Was die Wiesn und Islam-Kunst verbindet
Die legendäre Orient-Schau zum 100. Jubiläum des Oktoberfests wird 2010 wiederholt
Es klingt erstmal wie ein Anfall von Wiesn-Wahnsinn: 1910, zum 100. Jubiläum des Oktoberfests, fand auf dem Münchner Messegelände, damals auf der Theresienhöhe gelegen, eine Ausstellung von Meisterwerken muhammedanischer Kunst tstatt. Mit über 3500 Exponaten war das die größte Schau zur islamischen Kunst in Europa und auch in der Herangehensweise bahnbrechend:
Die Ausstellung wollte die im Westen verbreitete Kitsch-Fata Morgana à la 1001 Nacht entzerren und alles ausklammern, „was einer unlauteren Imitation orientalischen Wesens ähnlich ist und an jene mit billigen ,unechten’ Mitteln vorgetäuschte Märchenpracht erinnern könnte, welche in früheren Jahrzehnten die Überlieferung des gewaltigen muhammedanischen Kulturkreises vertändelte“, hieß es im Katalogtext.
Zurück in die Prinzregentenzeit
Darüber hinaus wollte die Schau die Vielfalt der Künste in der islamischen Welt zwischen Persien, Spanien und Nordafrika präsentieren und zeigen, dass „die muhammedanische Kunst in ihrer Farbenharmonie und ihrer ornamentalen Größe vor allem geeignet ist, dem modernen Kunstschaffen Anregungen zu geben.“ Die Initialzündung gab, laut Katalog, Prinzregent Luitpold höchstselbst, der die persischen Tapisserien im Wittelsbacher-Besitz dem breiteren Publikum vorführen wollte.
Doch eher standen wohl handfeste politische und wirtschaftliche Interessen dahinter. Diese Hintergründe werden derzeit erforscht, das Ergebnis soll nun bei einem Symposium Ende Oktober vorgestellt werden. Die Liste der Unterstützer von einst liest sich jedenfalls wie ein „Who is who“ aus Politik, Wirtschaft und Kultur.
Der damalige Ansatz war hochmodern
2010, zum 200. Geburtstag der Wiesn, planen Münchens Kulturinstitutionen nun wieder eine Ausstellung über die Kunst des arabischen Kulturkreises. Chris Dercon, Direktor des Hauses der Kunst: „Die Initiative ging vom Völkerkundemuseum aus. Es kooperieren, neben Völkerkundemuseum und Haus der Kunst, LMU, Stabi, das Jüdische Museum und die Villa Stuck. Wir wollen die bedeutende Schau von damals wieder ins Bild bringen, weil sie in ihrem Ansatz hochmodern war. Le Corbusier, Kandinsky und Matisse haben sie besichtigt.“
Claudius Müller vom Völkerkundemuseum bekräftigt: „Das wird ein Renner. Wir sprechen intern schon vom ,Islam-Jahr 2010’. 1910 war das Völkerkundemuseum auch beteiligt. Diesmal zeigen wir zusätzlich zu unserer bedeutenden Islam-Sammlung eine Sonderausstellung zum Thema Wort und Schrift.“
Bin Laden ist nicht unter den Leihgebern
Die Verbindung mit dem Wiesn-Jubiläum ist nur möglich wegen der ungewöhnlichen Paarung von vor hundert Jahren. Dercon: „Das klingt ja für manchen fast so, als ob wir Bin Laden einladen. Aber die meisten reagieren doch begeistert auf unsere Pläne.“ Zum Beispiel Stefan Schörghuber, wichtiger Unterstützer des Hauses der Kunst und Bau-, Brau- und Hotel-Magnat. Schließlich gilt München als „Urlaubs-Mekka der Araber“, 2007 kamen rund 60000 Gäste, Tendenz steigend. Darunter auch der kunstsinnige Scheich Sultan bin Mohammed Al Qasimi aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, den Dercon als Berater gewinnen konnte.
Die Macher der Schau von 2010 wollen an die epochale Ausstellung von vor hundert Jahren anknüpfen und an die 30 wichtigsten Exponate von einst zeigen, aber das Thema soll vor allem in die Gegenwart übertragen werden. Dercon: „Im Haus der Kunst wollen wir das Augenmerk auf die zeitgenössische islamische Kunst richten und diese als Teil der globalen Kultur verstehen und würdigen.“
Und wo bleibt der arabische Humor?
Dercon will Beispiele aus Bildender Kunst, Design, Architektur, Typografie und Fotografie präsentieren und deutlich machen, dass auch die zeitgenössischen Künstler aus dem arabischen Kulturraum für die aktuelle Erneuerung der Kunst des Westens von größter Bedeutung sind. Die schwierige Frage sei nur, wo „zwischen Mali und Indonesien“ zieht man die Grenze? Und wie steht es um den Themenkomplex Humor in der arabischen Kunst? Dercon: „Das ist eine andere Ausstellung.“
Roberta De Righi