben auch gezielt dafür gesorgt, dass weniger Menschen inhaftiert sind. So sollen Bedienstete und Gefangene vor der Ansteckung mit Corona geschützt werden.
Durch vorzeitige Haftentlassungen wurde das laut Eisenreich nicht erreicht. "Wir haben nur den Haftantritt verschoben. Beispielsweise werden Beschuldigte, die eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten müssen, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlt haben, vorerst nicht geladen." Die Beschuldigten müssten ihre Freiheitsstrafe dann zu einem späteren Zeitpunkt antreten. Auch Abschiebehäftlinge gibt es derzeit nur wenige. Waren vor der Pandemie (Stichtag: 29. Februar) noch 83 in Erding und Eichstätt untergebracht, sind es derzeit nur vier. Georg Eisenreich: "Teilweise wurde die Abschiebehaft beendet, weil die zeitnahe Abschiebung in die Heimatländer Corona-bedingt nicht möglich war."
Besuche und Ausgang sind gestrichen – dafür gibt’s einen Fernseher
Laut aktuellsten Zahlen wurden in den bayerischen Gefängnissen bislang 30 Bedienstete und 13 Gefangene positiv auf Covid-19 getestet. Zehn Bedienstete und zwei Gefangene sind noch krank. Von den erkrankten Häftlingen waren acht sogenannte Neuzugänge. "Es hat sich daher bewährt, dass alle, die neu von außen kommen, erst einmal getrennt von den anderen Gefangenen untergebracht werden", so Eisenreich zur AZ.

Außer der zweiwöchigen Quarantäne gibt es im Gefängnis noch weitere Corona-Regeln. "Das Besuchsverbot trifft sie besonders hart", sagt Pfarrer Walter. Doch auch Ausgang und Hafturlaub sind gestrichen. Dazu kommt, dass viele Prozesse verschoben wurden. Untersuchungshäftlinge, die auf eine Bewährungsstrafe bauen, müssen dadurch unter Umständen länger im Gefängnis schmoren.
"Die Einschränkungen im Haftalltag werden mit ausgleichenden Maßnahmen begleitet. Zum Ausgleich können Gefangene im Monat mindestens 40 Minuten telefonieren", sagt Eisenreich. Die Stadelheimer dürfen pro Monat zwei Mal je 20 Minuten unter Aufsicht telefonieren. Zudem haben alle einen eigenen Fernseher auf die Zelle bekommen – "auch diejenigen, die ihn nicht zahlen können", sagt Pfarrer Walter. "Sie haben sich sehr gefreut, als Sky Fußballspiele freigab."
Lesen Sie hier: Coronavirus-News - Nur sechs neue München-Fälle am Montag