Wegen Corona: Die Münchner zieht es ins Umland

München - Die Münchner haben heuer viel Zeit in ihren Wohnungen oder Häusern verbracht. Durch Corona waren und sind viele Menschen im Homeoffice und während des Lockdowns konnte man nicht einmal im Wirtshaus einkehren.
"Wir merken, dass die Menschen durch Corona vermehrt nach Immobilien mit Balkon, Terrasse oder Garten suchen", sagt Stephan Kippes, Leiter des Immobilienverbands Deutschland IVD Süd, der jetzt den Marktbericht "Münchner Umland" vorgestellt hat.
Kippes: "Seit Herbst 2019 stieg das Preisniveau spürbar an"
Durch die strikten Corona-Beschränkungen kam auch der Immobilienmarkt vorübergehend zum Erliegen. Der IVD-Aktivitätenindex – die Anzahl der angebotenen Objekte je 1.000 Einwohner – ging im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum spürbar zurück.
Wurden im Durchschnitt der Kreisstädte des Münchner Umlandes in den ersten sechs Monaten 2019 noch 5,2 Eigentumswohnungen und 4,4 Häuser je 1.000 Einwohner angeboten, so sank der Wert im ersten Halbjahr 2020 auf 3,8 beziehungsweise 3,5.
"Trotz dieser Dämpfung ist der Markt weiterhin durch einen deutlichen Nachfrageüberhang gekennzeichnet", sagt Stephan Kippes. "Seit Herbst 2019 stieg das Preisniveau erneut spürbar an. Wie bereits in den vergangenen Jahren fielen die Zuwächse im Kaufsegment höher aus als im Mietsegment."

Ansteigende Durchschnittsmieten in Fürstenfeldbruck
Eigentumswohnungen aus dem Bestand verteuerten sich in allen Kreisstädten. Während die durchschnittlichen Kaufpreise in Dachau (+4,4 %) und Fürstenfeldbruck (+3,9 %) am deutlichsten stiegen, fielen die Zuwächse in Erding (+1,0 %) moderater aus. In München musste im Frühjahr 2020 im Schnitt 3,3 Prozent mehr für eine Eigentumswohnung aus dem Bestand bezahlt werden als noch vor einem halben Jahr.
Etwas gedämpfter entwickelt sich das Preisniveau auf dem Mietmarkt. Seit Frühjahr 2015 stiegen die Mietpreise für Bestandswohnungen im Durchschnitt der Kreisstädte des Münchner Umlands um 25 Prozent, während das Kaufpreisniveau für Eigentumswohnungen um 55 Prozent nach oben kletterte.
In der kurzfristigen Betrachtung Herbst 2019 zu Frühjahr 2020 stechen vor allem Fürstenfeldbruck (+4,6 %) sowie Freising (+3,8 %) mit deutlich ansteigenden Durchschnittsmieten heraus. In München stiegen die Mieten für Bestandswohnungen seit Herbst 2019 im Schnitt um 0,6 Prozent.
Potenzielle Käufer: Ist die Wohnung für Homeoffice geeignet?
Viele Umlandgemeinden sehen sich einem immensen Siedlungsdruck ausgesetzt. Der Ausbau der Infrastruktur konnte mit den steil wachsenden Bevölkerungszahlen nicht Schritt halten – und der Druck steigt.
"Weil durch Homeoffice einige davon ausgehen, dass sie nicht mehr fünf Mal in der Woche ins Büro nach München müssen, gibt es eine Verschiebung in Regionen, von denen man nicht gedacht hätte, dass die Münchner dorthin ziehen, etwa Memmingen", sagt Kippes.
Potenzielle Mieter und Käufer würden laut Kippes Wohnungen darauf prüfen, ob sie für Homeoffice geeignet sind. Das müsse bei diesen Preisen nicht unbedingt ein weiteres Zimmer sein, sondern könne auch eine Nische sein.
Genehmigungsprozesse für Bauprojekte ziehen sich hin
Ob und inwieweit die Corona-Krise mittelfristig Auswirkungen auf den Wohnimmobilienmarkt mit sich bringt, bleibt abzuwarten. Die Zuzugszahlen könnten zwar etwas abflachen, weil aufgrund der wirtschaftlichen Lage weniger Fachkräfte gebraucht werden: Die weiterhin zahlreichen zahlungsbereiten Interessenten werden das Preisniveau trotzdem antreiben.
Kurzfristig wirkt sich Corona vor allem auf geplante oder in der Umsetzung befindliche Bauvorhaben aus, etwa durch Materialengpässe oder weil Arbeitskräfte wegfallen, aber auch durch gekürzte kommunale Haushalte.
Auch Genehmigungsprozesse für Bauprojekte haben sich zeitlich in die Länge gezogen. Auf den Wohnimmobilienmärkten klaffte die Schere zwischen Angebot und Nachfrage immer weiter auseinander.
Gemeinde Olching setzt auf langsamen Zuzug
Auch ein vorübergehender Stillstand am Markt durch die Corona-Krise tut dieser Entwicklung keinen Abbruch. Weil die Nachfrage nicht befriedigt wird, steigt das Kauf- und Mietpreisniveau kontinuierlich an.
Mit der Wohnraumproblematik gehen die Kommunen im Umland sehr unterschiedlich um. Viele Gemeinden wie Aschheim (+24,8 %), Poing (+22,6 %) und Karlsfeld (+19,8 %), aber auch Kreisstädte wie Dachau (+13,3 %) und Freising (+8,9 %) haben in den vergangenen zehn Jahren ein starkes Bevölkerungswachstum verzeichnet, nicht zuletzt, weil dort große Neubaugebiete entstanden sind.
Einige Gemeinden wie zum Beispiel Olching (+12,6 %) haben sich, trotz vorhandener Flächenreserven, von dem starken Gemeindewachstum abgewendet und setzen aktuell eher auf einen langsamen Zuzug. "Wer es günstiger haben will, der geht zwischen die S-Bahn-Äste, also nicht Fürstenfeldbruck oder Germering, sondern Alling", sagt Kippes.
Je weiter man sich aus dem Münchner Stadtgebiet bewegt, desto günstiger wird es in der Regel. Der Kaufpreis für ein freistehendes Einfamilienhaus liegt in Geretsried bei 42 Prozent des Münchner Niveaus, in Markt Indersdorf bei 38 Prozent und in Petershausen sogar nur bei 24 Prozent.
Doppelhaushälfte in Wolfratshausen bei Münchnern begehrt
Die Münchner drängen mehr und mehr in den Wohnungsmarkt des Umlandes: Peter Schneider vom IVD erzählt von einer Doppelhaushälfte in Wolfratshausen, die 1,2 Millionen Euro kostet und für die er über das Wochenende 30 Anfragen erhalten hat. 80 Prozent davon waren Münchner, die es ins Umland zieht.
In landschaftlich besonders reizvolle Gegenden, insbesondere in den Gemeinden rund um den Starnberger See sowie im Würmtal, wurde mancherorts das Münchner Preisniveau bereits erreicht oder sogar überschritten.
In Gauting werden für freistehende Einfamilienhäuser 79 Prozent des Münchner Preises bezahlt, in Starnberg 99Prozent, in Pöcking und in Tutzing sogar 103 bzw. 104 Prozent – sofern man überhaupt ein freistehendes Haus findet.
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