"Weg mit den Drähten!"

Drei Tage nach dem tragischen Tod von Orang-Utan-Mädchen Anni reagierten Tierpark-Kenner und Zoo-Experten am Wochenende mit Bestürzung. "Anni könnte noch leben, wenn man früher auf die vorhanden Missstände reagiert hätte.", heißt es.
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Regungslos kauert Orang-Utan-Mama Madra in ihrem Käfig und trauert im ihr Kind.
Petra Schramek Regungslos kauert Orang-Utan-Mama Madra in ihrem Käfig und trauert im ihr Kind.

Drei Tage nach dem tragischen Tod von Orang-Utan-Mädchen Anni reagierten Tierpark-Kenner und Zoo-Experten am Wochenende mit Bestürzung. "Anni könnte noch leben, wenn man früher auf die vorhanden Missstände reagiert hätte.", heißt es.

MÜNCHEN Wut und Trauer in Hellabrunn: Drei Tage nach dem tragischen Tod von Orang-Utan-Mädchen Anni reagierten Tierpark-Kenner und Zoo-Experten am Wochenende mit Bestürzung auf den erneuten Todesfall bei den Menschenaffen im Zoo. Ihr Vorwurf: „Anni könnte noch leben, wenn man früher auf die vorhanden Missstände reagiert hätte.“ Das ein Jahr alte Äffchen war am Morgen offensichtlich durch einen kleinen Spalt an der Aufhängung auf die Maschendraht-Abdeckung des Geheges geklettert, dann aber nicht mehr zurück in den Käfig gekommen. In der Not hatte Affen-Chef Bruno versucht, das Mädchen durch das Netz zu ziehen, zerrte dabei allerdings so heftig an dem kleinen Körper, dass Anni regelrecht stranguliert wurde. Sie starb noch am Freitag.

Anni, deren Mutter Madra gestern regungslos in ihrem Käfig kauerte, ist damit bereits der dritte Menschenaffe, der in Hellabrunn auf tragische Weise ums Leben kam. Neben dem Schimpansen Franzl, der im Oktober im Wassergraben ertrank, war bereits 1996 das Gorilla-Baby Toni stranguliert worden. Auch damals hatte sich das Äffchen in einem Netz verfangen und war erstickt. Tierschützer kritisieren deshalb jetzt die Maschendraht-Abdeckung des Geheges: „Eine ganze Reihe von Zoos verzichten mittlerweile auf diese Begrenzungen“, sagt Edmund Haferbeck, Vorsitzender der Tierschutzorganisation Peta: „Wenn man schon ein Gehege konzipiert, dann muss man wenigstens dafür sorgen, dass die Tiere darin nicht zu Schaden kommen“ – die Drähte müssten weg. So würden in Hannover und Leipzig schon seit längerem natürliche Begrenzungen statt Maschendraht verwendet: „Hellabrunn hinkt da hinterher.“

Auch deshalb sieht die Rathaus-FDP dringenden Handlungsbedarf. Bereits heute will Stadträtin Nadja Hirsch in der Fraktion die Bildung einer Expertenkommission beantragen, um Fragen zu Haltungs-Richtlinien und der architektonische Gestaltung diskutieren zu lassen: „Wenn zwei Affen innerhalb von nur vier Monaten sterben, kann etwas in Hellabrunn nicht stimmen.“ Besonders tragisch: Hirsch hatte bereits vor einem halben Jahr in einer Stadtratsanfrage auf konzeptionelle und bauliche Mängel in Hellabrunn hingewiesen: „Damals hat man diesem Schreiben allerdings kaum Beachtung geschenkt“, bemerkte die FDP-Politikerin: „Wie viele tote Affen braucht die Stadt eigentlich noch, um endlich zu handeln?“

Tierpark-Kennerin Petra Gotzler, die die Zoo-Leitung bereits vor Monaten auf Missstände in den Affengehegen aufmerksam gemacht hatte, ist sich jedenfalls sicher: „Anni könnte noch leben, wenn man diese Anlage richtig konzipiert hätte.“ Besucher hatten schon vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass Orang-Utan-Baby Struppi, das mittlerweile im Neunkircher Zoo lebt, immer wieder aus dem Gehege schlüpfte. Erst 2006 war das Menschenaffenhaus nach Renovierungsarbeiten wieder bezogen worden. Die Vorsitzende von Hellabrunns Aufsichtsrat, Bürgermeisterin Christine Strobl, will die Anlage nun auf Schwachstellen untersuchen lassen und alsbald mit Tierpark-Chef Henning Wiesner sprechen. Der hat seinen Urlaub um einen Tag verkürzt und ist heute wieder im Zoo. Auch soll geklärt werden, ob der Maschendraht entfernt werden kann: „Aber wir werden nie zu 100 Prozent ausschließen können, dass so etwas noch einmal passiert.“ Daniel Aschoff

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