Warum Münchens Immobilienpreise die Stadt immer mehr zur Pendler-Metropole machen

München - Irgendwann ist es auch Wahlmünchnern genug. Die Mietpreise übersteigen ihre innere rote Linie oder schlicht ihr mögliches monatliche Budget.
Und die Pandemie hat das Tor zur Arbeit im Home-Office weit aufgestoßen. Das kriegen Arbeitgeber schwer wieder geschlossen. Oder sie haben in Zeiten der Abstandsregelungen und Lockdowns tatsächlich gelernt, ihren Mitarbeitern mehr zu vertrauen.
Horrende Mietpreise: Immer mehr Münchner ziehen Ingolstadt, Augsburg oder Rosenheim
Jedenfalls sind die Gründe, als vierköpfige Familie 2.500 Euro Miete zu zahlen, oder 1.500 Euro für eine 50-Quadratmeter-Single-Wohnung weniger geworden.
Demzufolge wohnen immer mehr Menschen, die in der Landeshauptstadt arbeiten, nicht mehr hier – und auch nicht mehr im S-Bahn-Gebiet. Stattdessen haben sie eine Wohnung in Ingolstadt, Augsburg oder Rosenheim. Mit der schnellsten Zugverbindung ohne Verspätung kann man das in 26 bis 35 Minuten schaffen.
Zahl der Pendler zwischen Ingolstadt, Augsburg, Rosenheim und München nimmt stark zu
Die Zahl der Pendler aus diesen drei Städten, die in München arbeiten, habe sich laut Immobilienverband Süd (IVD) in den vergangenen zehn Jahren um über 5.000 erhöht. Gerade Augsburg sei mit einem deutlich günstigeren Mietpreisniveau besonders beliebt, sagt Stephan Kippes am Montagvormittag bei der Vorstellung des Immobilien-Reports zu den Städten München, Augsburg, Ingolstadt, Rosenheim, den Marktforscher des Immobilienverbandes aktuell veröffentlicht haben.
In Augsburg lag der durchschnittliche Quadratmeter-Miet-Preis im Frühjahr 2023 noch bei 11,75 Euro, während er in München bei fast 18,70 Euro lag. "Eine finanzielle Ersparnis ist durch das Pendeln also durchaus möglich", sagt Stephan Kippes.
Viele können sich die Münchner Mieten nicht mehr leisten
Damit vertreibt München diejenigen, die auf günstigere Mieten angewiesen sind: Erzieher, städtische Mitarbeiter, Friseure, Busfahrerinnen, Kassierer. Ihr Wohnort verlagert sich 80 Kilometer weiter weg.
Sicher versuchen es die meisten zuerst im S-Bahn-Gebiet um München, aber das bringt kaum Mietersparnis. Die zweite Gruppe, die München verlässt, sind jene mit Bürojobs und großzügiger Homeoffice-Regelung, deren Lebensglück nicht von der Nähe zur Isar oder Eisbach abhängt.
Auf Käuferseite ist der Andrang hingegen seit vergangenen Jahr verhalten. Der Immobilienverband IVD Süd meldet erstmals seit über 20 Jahren einen Rückgang der Nachfrage. Während die Kaufpreise für Wohneigentum in Augsburg, Ingolstadt und Rosenheim weitgehend stabil blieben, zeichnet sich der Rückgang in München inzwischen deutlich ab, sagt Stephan Kippes, vom Immobilienverband IVD.
"Begonnen hat es im Herbst 2022 mit leichten Preisnachlässen im Ein-Prozent-Bereich." Im Frühjahr 2023 waren die Immobilienpreise für Käufer dann im Schnitt um fünf bis zehn Prozent niedriger als im Vorjahr.
Wegen Apple und Microsoft: Gutverdiener drängen auf den Münchner Mietmarkt
Doch auf die Mieten und die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum hat das keinen entlastenden Effekt – im Gegenteil. Warum das so ist? Das hat vor allem mit der Nachfrage von Menschen zu tun, die weiter in München eine Wohnung zur Miete suchen. Die steigt trotz Abwanderung kontinuierlich an. Unter anderem weil jüngst die großen Tech-Konzerne Apple, Microsoft und Google ihre Standorte in der Stadt deutlich vergrößert haben.
Hinzu kommt, dass klassische Mieter jetzt auch mit Einkommensklassen konkurrieren, die früher eher eine eigene Wohnung oder ein Haus gekauft hätten, sagt Stephan Kippes. Seit die Europäische Zentralbank vor einem Jahr den Leitzins angehoben hat, müssen Käufer zudem mehr Kosten für anfallende Kreditzinsen einplanen. Das verringert auch die Zahl derer, die eine Eigentumswohnung kaufen und selbst dort leben. Aber wohnen müssen sie dennoch irgendwo und erhöhen die Nachfrage bei den Mietobjekten.
2040 wohl 1,8 Millionen Einwohner: München wächst weiter
Es werden immer mehr Münchner: In den vergangenen zehn Jahren ist die Stadtbevölkerung von 1,39 auf 1,51 Millionen angewachsen. Für 2040 gehen Prognosen gar von 1,8 Millionen Bewohnern aus. Zusätzlicher Wohnraum wird dringend gebraucht. Aber höheren Baukosten durch die Inflation, das Aus der niedrigen Zinsen bei der Finanzierung Eigentum und niedrigere Preisen beim Verkauf von Immobilien, haben den Wohnungsbau ausgebremst. Aus der Sicht von Dominik Lange, Immobilienmakler aus Augsburg, ist durch diese Faktoren gar "das toxische Dreieck des Immobilienmarkts" entstanden.
Bei den hohen Baukosten finden sich immer weniger Bauträger. Zwischen Januar und April 2023, so steht es im Report des Immobilienverbandes IVD, seien bayernweit fast ein Drittel weniger Wohnungen genehmigt worden, als im ersten Quartal 2022. Im Frühjahr 2023 sei bereits ein leichter Rückgang der fertiggestellten Wohnungen sichtbar geworden.
Was wurde aus dem "Doppelwumms" von Münchens OB Dieter Reiter?
Von den nackten Zahlen abgesehen, heißt das auch: Menschen, deren Berufe, in der Pandemie als unverzichtbar eingestuft wurden, werden aus der Stadt verdrängt, in der sie diesen Dienst leisten. Zwar hat die Stadtregierung 2022 eine Großoffensive, nach Dieter Reiter "einen Doppelwumms", für bezahlbaren Wohnraum ausgerufen.

Aber bis zur Umsetzung vergeht wertvolle Zeit und es ist zu befürchten, dass das Milliardenpaket dennoch nicht reicht. Es fehlt die Zahl privater Bauvorhaben, mit verpflichtendem Anteil bezahlbarer Wohnungen, die aufgrund der hohen Baukosten und Zinsen abwarten.
Stephan Kippes vom Immobilienverband Süd regt an, dass sich auch Firmen wieder beteiligen müssten. Sie sollten für ihre Angestellten, die sogenannten Werkswohnungen, wie sie es früher bei der Bahn, bei Siemens, oder Autokonzernen gab, wiedereinführen.