Warnstreik am Flughafen München: Das denken Reisende und Streikende

München - Von den langen Schlangen vor dem Sicherheitscheck, wie man sie womöglich aus dem eigenen Sommerurlaub kennt, ist am Donnerstagvormittag keine Spur.
Nur vereinzelt ist das Klackern von Rollkoffern zu hören, die von Menschen mit müden Gesichtern hinter sich hergezogen werden. Ein Paar, das nach Toronto möchte und dafür einen Umweg über Frankfurt nehmen muss, hat bei der Gepäckaufgabe freie Auswahl bei den Schaltern. Ein Lufthansa-Mitarbeiter bestätigt den Verdacht: Selbst für einen Wochentag im Februar ist kaum was los.

Verdis Warnstreik wirkt: 830 Flüge waren geplant, lediglich 100 sind laut Flughafen München gestartet oder gelandet – vor dem Ferienbeginn am Wochenende läuft der Flughafen auf Sparflamme. Den Zeitpunkt hat die Gewerkschaft nicht zufällig gewählt.
"Den Kolleginnen und Kollegen war klar, dass ein paar Stunden Streik keine Wirkung zeigen wird", sagt Yvonne Götz, eine auf Verkehr spezialisierte Gewerkschaftssekretärin bei Verdi Bayern, der AZ. Mit einem 48-stündigen Warnstreik am Donnerstag und Freitag, an dem sich laut Verdi über 500 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und der Bodenverkehrsdienste beteiligen, wollten sie den Druck erhöhen.
Passagier: "Die haben zu viele Leute in ihrer Freiheit eingeschränkt"
Eine Frau, die aus beruflichen Gründen in Marseille war, musste deshalb einen Tag früher nach München über Frankfurt reisen. "Das war schon ein bisschen anstrengend", gesteht sie, ihre Stimme klingt dabei kraftlos. Über den Ausstand der Beschäftigten ärgert sie sich aber nicht: "Streik ist wichtig."

So sehen das nicht alle Fluggäste. Ein Mann etwa, der eilig seine Koffer vor sich herschiebt, kann das "überhaupt nicht verstehen". Sein Flug sei zwar nicht gestrichen worden, aber: "Die haben viel zu viele Leute in ihrer Freiheit eingeschränkt. Und das bloß aus Faulheit. Im Moment sollte man sich eher mal zusammenreißen und arbeiten."
Eine Frau, deren Flug nach München leicht verspätet war und die diesen Freitag nach Frankfurt weiterreisen will, kann den Ausstand ebenfalls nicht verstehen: "Die streiken schon ein bisschen oft."
Streikender: "Vom Arbeitgeber kam noch kein einziges Angebot"
Sie könne zwar nachvollziehen, dass die Gewerkschaft Druck auf die Arbeitgeber ausüben wolle, sagt aber: "Wir Flugpassagiere können ja eigentlich nichts dafür."
Das räumt auch Götz von Verdi Bayern ein: "Das ist für die Passagiere nicht angenehm." Zugleich weist sie darauf hin, dass Verdi bewusst so früh den Warnstreik verkündet habe, um Reisenden die Möglichkeit zu geben, umzuplanen.

Alexander Strobl, der normalerweise am Flughafen als technische Leitwarte arbeitet, sagt zum Ärger der Passagiere: "Die müssen ihre Wut, die verständlich ist – ich wäre auch wütend –, richtig adressieren. Unsere Forderungen sind seit Monaten bekannt. Vom Arbeitgeber kam noch kein einziges Angebot."
Streikende: "Ich möchte auch mal selbst in den Urlaub fliegen"
Niklas Benrath, Geschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), sagt dazu der AZ: "Was wir definitiv nicht tun werden: Ein Angebot vorlegen, nur um ein Angebot gemacht zu haben." Zu unklar sei die Gewerkschaft in der "Priorisierung" ihrer Forderungen.
Im Gespräch mit den Streikenden wird hingegen klar, was ihnen am Herzen liegt: mehr Geld und mehr freie Tage. Verdi fordert daher eine Lohnerhöhung um acht Prozent, aber mindestens 350 Euro.

Um dafür zu kämpfen, stehen vor dem Airbräuhaus, über dessen Eingang ein Banner mit der Aufschrift "Zusammen geht mehr" hängt, um neun Uhr morgens die Streikenden Schlange, um sich in die Teilnehmerliste für das Streikgeld einzutragen. Viele der Versammelten haben sich gelbe Warnwesten mit dem Verdi-Logo übergeworfen.

Darunter auch Brigitte Liegl, die bei der Gepäckkontrolle arbeitet. Sie sagt: "Ich streike für mehr Schichtzulagen, die sind im öffentlichen Dienst leider sehr wenig." Beschäftigte, die ständig Schichtarbeit leisten, erhalten laut Tarifvertrag eine Schichtzulage von 40 Euro monatlich. Das Leben im Flughafenumfeld sei allerdings sehr teuer, gerade die Wohnungen. "Daher möchte man mehr verdienen, damit man sich ein normales Leben leisten und auch mal selbst in den Urlaub fliegen kann."

Ihr fehlt die Wertschätzung. So ergeht es auch Michael Schöpa-Waller, der in der Passagierkontrolle arbeitet und ein steigendes Arbeitspensum beobachtet. "Dann soll es sich zumindest auch lohnen."
Streikender: "Das haut dir das Sozialleben auseinander"
Neben mehr Geld kämpft Verdi auch für mehr freie Tage – es sollen drei obendrauf kommen, für Mitglieder sogar vier. Stefan Kretschmann, der als Busfahrer am Flughafen arbeitet, sagt der AZ: "Es fehlt an Freizeit, gerade im Schichtsystem." Die meisten Flughafen-Mitarbeiter arbeiten im Schichtdienst – drei Tage früh, drei Tage spät, drei Tage frei.

Leitwarte Strobl sagt dazu: "Das haut dir das komplette Sozialleben durcheinander." Das ist ihm zufolge auch ein Grund, warum die Branche sich schwertut, neues Personal zu finden. "Sobald die Leute hören, hier wird in Schicht gearbeitet, ist es vorbei." Eine bessere Zulage würde dagegen helfen.
Gewerkschaftssekretärin Götz fordert: "Da muss ein Umdenken stattfinden und mehr Geld in die Personalkosten umverlagert werden." Und schließlich auch mehr Personal mit Deutschkenntnissen eingestellt werden. Nur so könnten die Beschäftigten bei ihrer körperlich fordernden Arbeit entlastet und die Flugsicherheit reibungslos gewährleistet werden.
"Ich glaube nicht, dass wir es schaffen, zum dritten Verhandlungstermin abzuschließen", befürchtet Götz. Wie aus den Gesprächen klar wird, sind die Streikenden bereit, weiterzukämpfen. "Dafür sind wir hier", sagt etwa Kretschmann. Für Passagiere heißt das: Weitere Streiks können ab Mitte März folgen.
