Was nach dem Benko-Beben kommt: Das sagen Fachleute

Ein Experte erklärt, warum es sich beim Benko-Desaster nicht um eine herkömmliche Immobilienkrise handelt, sondern um eine "Abwertungskrise". Und Geschäftspartner sagen erst einmal nichts zur Lage um Signa.
von  Hüseyin Ince
René Benko gehörten mehrere Top-Immobilien in München. Inzwischen wurde er aus seinem Unternehmen, der Signa-Gruppe, rausgekegelt.
René Benko gehörten mehrere Top-Immobilien in München. Inzwischen wurde er aus seinem Unternehmen, der Signa-Gruppe, rausgekegelt. © Marcel Kusch/dpa

München - Maler, Elektriker, Gerüstbauer, Bodenleger: Die von Signa beauftragten Dienstleister auf den stillgelegten Münchner Baustellen halten sich derzeit bedeckt. Und Arndt Geiwitz, der Mann, der Signa retten und neu strukturieren soll? Vorerst nicht verfügbar.

Auch Architekturbüros, die mit Signa zusammenarbeiten, sagen derzeit lieber weniger, wie etwa Allmann-Wappner, die das neue Erscheinungsbild des Hertie-Hauses geplant hatten. Ein Sprecher meldet sich: "Die Lage der Baubranche ist allgemein schwierig, viele Projekte pausieren, nicht nur Signa-Projekte", sagt er. Die Berliner Architekten von Chipperfield sagen zur Sicherheit gar nichts. Gut denkbar, dass Stillschweigevereinbarungen herrschen.

Die große Frage ist nun: Werden Prestigeprojekte wie die Alte Akademie oder das Hertie-Haus zu jahrelangen Bauruinen, wie es ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff befürchtet? Die Fachbranche ist relativ optimistisch.

Benko-Desaster in München: "Hoch gepokert, aber nicht verzockt"

Die AZ hat drei Experten befragt. Bauruinen? Niemals, sagt der erste. Dafür seien Benko-Häuser zu attraktiv, "absolute Top-Objekte in Bestlagen". Da würden sich zur Not alternative Investoren locker finden, ist er überzeugt.

Ob René Benko fahrlässig gewesen ist? "Signa hat hoch gepokert, aber sich nicht verzockt", sagt er. Dass gleichzeitig Weltkrisen, steigende Zinsen und dramatisch teurere Baukosten zusammenkommen, habe keiner geahnt.

Ein zweiter Fachmann sieht es anders: "Natürlich wusste man nicht, wann das Ende der niedrigen Zinsen, steigende Kosten sowie neue Krisen kommen würden. Aber man hätte sich langfristig darauf einstellen können", den Vorwurf mache er Benko schon, dass er etwa keine Rücklagen gebildet habe.

Banken wollen die Benko-Immobilien in München nicht übernehmen

Ein dritter Experte ist überzeugt, dass beteiligte Banken sowie Investoren sich einigen werden. Bauruinen? Nein, keiner habe Interesse an einer Pleite, daran, dass Signa die Schlüssel der Häuser an Banken übergibt. "Was soll denn die Bank mit der Alten Akademie?", fragt er rhetorisch, "da müsste man ja noch mehr Geld investieren.

Der Baustopp jedoch sei verheerend. "Wenn es wieder losgeht, werden die Dienstleister deutlich mehr verlangen", ist er sicher. Aber die Benko-Häuser seien weiter attraktiv. Die Mieten für Gewerbeimmobilien seien weiter gestiegen, die Rendite-Erwartungen hoch.

Die momentane Schieflage sei keine Immobilienkrise, sondern eine Abwertungskrise. Zinserhöhungen führten dazu, dass alle Immobilienportfolios abgewertet wurden, nicht nur von Signa, in einer Größenordnung von zehn bis 15 Prozent. "Wenn Signa mal 28 Milliarden wert war, ist der Konzern jetzt etwa 24 Milliarden wert", sagt der Fachmann. Vereinfacht gesagt, fehlten Signa plötzlich ein paar Milliarden. Und eine Entflechtung des komplexen Benko-Imperiums werde nicht schaden, wie es Restrukturierungs-Experte Arndt Geiwitz offenbar vorhat.

Münchner Stadrat bleibt skeptisch

Die Stadtpolitik bleibt skeptisch. Anna Hanusch (Grüne) sagt, der Signa-Baustopp sei "höchst beunruhigend und wirft gleichzeitig ein gleißendes Licht auf die großen Risiken, die entstehen, wenn wichtige Teile unserer Innenstadt aus öffentlichem Besitz in die Hände von Spekulanten gelangen".

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