Was OB-Kandidatin Kristina Frank am meisten an München stört

Bei einer Weißwurst mit der AZ spricht die OB-Kandidatin der CSU, Kristina Frank, über Dosenbier in der U-Bahn, ihr Leben als Staatsanwältin für schwere Verbrechen und ihre Sorge um München.
von  Felix Müller und Thomas Müller
Kristina Frank beim Weißwurstfrühstück mit AZ-Vize-Chefredakteur Thomas Müller (r.) und AZ-Lokalchef Felix Müller.
Kristina Frank beim Weißwurstfrühstück mit AZ-Vize-Chefredakteur Thomas Müller (r.) und AZ-Lokalchef Felix Müller. © Petra Schramek

München - Natürlich zuzelt sie nicht. Nein, Kristina Frank schneidet. Gabel- oder Längsschnitt, lautet dann noch die Frage, als die 38-Jährige in der Metzgerei Gaßner im Viehhof zum Messer greift. Es wird der Längsschnitt, der Klassiker. Ist zwar wenig praktisch, erfüllt aber die appetitliche Funktion – was bei einer Weißwurst durchaus herausfordernd sein kann. Unterm Strich: gekonnt unfallfrei.

AZ: Frau Frank, haben Sie noch Ihre Dauerkarte beim FC Bayern?
KRISTINA FRANK: Ja, selbstverständlich. Block 112 in der Südkurve.

Ein Stehplatz im Fanblock. Zieht es Sie gar nicht in die Logen, ins Warme?
Überhaupt nicht. Ich gehe ja nicht zum Fußball, um möglichst viel Komfort zu haben, sondern, um mit meiner Mannschaft zu fiebern. Und das geht am besten in der Südkurve.

Es gibt ein Foto, das Sie auf Auswärtsfahrt in Madrid zeigt, mit Dosenbier in der U-Bahn. Ist sowas Ihr Ausbrechen, weil Ihnen die feine Münchner Gesellschaft manchmal so richtig auf die Nerven geht?
Ich mache beides leidenschaftlich: In der Südkurve stehen, aber auch mal gut essen gehen.

Warum sind Sie eine Rote geworden – und keine Blaue?
Die Jahreskarte habe ich seit fast 25 Jahren. Damals war ich in einen Jungen verschossen, der FC-Bayern-Fan war. Der hat mich mitgenommen. Und dessen Dauerkarte habe ich später übernommen.

Sie haben vorgeschlagen, dass wir uns hier treffen: im Viehhof. Was mögen Sie an diesem Ort?
Der Viehhof gehört zu den Markthallen, für die ich als Kommunalreferentin zuständig bin. Und so habe ich auch die Metzgerei Gaßner als Münchner Kleinod kennengelernt und bin jetzt öfter hier – natürlich auch, weil es besonders gute Weißwürste gibt. Sehen Sie, wie viel hier jetzt am Morgen schon los ist? Das ist noch richtig münchnerisch, ein Flair, das an vielen Stellen verloren gegangen ist.

Das droht doch auch hier. Die Stadt befeuert die Entwicklung, weil sie mit dem Volkstheater das Viertel teurer macht.
Das finde ich überhaupt nicht. Das Volkstheater ist ja nicht die Oper. Christian Stückl wird dafür sorgen, dass ein sehr gemischtes Publikum in den Viehhof kommt, von jung bis alt, von Student bis Professor. Das Volkstheater passt sehr gut ins Schlachthofviertel.

Sie sagen, hier finden Sie noch das alte München. Wenn man Ihren Wahlkampf anschaut, haben Sie ein sehr negatives Bild der Stadt im Jahr 2019.
Nein, überhaupt nicht. Ich liebe meine Heimatstadt. Aber ich fürchte, dass München aus der Balance kommt. In den letzten Jahren wurde nicht genug darauf geachtet, dass wir langsamer und strukturierter wachsen. Oft wird einfach nur schnell gebaut, weil der Bedarf hoch ist.

"Sehr schade, dass man an Münchner Schulen kein Bairisch lernt"

Ihr Slogan ist "Wieder München werden". Was ist verloren gegangen, was Sie zurückwollen?
München hatte immer qualitativ sehr hochwertige Angebote, in denen sich immer alle Gesellschaftssichten wiedergefunden haben. Leben und leben lassen, bayerische Gemütlichkeit. Die fehlt mir.

Die gibt es nicht mehr?
Inzwischen grantelt doch keiner mehr. Jeder schimpft einfach nur – schon auf dem Weg zur Arbeit, wenn er im Stau steht oder wenn die S-Bahn schon wieder nicht kommt. Die Menschen werden immer aggressiver. Das ist nicht münchnerisch. Wir müssen der Stadt die Ruhe zurückgeben, statt sie zu spalten.

Inwiefern?
Böse Vermieter – gute Mieter, böse Autofahrer – gute Radfahrer. Da werden ständig alle Gruppen gegeneinander ausgespielt. Das finde ich nicht münchnerisch.

Sie betonen, ein echtes Münchner Kindl zu sein. Warum hören wir Sie nicht Münchnerisch sprechen?
Das kommt darauf an, mit wem ich rede. Meine Eltern sind in den 70ern aus dem Rheinland nach München gekommen. Aber entscheidender ist wohl, dass an Münchner Schulen kaum Bairisch geredet wird. Das finde ich sehr schade. Egal ob Platt oder Bairisch: Dialekt macht Regionen aus. Für mich gibt es wenig Schöneres, als wenn jemand mit mir Bairisch spricht.

Also verstehen tun Sie es schon?
(lacht) Freilich!

Sie zeigen sich viel mit Rad, kämpfen aber politisch für die Autofahrer. Stört es Sie, wenn man die CSU eine Autofahrer-Partei nennt?
Ja, das stört mich. Weil es nicht widerspiegelt, was wir insgesamt politisch anbieten. Wir wollen einen fairen Ausgleich. Wir sind genauso pro Radler wie pro Autofahrer und Fußgänger. In den letzten Jahrzehnten wurde viel zu wenig für den ÖPNV getan. Er muss dringend günstiger, komfortabler und vor allem zuverlässiger werden.

Deshalb wählt doch keiner CSU. Das fordern ja alle.
Außer uns hat es aber keiner gezeigt. Als wir 2014 die rot-grünen Jahrzehnte im Rathaus beendet haben, gab es bei der Stadt beispielsweise fast niemanden mehr mit Know-how für den Bau von U-Bahnen. Jetzt wird die U-Bahn nach Pasing und Freiham endlich gebaut. Wie es die CSU versprochen hat.

Kristina Frank beim Weißwurstfrühstück mit AZ-Vize-Chefredakteur Thomas Müller (r.) und AZ-Lokalchef Felix Müller.
Kristina Frank beim Weißwurstfrühstück mit AZ-Vize-Chefredakteur Thomas Müller (r.) und AZ-Lokalchef Felix Müller. © Petra Schramek

"Ich verstehe, dass Familien aus München wegziehen"

Am Ende macht OB Reiter mit diesen Themen Punkte, er ist ja auch erst seit 2014 OB – und hauptverantwortlich.
Der Amtsinhaber sagt aber gleichzeitig, dass er aufs Radl setzt und den Autofahrer schikanieren möchte. Dass er beispielsweise Parkplätze und Fahrspuren wegnehmen will, um sie für andere Nutzungen zur Verfügung zu stellen. Wir sagen: Es ist für viele unrealistisch, aufs Auto zu verzichten, so lange wir keine besseren Angebote machen. Der Fischbachauer steigt doch erst um, wenn er unverschwitzt im Büro ankommt, weil die Klimaanlage im Zug geht, wenn Bahnfahren günstiger ist als mit dem Auto zu fahren – und vor allem: Wenn er sicher sein kann, dass die Bahn kommt.

Der Fischbachauer ist das Hauptproblem für den Münchner Verkehr?
Die hunderttausenden Einpendler sind das Hauptproblem. Wir müssen schauen, dass wir sie aus der Stadt halten. Zum Beispiel auch mit neuen attraktiven P&R-Angeboten. Ansonsten produzieren wir durch das unkonzeptionierte Abschaffen von Fahrspuren nur noch mehr Stau und eine Verlagerung des Verkehrs in die Wohnviertel.

Sie haben ein Kind. Verstehen Sie, dass junge Familien keinen Nerv mehr haben und aus München wegziehen, zum Beispiel nach Fischbachau?
Ich sehe und verstehe, dass Leute die Reißleine ziehen müssen. Einfach, weil sie sich München nicht mehr leisten können. Die Stadt ist gerade für junge Familien extrem anspruchsvoll. Man hat so gut wie keine Möglichkeit, Wohneigentum zu schaffen, fast immer Probleme mit dem Kita-Platz, fast immer müssen beide Elternteile arbeiten. Wenn ich mit dem Buggy unterwegs bin, merke ich noch mehr, dass München sehr voll geworden ist. Nicht nur dann, wenn man wieder mal nicht in die U-Bahn reinkommt. Früher habe ich mich da halt einfach noch irgendwie reingequetscht.

Sie sagen, bei Ihnen daheim war früher das Geld knapp. Ist es heute wirklich schwerer in München als vor 20 Jahren? Teuer war es damals doch auch.
Meine Eltern waren finanziell in der Tat nie gut ausgestattet. Ich bin dennoch wohlbehütet in Obermenzing aufgewachsen. Die Mieten waren damals noch im Rahmen. Heute würde man für dieses Geld vermutlich nicht mehr viel bekommen in München. Insofern: Es ist schon viel teurer geworden – und das flächendeckend. München hat keine Schlupflöcher mehr. Und beispielsweise auch immer weniger Orte, an denen die Halbe unter drei Euro kostet.

Sie waren Staatsanwältin für Kapitalverbrechen. Was haben Sie da für die Politik gelernt?
Man lernt fürs Leben. Als Staatsanwältin musste ich in sehr fordernden Momenten die Ruhe bewahren. Ich durfte mich in schwierigen Situationen nicht von Gefühlsregungen leiten lassen. Es prasselt viel auf einen ein, man hat lange Arbeitszeiten. Und Morde passieren ja meist nachts, nicht nachmittags um drei. Man führt große Ermittlerteams, die Spurensicherung…

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"Law and Order denke ich anders als Uhl und Gauweiler"

Was war Ihr krassester Fall?
Zwei Fälle sind mir besonders in Erinnerung geblieben. Der Staatsanwalt, der am Amtsgericht in Dachau erschossen wurde, war ein Studienfreund und Kollege von mir. Da habe ich am Anfang die Ermittlungen geführt. Wenn man selbst oft in diesem Gerichtssaal plädiert hat, ist es schwer, genau in diesen Saal an den Tatort zu fahren. In einem anderen Fall war ein Säugling von der Mutter direkt nach seiner Geburt in eine Plastiktüte gepackt und tot aufgefunden worden. Das sind unvorstellbare Bilder, die immer im Kopf bleiben.

Die Münchner CSU hat eine Law and Order Tradition, etwa mit den KVR-Chefs Uhl und Gauweiler. Ist das eine gute oder schlechte Tradition?
Ich glaube, dass München vor allem deshalb die sicherste Großstadt der Welt ist, weil in der Vergangenheit entsprechende Schwerpunkte in der Sicherheitspolitik gesetzt worden sind. Und das nicht zuletzt durch die CSU-KVR-Chefs. Ein Beispiel ist, dass Uhl nicht toleriert hat, dass in München ein Haus länger als 24 Stunden besetzt ist. Das gibt es bis heute nicht – im Gegensatz zu anderen deutschen Großstädten. Trotzdem denke ich Law and Order anders als Uhl oder Gauweiler.

Inwiefern?
Ich glaube, dass wir auch mit städtebaulichen Konzepten im öffentlichen Raum punkten können. Indem wir uns fragen: Wie viele dunkle Ecken gibt es? Wenn Frauen sich unwohl fühlen, durch den Park zu gehen, wo können wir andere Wege bauen? Es muss ja nicht immer zwangsläufig auf Videoüberwachung hinauslaufen.

Sie leben in Neuhausen, das als eher langweilig gilt. Wo gehen Sie da noch auf das späte Bier?
Neuhausen ist nicht langweilig. Es ist bunt gemischt, ein ganzes München im Kleinen. Aber ich habe so viele Termine, dass ich meistens froh bin, wenn ich daheim bei der Familie bin. Fürs späte Bier gehe ich also eher zu meinem Kühlschrank. Aber grundsätzlich gehe ich sehr gerne in den Neuhauser Augustiner – und ins türkische Lokal Pardi.

Haben Sie je überlegt, aus München wegzuziehen?
Nie! Aber für einige Monate habe ich immer wieder den Blick über den Tellerrand gewagt, ob zum Arbeiten oder zum Backpacking.

Wann schauen Sie neidisch ins hippe Berlin?
Nur beim Pokalfinale. Das würde doch gut nach München passen.

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