Warum dieser Sommer so seltsam ist

Die gute Nachricht: Wir haben eine stabile Wetterlage. Die schlechte: Leider sind die Hochs in Russland – und über München kreisen die Tiefs. Schon jetzt ist klar: Dieser Sommer geht daneben
MÜNCHEN Das jähe Ende des schönen Tages kommt von Süden: Pechschwarz schiebt sich die Wand am Dienstagabend über Starnberg, Laim und Westend in Richtung City. Das Gewitter treibt zwei pralle Wolkenwalzen vor sich her: dicke schwarze Schläuche voller Regen, prall wie Bodybuilder-Muskeln. Ein Sturm mit Sixpack.
Kurz vor 21 Uhr schlägt das aufgeblasene Gebilde mit voller Wucht zu: Bis 22 Uhr prasseln 21 Liter Regen pro Quadratmeter auf Pflaster und Dächer. Die Luft am Himmel kühlt sich schlagartig ab, wird schwerer und plumpst nach unten. Wie ein Wasserguss aus einem Eimer knallen die eisigen Sturmböen auf den Boden, fegen durch die Stadt, peitschen Regen durch die Straßen, schleudern Äste auf Autos. Wasser steht in den Straßen, verstopft Gullys und rinnt in zahlreiche Keller. Die Feuerwehr rückt 49 Mal zwischen Blitz und Donner aus – wie so oft in diesem Juli.
Im Augustiner in der Neuhauser Straße stecken viele Teilnehmer der AZ-Diskussion über den Viktualienmarkt fest: Kommunalreferentin Gabriele Friderich hat keinen Schirm – genau wie viele Marktfrauen.
Bilder vom Unwetter: Land unter in Bayern
Und das alles nur wegen „Otto”. Das 500 bis 1000 Kilometer breite Tief aus Italien wurde (und wird) vom noch riesigeren „Nemo” über Skandinavien angezogen. Vollgesogen mit feuchter Luft aus dem Mittelmeer kroch Otto über die Alpen nach Norden – und über München.
Otto regnet jetzt Tschechien und Polen nass, schön wird’s hier trotzdem nicht. Tief Peter bringt neuen Regen. „Über Mitteleuropa herrscht weiterhin Tiefdruckeinfluss, es bleibt bis übers Wochenende kühler und wechselhaft”, sagt Simon Hölzl vom Wetterdienst Meteomedia. Startete der Juli recht sommerlich, habe München jetzt eine stabile Wetterlage – „leider mit den Hochs an der falschen Stelle.”
Die rotieren derzeit über dem Atlantik und Russland. Das Tief aber ziehe immer wieder feuchte Mittelmeer-Luft nach Bayern. „Durch das Zusammenspiel feucht-warmer und kalter Luft in großer Höhe kommt es dann zu Gewittern”, erklärt Hölzl.
Schwüle, Sintflut und saukalte Böen. Insgesamt sei es „ein nasser Juli”, sagt Hölzl. „Die langjährigen Mittelwerte sind schon erreicht. Dieser Monat ist verregnet.”
Im Juli fallen im langjährigen Mittel in der Innenstadt 115 Liter pro Quadratmeter. Bis gestern waren es schon 136 Liter pro Quadratmeter. 60 fielen allein von Dienstag- bis Mittwochabend. Die Hälfte des gesamten Juli-Regens – an einem Tag. Und dazu mickrige 12 Grad am Mittwoch. Die Mitteltemperatur betrug bis jetzt 18,2 Grad, ein halbes Grad kälter als der langjährige Schnitt.
Die Folge von alldem? Eine Freizeitkatastrophe: Tollwood – von Schauern heimgesucht. Picknicks? Höchstens auf der nassen Wiese. Freibad? Nur für Harte. Auch Biergärten hat es voll erwischt: „Wir haben im Juni und im Juli ein Drittel weniger Umsatz gemacht als im letzten Jahr”, sagt Hofbräukeller-Wirt Günter Steinberg. Grund sind die ständigen Wetterumschwünge.
Auf lange Sicht wird es etwas besser: Karsten Brandt von „Donnerwetter.de”: „Es bleibt wechselhaft, aber Sonnen- und Regentage halten sich die Waage. So schlimm wie im Juli wird es nicht. Im August überwiegen sogar die Sonnentage leicht.” Der September wird „teilweise heiter mit Hochdrucklagen”, sagt Brandt, „aber nicht wirklich sehr warm.”