Wegen 5 Cent: 87-Jährige erlebt Inkasso-Irrsinn

Lieselotte I. vergisst bei einer Überweisung einen sehr kleinen Betrag. Das hat Folgen: Der Telefonkonzern beauftragt eine Inkasso-Firma - die plötzlich deutlich mehr will.
von  Thomas Gautier
Lieselotte I. mit ihrem Sohn Bernhard: Er findet die Geschäftspraktiken von Tele2 „skandalös“ - und beschwert sich.
Lieselotte I. mit ihrem Sohn Bernhard: Er findet die Geschäftspraktiken von Tele2 „skandalös“ - und beschwert sich.

Lieselotte I. vergisst bei einer Überweisung einen sehr kleinen Betrag. Das hat Folgen: Der Telefonkonzern beauftragt eine Inkasso-Firma. Und die will plötzlich 35,05 Euro von der Frau

MÜNCHEN - Allein der erste Briefumschlag hat elf Mal mehr gekostet. 55 Cent. Tele2 war’s scheinbar egal. Weil: Es geht ums Prinzip.
Lieselotte I. (87) aus Emmering hat das am eigenen Leib zu spüren bekommen. Sie brauchte die Hilfe ihrer halben Familie – und am Ende auch der AZ – um gegen das Telefonunternehmen anzukommen. Und das alles bloß wegen fünf Cent.

Am 2. Dezember bekommt Lieselotte I. eine Rechnung von Tele2 für zwei Anrufe – einer kostet 3,09 Euro, der andere fünf Cent.

Bei der ersten Mahnung am 12. Januar kommen fünf Euro Gebühren hinzu. Lieselotte I. ruft Tele2 an. Sie habe die Rechnung vergessen, sagt die alte Frau – man vereinbart, dass ihr die fünf Euro Mahngebühren erlassen werden.

Lieselotte I. zahlt am 18. Januar 3,09 Euro an Tele2. In der ganzen Aufregung vergisst sie den Betrag von fünf Cent.

Am 23. Januar bekommt sie dafür die Quittung: Eine neue Mahnung, dieses Mal von der Inkasso-Firma Acoreus. Die Forderung: 35,05 Euro! Die Mahngebühr von fünf Euro von Tele2 ist trotz der Absprache wieder dabei, dazu kommen 25 Euro Inkassogebühren, weitere fünf für „sonstige Auslagen“ – und natürlich die fünf Cent.

Lieselotte I. ist entsetzt. Kann das sein? Oder will man sie nur abzocken? Es gibt doch so viele unseriöse Inkasso-Firmen (siehe unten).

Ihre Nichte ruft Acoreus an und vereinbart eine Halbierung der Forderung. Am 3. März zahlt Lieselotte I. 17,53 Euro unter Vorbehalt, um die Frist von zehn Tagen zu wahren.

Damit ist die Sache für Lieselotte I. erledigt. Aber nicht für ihren Sohn. Bernhard I. hält das Geschäftsgebahren von Tele2 für Pfennigfuchserei. „Meine Mutter hat sich im November eine Flatrate zugelegt, aber vergessen, die Billig-Einwahlnummern von Tele2 aus ihrem Adressbuch im Telefon zu entfernen“, sagt er. So sei es überhaupt zu den Kosten gekommen.

Dass Tele2 ihr wegen fünf Cent eine Inkasso-Firma auf den Hals hetze, sei „skandalös“. „Meine Mutter ist alt, schwer lungenkrank, und sie sieht nicht mehr sehr gut. Sie hat es einfach übersehen. Ihr zu unterstellen, dass sie prellen wollte, ist lächerlich.“

Als die AZ bei Tele2 nachfragt, handelt die Firma rasch: Sie überweist die 17,53 Euro zurück – und bittet um Entschuldigung: Acoreus habe vergessen, die fünf Euro Mahngebühr, wie telefonisch vereinbart, zu streichen, schreibt eine Sprecherin.

Genau diese fünf Euro seien aber „der Schwellbetrag, ab dem Beiträge von Tele2 angemahnt werden“, heißt es weiter. „Die Zahlung war also nicht korrekt, der Fehler lag eindeutig bei Tele2, bzw. dem Rechnungspartner.“ Der Betrag werde sofort erstattet, und: „Wir möchten uns noch einmal bei Frau I. für die Unannehmlichkeiten entschuldigen.“

Tele2 sieht’s also ein – und bleibt so seinem Slogan treu. Der lautet schließlich: „Warum mehr bezahlen?“

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