Was der Münchner OB Dieter Reiter für 2040 verspricht: "Erste Stadtwerke, die das schaffen"

Die Stadtwerke feiern 125-jähriges Jubiläum. Warum OB Dieter Reiter stolz auf die Geschichte des städtischen Unternehmens ist – und wo Herausforderungen für Gegenwart und Zukunft liegen.
von  Moritz Müllender
Geothermieanlage der Stadtwerke München.
Geothermieanlage der Stadtwerke München. © Manuel Übler

München – 1899 gründeten sich die städtischen Elektrizitätswerke, die heutigen Stadtwerke München (SWM). Das erste Kraftwerk Münchens ging ans Netz, am heutigen Standort des Heizkraftwerks Süd in Sendling - damals noch ein Kohlekraftwerk. Heute glänzen neben dem Kraftwerk die silbernen Rohre Deutschlands größter Geothermieanlage in der Sonne.

1899 begann die Geschichte der Stadtwerke mit dem Heizkraftwerk Süd, damals noch mit Kohle. Mission: Elektrisches Straßenlicht.
1899 begann die Geschichte der Stadtwerke mit dem Heizkraftwerk Süd, damals noch mit Kohle. Mission: Elektrisches Straßenlicht. © SWM

1899 begann München sich mit elektrischer Straßenbeleuchtung zu versorgen. Der Münchner Zentralbahnhof war der erste elektrisch beleuchtete der Welt. Heute ist die Mission Klimaneutralität.

"Erste Stadtwerke, die das schaffen": Was OB Dieter Reiter für 2040 verspricht

In der Fernwärme sei München führend. "Wir werden die ersten Stadtwerke sein, die das schaffen", verspricht OB Dieter Reiter (SPD) und meint damit die Klimaneutralität in der Fernwärme. Bis 2040 soll es soweit sein. Bis 2025 wollen die SWM zudem genügend erneuerbaren Strom erzeugen, um ganz München damit zu versorgen. "Wir sind knapp davor, selbst Ökostrom für ganz München zu erzeugen", sagt SWM-Geschäftsführer Florian Bieberbach. "Im Herbst werden wir es wissen." Es sei zwar noch zu früh, um ein Ergebnis zu präsentieren, aber aktuell decke man bereits über 90 Prozent des Bedarfs.

Bis wann die gesamten SWM klimaneutral sein wollen, dazu gibt es jedoch kein Datum.

"Haben uns unterworfen": Wie die Stadtwerke auf die Nazizeit zurückblicken

Die Verantwortlichen scheinen in Feierlaune. In Selbstkritik üben sie sich nur unfreiwillig. Kein Wort zur umstrittenen Umrüstung des Heizkraftwerk Nord auf Gasbetrieb. Und auch die NS-Vergangenheit der SWM spricht niemand an.

Auf Nachfrage wird Geschäftsführer Bieberbach dann aber deutlich: "Wir haben uns unterworfen." Die Stadtwerke seien gleichgeschaltet gewesen.

Der Name "Stadtwerke" stammt aus der NS-Zeit. "Stadtwerke der Hauptstadt der Bewegung" hießen die SWM unter Hitler. Zwar sei bei den SWM nicht so hart durchgegriffen worden, wie anderswo, da sie für die Versorgungssicherheit sorgten. Dennoch seien jüdische Mitarbeitende unterdrückt worden und die SWM hätten von Zwangsarbeit profitiert, sagt Bieberbach: "Die NS-Zeit war prägend für die SWM."

Erfolgsgeschichten: Von Pferdetrams bis zu modernen E-Bussen

Ansonsten erzählen die SWM-Verantwortlichen und OB Reiter an diesem Tag lieber Erfolgsgeschichten. Es geht von den ersten Trams, die noch von Pferden gezogen wurden, übers U-Bahn-Netz bis zu E-Bussen. Es geht um den Ausbau der Erneuerbaren. Um Schwimmbäder für die Münchnerinnen und Münchner.

Auch OB Reiter, der in seiner Funktion gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der SWM ist, lobt: "Die Stadtwerke haben München geprägt, wie kein anderes kommunales Unternehmen." Ihm sei wichtig, dass in München mit den SWM die Daseinsvorsorge zu 100 Prozent in kommunaler Hand sei. Man habe noch nie überlegt, die Stadtwerke zu veräußern, wie andere Gemeinden das getan hätten. "Das hat sich bezahlt gemacht", sagt Reiter. In Krisenzeiten habe man gemeinsam die Versorgung gewährleisten können, die Energiewende laufe in enger Zusammenarbeit und die SWM werfen auch Gewinne für die Stadt ab: etwa 100 Millionen Euro im Jahr. Der OB sagt: "Gemeinsam arbeiten wir an der Zukunft der Stadt."

10 Geothermieanlagen benötigt: Was dabei die Schwierigkeit ist

Diese Zukunft strotzt jedoch vor Herausforderungen. Für Reiter die Größte: "Die Begeisterung der Wähler ist der limitierende Faktor", sagt der OB. Es brauche etwa noch mindestens zehn Geothermieanlagen, um München zu versorgen. Die Herausforderung dabei sei nicht die Technik, sondern Standorte zu finden, die die Menschen akzeptierten. Angesichts dessen wird Reiter ironisch: "Das führt zu Begeisterungsstürmen unter den Nachbarn", sagt Reiter. "Da kriege ich nette Zuschriften." Die meisten seien für die Energiewende, aber dagegen, dass sie vor ihrer Haustür passiere.

"Verkehrsminister verweigert sich": Scharfe Kritik aus München an Verkehrsminister Wissing

Den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs müsse man indes möglicherweise strecken, sagt MVG-Chef Ingo Wortmann. Die Finanzierung sei unsicher. "Der Verkehrsminister verweigert sich", sagt Wortmann in Richtung Volker Wissing (FDP).

1968 fährt die erste U-Bahn im Testbetrieb ein. Bis zum regulären Betrieb wird es noch etwa drei Jahre dauern.
1968 fährt die erste U-Bahn im Testbetrieb ein. Bis zum regulären Betrieb wird es noch etwa drei Jahre dauern. © SWM

Auch Reiter nutzt die Gelegenheit für einen Appell an die Regierungen von Bund und Freistaat. Er fordert eine Finanzwende, die den Kommunen ermögliche, langfristig zu planen. Denn aktuell wisse man nicht, ob das Geld für die entsprechenden Projekte auch zusammenkomme. "So richtig wohl fühle ich mich nicht bei dem Gedanken", sagt Reiter. Auch von Umverteilung spricht der SPD-Politiker kurz. Er habe da Ideen, falls Bund oder Freistaat sie hören wollten.

Eine Tram, von Pferden gezogen.
Eine Tram, von Pferden gezogen. © SWM

Der Personalmangel erschwert die Umsetzung der SWM-Pläne zusätzlich. Man suche dringend Menschen, die Busse oder U-Bahnen fahren wollen. Auch den Bädern fehle Personal, Ingenieurinnen und Installateure suche man sowieso. Ob nicht jemand der Anwesenden Journalisten umschulen wolle?

Heute will die SWM-Tochter MVG ihre Verbrenner nach und nach durch E-Bussen ersetzen.
Heute will die SWM-Tochter MVG ihre Verbrenner nach und nach durch E-Bussen ersetzen. © Jan Schmiedel

40.000 Cyberangriffe am Tag: Womit die Stadtwerke zu kämpfen haben

Und auch die Weltpolitik macht nicht Halt vor den SWM. Besonders aufpassen müssen die SWM dabei mittlerweile auf ihre digitale Sicherheit. "Wir wehren circa 40.000 Cyber-Angriffe pro Tag – mit Erfolg – ab", sagt der Technische Geschäftsführer Helge-Uve Braun. Die Energieversorgung gehört zur kritischen Infrastruktur, die seit dem russischen Angriffskrieg besonders bedroht ist. Es kam zuletzt zudem wiederholt zu Brandanschlägen auf SWM-Infrastruktur. Unklar, wer dafür verantwortlich ist.

Tag der offenen Tür am Samstag, 29. Juni

Zur Feier ihres 125-jährigen Jubiläums öffnen die Stadtwerke (SWM) am Samstag, den 29. Juni, ihre Tore für Besuch. Von 9.30 bis 16.30 Uhr können sich Interessierte an zehn Standorten durch das Innenleben der Stadtwerke führen lassen, darunter Kraftwerke, ein Busbetriebshof, die technische Basis der U-Bahn oder ein Trinkwasser-Hochbehälter. "Wir sind das Unternehmen der Münchner Bürgerinnen und Bürger", sagt SWM-Geschäftsführer Florian Bieberbach. "Die sollen unsere Arbeit auch sehen dürfen." Das Programm ist online abrufbar unter www.swm.de. Nicht alle Anlagen sind barrierefrei zugänglich und für einige Führungen muss man sich anmelden.

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