Warum sind unsere Neubauten so langweilig?

Peter Ebner (45) war von 2003 bis 2009 Professor für Wohnungsbau und Wohnungswirtschaft an der TU München. Hier redet er Klartext über den Trend zur Schuhschachtel.
AZ: Herr Ebner, Sie sind Architekt: Haben Sie sich auch schon mit einer „Schuhschachtel“ in München verewigt?
PETER EBNER: Ich habe in München zuletzt einen Wohnungsbau in der Müllerstraße realisiert, direkt neben der Lokalbaukommission. Dort sind 22 Wohnungen mit ganz unterschiedlichen Raumhöhen entstanden. Am Ende ist natürlich auch dieses Haus eine Box. Aber eine, die die Gestaltung der Umgebung aufgreift. Unser Büro macht jedoch auch jenseits solcher Boxen sehr viel – vor allem international. Da ist die Offenheit für freie Formen viel größer.
Warum ist das so?
In München ist der Baukostendruck enorm, es wird extrem günstig gebaut. In Salzburg und Frankfurt wird um 50 Prozent teurer gebaut als hier.
Liegt das daran, dass die Grundstückskosten in München so hoch sind und daher versucht wird, wenigstens beim Bau selbst zu sparen?
Man muss sich schon fragen, warum immer nur die Grundstückkosten steigen und auf die Qualität immer weniger Wert gelegt wird. Dabei muss gute Architektur gar nicht teuer sein: Sie kostet vielleicht zehn Prozent mehr als das belanglose Einerlei. Mehr nicht. Wir reden da nicht über Unsummen. Es geht ja nicht darum, alles zu vergolden.
Wenn das so ist: Warum wird in München dann nicht interessanter gebaut?
Es gibt einfach keine Offenheit für andere Konzepte. Im Jahr 2008 war das zwischenzeitlich anders, als der Markt stagnierte. Da haben die Bauträger überlegt, ob man nicht mal was Neues ausprobieren könnte. Doch dann kam die Wirtschaftskrise und die Flucht ins Betongeld. Seither haben die Bauträger natürlich wieder gar keine Ambitionen, irgendetwas zu versuchen.
Es verkauft sich eh alles. Egal wie monoton es aussieht.
Exakt. Obwohl ein Forschungsprojekt, das ich in München durchgeführt habe, zeigte: Eigentlich würden sich die Kaufinteressenten für eine Eigentumswohnung viel individuellere Lösungen in Architektur und Grundriss wünschen. Nur finden sie kaum etwas.
Klingt ausweglos. Schließlich wird der Druck auf den Wohnungsmarkt noch zunehmen.
Die Chance wäre, dass die städtischen Wohnbaugesellschaften das Ganze als Vorreiter vorantreiben. Das machen die aber auch nicht.
Was also tun gegen die Verödung der Baulandschaft?
Die Stadt hätte theoretisch einen riesigen Einfluss – ohne sie keine Baugenehmigung. Sie nutzt ihn nur nicht richtig. Sie müsste bei städtebaulichen Wettbewerben zum Beispiel viel mehr auf die Jury-Besetzung achten. Wenn immer die Gleichen in der Jury sitzen, kommt auch immer das Gleiche raus. Ich finde außerdem nicht richtig, dass die Stadtgestaltungskommission in München nur Empfehlungen aussprechen kann. Das sollte verbindlich sein.
Was halten Sie von der Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk?
Ich finde sie fantastisch, weil sie selbst sehr aufgeschlossen ist, wenn ein Bauträger und ein Architekt mal etwas anderes in München machen wollen. Das ist eine gute Basis, damit was passieren kann.
Und trotzdem sind viel zu viele Neubauten vor allem eins: langweilig.
Frau Merk alleine kann eine neue Philosophie auch nicht durchsetzen. Deshalb muss mehr Druck auf die Bauträger und auch auf die Banken ausgeübt werden, die sich oft weigern, außergewöhnliche Projekte zu finanzieren. Oft heißt es, die Architekten würden das Stadtbild verschandeln. Nein, das stimmt nicht. Ein Architekt ist ein Dienstleister für den Bauträger. Und wenn der alles zusammenstreicht, hat der Architekt keine Chance. Es gibt leider nur sehr wenige Bauträger, die sich fürs Stadtbild interessieren.
Sondern für die Rendite?
Größtenteils stimmt das wohl. Man sieht es ja: Die Wohnbauten unterscheiden sich doch höchstens noch in der Höhe des Rasens. Man sieht kaum gelungene Bespiele. Übrigens kenne ich nur einen einzigen Münchner Architekten, der in einem der Neubaugebiete wohnt. Die anderen leben fast alle im Olympiadorf oder in Schwabing. Das ist schon auffällig.