Warum will hier keiner einsteigen? In München fährt ein Geisterbus

An der Poccistraße drehen monatelang in dichtem Takt leere Kleinbusse ihre Runden. Die AZ hat es sich angeschaut – und gefragt, was das eigentlich soll.
von  Max Wochinger
Stehen dem Autoverkehr an der Poccistraße im Weg - und warten, meist vergeblich, auf Fahrgäste: die Shuttlebusse der Deutschen Bahn.
Stehen dem Autoverkehr an der Poccistraße im Weg - und warten, meist vergeblich, auf Fahrgäste: die Shuttlebusse der Deutschen Bahn. © Max Wochinger

Sendling – Die Bauarbeiten an der Unterführung Lindwurmstraße in Sendling laufen auf Hochtouren. Seit einem Monat ist die Unterführung für Fußgänger und Radfahrer gesperrt. Ein kostenloser Shuttlebus bringt die Fußgänger deshalb auf die jeweils andere Seite der Brücke. Zumindest theoretisch. Denn um einen Bus zu finden, in dem auch nur ein Fahrgast an Bord ist, muss man schon sehr viel Glück haben, wie Anwohner bestätigen – und die AZ selbst vor Ort sieht.

Ein ganz normaler Werktag vor der Fach- und Berufsoberschule an der Lindwurmstraße. Ein junger Mann steht an der Ersatzhaltestelle und wartet auf den Shuttle-Bus. Er schaut auf den Fahrplan: Von 7 bis 18 Uhr fährt der Bus alle zehn Minuten, davor und danach alle 15 Minuten. Von 23.45 Uhr bis 6.05 Uhr fährt keiner. Schließlich biegt der Bus um die Ecke und öffnet die Tür. Niemand steigt aus – Leerfahrt also.

Bauarbeiten noch bis 2028

Manche Sendlinger fragen sich, wie es um die Auslastung des Shuttles bestellt ist. Seit Mitte März arbeiten die Deutsche Bahn und das Baureferat am Neubau der Bahnunterführung und der Tieferlegung der Lindwurmstraße. Die in die Jahre gekommene Eisenbahnbrücke muss bereits seit 2017 mit Trägern abgestützt werden. Die Bauarbeiten sollen bis August 2028 abgeschlossen sein; eine weitere Vollsperrung ist von Mitte Oktober 2025 bis Anfang Dezember 2025 geplant.

Zuletzt wurde der Autoverkehr zwischen Pocci- und Implerstraße auf einer Spur geführt, seit dem 3. Juni ist die Unterführung auch für Fußgänger und Radfahrer komplett gesperrt. Erst dieser Tage wurde bekannt, dass die Vollsperrung voraussichtlich bis Ende Juli dauern wird – und nicht wie geplant bis zum 8. Juli. Grund dafür sind laut Stadtverwaltung "nicht vorhersehbare Probleme mit dem Baugrund".

"Ein äußerst geringer Kreis an Interessenten"

Der Shuttle-Bus wird also noch länger seine Runden drehen. Wie der Service angenommen wird, weiß der Bezirksausschuss-Vorsitzende Markus Lutz (SPD) nicht. "Der Kreis der Angesprochenen für den Shuttle dürfte aber äußerst gering sein." Das Angebot der Bahn richte sich vor allem an mobilitätseingeschränkte Personen. "Es ist schon gut, dass es den Service für die wenigen gibt, die es betrifft", sagt Lutz. Alle anderen würden mit der U-Bahn fahren.

Nach Angaben der Deutschen Bahn wird der Shuttle-Service "gut angenommen". In den ersten sieben Tagen hätten täglich zwischen 110 und 280 Fahrgäste den Bus genutzt. Die Kosten für den Bus teilen sich Stadt und Bahn; wie viel der Betrieb des Shuttles kostet, konnte die Bahn auf Nachfrage nicht beantworten.

Zurück im Shuttle-Bus, der auf der Bavariastraße in Richtung Theresienwiese fährt. Der Fahrer sagt – im Gegensatz zu den Zahlen der Bahn – dass nicht viele Fahrgäste den Bus nutzen. Er erreicht jetzt die Haltestelle Poccistraße. Die AZ steigt aus, sonst keiner. Niemand steigt ein – wieder eine Leerfahrt.

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