Walter Spaeth: "Zu viele Hausärzte haben gleichzeitig Urlaub"
München - Wer kennt das nicht zur staden Zeit? Die Zahnbrücke wird locker, das Knie streikt, eine Wunde hat sich entzündet oder der Magen spielt verrückt. Der Hausarzt? Nicht erreichbar, gönnt sich ein paar freie Tage. Also wartet man mit dem Arztbesuch bis nach dem Dreikönigstag. Heuer tut's noch länger weh, weil der 6. Januar ein Donnerstag ist und viele Ärzte aus dem 7. Januar einen Brückentag machen.
Damals war alles anders
Der ehemalige Chef des Obersten Bayerischen Rechnungshofes Walter Spaeth (92) hat Erfahrung mit Behörden. Bis Mitte der 90er Jahre ist der Jurist beruflich aktiv gewesen. Lange Jahre war er auch Ministerialrat, damals im Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung. Den Gesundheitssektor von damals kennt er gut. "Zu der Zeit gab es noch keine eigene Gesundheitsbehörde. Gesundheit war in unserem Staatsministerium eingegliedert", sagt Spaeth.
Spaeth sieht die Grundversorgung in Gefahr
Seit der Pandemie sieht er in München eine ungesunde Entwicklung. Er selbst erfreue sich zwar trotz seines hohen Alters einer guten Gesundheit und brauche selten einen Arzt. Doch: "Ich habe das Gefühl, wenn ich mich unter Bekannten umhöre, dass zu viele Hausärzte gleichzeitig Urlaub nehmen", sagt Spaeth. Und das gefährde die Grundversorgung - gerade für Senioren.
Als er sich bei einem Rundgang durch sein Stadtviertel Neuhausen ein eigenes Bild machen wollte, stellte er fest, dass sich eine neue Unart breitmache. "Früher haben sich Ärzte zu Urlaubszeiten besser abgesprochen. Sie gaben sich gegenseitig immer als Vertretung an, wenn sie eine Pause brauchten", sagt Spaeth.
Wo sind die Absprachen?
Doch heute stehe da häufig nur der Kontakt zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst, die Telefonnummer 116 117. "Ich finde, gerade in einer Stadt wie München, gerade während einer Pandemie, sollte es doch möglich sein, dass sich Kassenärzte besser absprechen", fordert Walter Spaeth. Obwohl er nachvollziehen könne, dass die Pandemie für Hausärzte sehr herausfordernd und ermüdend sei.
Aber läuft es wirklich schlechter als früher? Interessehalber hat Spaeth ein paar Telefonate geführt und Kontakte von früher aktiviert. Sein Eindruck verfestigte sich. Auch mit einem zuständigen Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) konnte Spaeth sprechen. "Das Telefonat mit der KVB ergab, dass ihnen das Problem in der Form bekannt sei", sagt Spaeth.
Der Mitarbeiter habe erwähnt, dass der "KVB-Vorstand kürzlich eine Mail an alle Kassenärzte geschrieben habe, mit der Bitte, sich deutlich besser in Urlaubszeiten abzusprechen" sowie Fachkollegen für Notfälle aufzuführen.
Der KVB-Vorstand wäre in der Pflicht
"Aber das Problem ist meiner Meinung nach, dass der Vorstand nicht so richtig auf den Tisch hauen kann", sagt Spaeth, "schließlich werden die Führungskräfte meines Wissens von den Ärzten gewählt."
Die AZ hat bei der KVB nachgefragt. Ein Pressesprecher bestätigt, dass die Ärzte-Rundmail am 10. Dezember geschrieben wurde. Darin habe man sich für die tolle Arbeit während der Pandemie bedankt. Zudem habe der Vorstand darauf hingewiesen, dass sich derzeit besonders viele Patienten impfen sowie boostern lassen wollen. Daher habe der Vorstand darum gebeten, das "bei Ihrem mehr als verdienten Urlaub zu berücksichtigen".
Beschwerden gibt es bisher keine
Ob heuer mehr Praxen gleichzeitig Urlaub genommen haben? Das könne man laut KVB nicht genau sagen. Erst ab dem achten Urlaubstag seien Ärzte verpflichtet, ihre Auszeit der KVB zu kommunizieren. Aber man gehe davon aus, dass sich das anteilig im Vergleich zu den vergangenen Jahren nicht verändert habe. Beschwerden von Patienten seien bei der KVB nicht bekannt, dass die vertrauten Hausärzte zu lange abwesend seien.
Über Weihnachten hat die KVB aber die Kapazitäten in den zehn Münchner Bereitschaftspraxen ausgebaut, eben wegen des erhöhten Andrangs durch die Pandemie und dem gleichzeitigen Urlaub vieler Ärzte. So könne man auch die medizinisch notwendigen Hausbesuche herausfiltern.
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