"Was soll ich meinen Kindern schenken?"

Weihnachten sprengt ihr Budget: Tamara Beier ist alleinerziehend und findet einfach keinen Job.
Natalie Kettinger |
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Tamara Beier (51) im Kinderzimmer. „Ich würde gerne arbeiten“, 
sagt die Alleinerziehende.
Gregor Feindt Tamara Beier (51) im Kinderzimmer. „Ich würde gerne arbeiten“, sagt die Alleinerziehende.

Sandra (alle Namen geändert) ist 16 – und hat ihren Geburtstag seit zwei Jahren nicht mehr gefeiert. „Ich stehe jedes Mal vor der Wahl: eine Party oder Geschenke“, sagt Mutter Tamara Beier traurig. Die 51-Jährige ist alleinerziehend und lebt von HartzIV.

„Am 20.eines Monats wissen wir oft nicht, wie es weitergehen soll.“ Wenn Sandra und ihre Schwester Nicole (7) neu eingekleidet werden müssen, eins der Mädchen Geburtstag hat oder ein Schulausflug naht, ist das stets eine riesige Herausforderung für die kleine Familie. Und jetzt steht auch noch Weihnachten vor der Tür...

Tamara Beier ist Industriekauffrau, hat zusätzlich eine Ausbildung zur Grafikdesignerin und „in 1000 Berufen gearbeitet“. Doch nach der Trennung von Sandras Vater verschärfte sich ihre Situation. „Sandra war sechs, deshalb konnte ich nur vormittags antreten.“ Fortan habe sie sich eben „irgendwie durchgejobbt“. Sie saß bei einem Wohlfahrtsverband am Empfang, gab Kunst-Kurse im Kindergarten und war zwischendurch immer wieder auf Hilfe vom Amt angewiesen. Das änderte sich auch nicht, als sie beim Salsa-Tanzen einen neuen Mann kennen lernte und mit Nicole schwanger wurde: John war Flüchtling. „Er hatte 40Euro Taschengeld pro Monat, das war’s.“

Außerdem war die Beziehung nicht von Dauer – und Tamara Beier stand wieder allein da. Jetzt mit zwei Kindern.

Erneut ging sie auf Jobsuche, wurde Führerin bei einem großen Aquarium. So konnte sie sich und die Mädchen eine Weile gut versorgen. „Dann wurden die Arbeitszeiten geändert und ich musste eine Stunde früher da sein. Das ging aber nicht, weil Nicoles Kindergarten nicht um fünf Uhr früh aufmacht.“

Danach, sagt Tamara Beier, habe sich außer 1-Euro-Jobs nichts mehr ergeben. „Ich möchte aber nicht mein Leben lang für einen Euro pro Stunde arbeiten“, sagt die zweifache Mutter bestimmt. Dazu habe sie doch keine Ausbildung gemacht. „Ich würde gerne drei bis vier Stunden am Vormittag arbeiten. Ganz normal. Doch in letzter Zeit gab es nur Absagen.“

Tamara Beier beschritt ungewöhnliche Wege: Sie druckte ihren Lebenslauf auf Flyer und warf sie in die Briefkästen großer Unternehmen. Nichts. Sie fragte beim Landratsamt um eine Stelle an. „Ich kenne mich mit den Behörden mittlerweile ja ganz gut aus und dachte, ich könnte anderen Leuten helfen.“ Wieder nichts. „Dabei wünsche ich mir so sehr, endlich nicht mehr jeden Cent umdrehen zu müssen.“

Ein Auto besitzt die Familie nicht, zum Einkaufen fährt die Mutter mit dem Radl. Auch jetzt im Winter. Die neue Brücke, zu der ihre Zahnärztin dringend rät, kann sich Tamara Beier nicht leisten. „Die kostet 1600 Euro. Die habe ich nicht.“ Sandra, eine begeisterte Tänzerin, träumt von einem Salsa-Kurs – auch der ist nicht drin. „Die Mädchen bekommen ja nicht einmal Taschengeld“, gesteht die Mutter leise ein.

Bevor sie Medikamente kauft, schaut sie im Internet, ob sie nicht ein günstigeres Hausfrauen-Mittel findet. In den Ferien darf die kleine Nicole einmal am Spaßprogramm der Gemeinde teilnehmen, mehr ist finanziell nicht drin. Im Sommer radelt Tamara Beier mit ihren Töchtern so oft es geht zum Baden an die Würm. Dann liegt die Familie glücklich in der Sonne. Gratis. „Aber im Winter braucht man Geld für Freizeitaktivitäten wie Kino oder Schlittschuhlaufen.“

Geld, das Tamara Beier nicht hat. Zu Weihnachten wünscht sich Nicole ein neues Rad, Sandra den Tanzkurs. Außerdem benötigen beide wasserdichte Winterstiefel und warme Mäntel. Nichts davon gibt das Budget der Familie her. „Was soll ich ihnen nur schenken?“ fragt die Mutter verzweifelt und ihre Augen füllen sich mit Tränen.

 

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