Walkability-Index: So fußgängerfreundlich ist München

München - Während der Pandemie haben es viele wiederentdeckt oder neu schätzen gelernt: das Spazierengehen. Doch wie fußgängerfreundlich sind eigentlich die deutschen Städte? In einem sogenannten Walkability-Ranking wurden die 16 bevölkerungsreichsten Städte untersucht.
Die wissenschaftliche Studie wurde kürzlich in der im Münchner Oekom Verlag erscheinenden Zeitschrift "Raumordnung und Raumforschung" veröffentlicht.
So fußgängerfreundlich sind deutsche Städte: Wie schneidet München ab?
Zum Sieger kürte die Studie Frankfurt am Main. Die Stadt habe eine mittlere Bevölkerungsdichte, eine gute Ausstattung mit Restaurants und Supermärkten und eine überdurchschnittliche "Durchgrünung der Wohnquartiere". Auf Platz zwei landete Stuttgart – und dahinter auf dem Treppchen München.
Bei der Ausstattung mit Einrichtungen, zu denen auch noch Kultur, Bildung, Gesundheitswesen, der weitere Einzelhandel und Serviceeinrichtungen gehören, landete München mit 8,4 von zehn Punkten sogar noch vor Spitzenreiter Frankfurt mit 8,2 Punkten. Sieger in dieser Kategorie ist Berlin (8,5).
Beim Grünflächenanteil hat München Nachholbedarf
Beim Grünflächenanteil dagegen liegt München (4,4 Punkte) sowohl hinter Frankfurt (5,3) als auch dem Zweitplatzierten Stuttgart (5,5). Am grünsten unter den untersuchten Städten ist Leipzig (5,8). Besonders wenig Grün findet sich in Mannheim (3,5). Ebenfalls gut dabei ist München beim Bewegungsradius, auch als Durchlässigkeit des Wegenetzes bezeichnet. Dabei wird betrachtet, wie weit es Fußgänger in der Stadt innerhalb von fünf Minuten schaffen. Erschwerend werden dabei etwa zu bewältigende Höhenmeter berücksichtigt.
Münchens Mobilitätsreferent Georg Dunkel (parteilos) freut sich über das gute Abschneiden der Landeshauptstadt, das wohl nicht ganz selbstverständlich ist: "München steht – wie viele Großstädte – vor der Herausforderung, dass eine hohe Flächenkonkurrenz durch verschiedene Nutzungen der öffentlichen Straßen-/Verkehrsfläche besteht", sagt er der AZ. "So bleiben bisweilen nicht genügend Verkehrs- und Sicherheitsräume für die zu Fuß Gehenden."

In München gibt es eine "hohe Sensibilisierung" für den Fußverkehr
Für die Stadt sprechen ihm zufolge aber der "kompakte Stadtkörper", eine hohe Einwohnerdichte und eine hohe Vielfalt an Nutzungsarten – alles Faktoren, die den Leitsatz der Stadt der kurzen Wege stützten. "Und das vorhandene, gute öffentliche Verkehrssystem sorgt in Kombination mit dem Fußverkehr dafür, dass auch längere Strecken zumindest teilweise zu Fuß zurückgelegt werden können."
Ebenfalls in Dunkels Augen eine Stärke Münchens: "die hohe Sensibilisierung in Verwaltung, Politik und Gesellschaft für diese Verkehrsart und die Schaffung eines Sachgebietes Fußverkehr im Mobilitätsreferat".
Je weiter weg vom Stadtzentrum, desto weniger fußgängerfreundlich ist München
Schon im vergangenen Jahr hat die Stadt für sich einen Walkability-Index erstellt, der die Fußgängerfreundlichkeit in den verschiedenen Bezirken unter die Lupe nimmt. Elemente sind hier die Einwohnerdichte, die Konnektivität – gemeint ist die Anzahl von Kreuzungen pro Quadratkilometer – und die sogenannte Entropie, die das " Maß der Ausgewogenheit der Verteilung von Wohnraum, Gewerbe, Kultur und Verwaltung" abbildet. Bei der Konnektivität auffällig: niedrige Werte "in den westlichen und nördlichen Stadtgebieten geringerer Bevölkerungsdichte".
Die Stadt resümiert: "Die Walkability nimmt erwartungsgemäß vom Stadtzentrum zu den Randgebieten hin ab, dennoch sind beispielsweise mit Ramersdorf-Perlach oder Thalkirchen-Obersendling -Forstenried-Fürstenried-Solln sowie die Bahnlinien flankierend auch strukturell nicht mehr dem Stadtzentrum zuzuordnende Bereiche als Gebiete gut ausgeprägter Walkability zu erkennen."
Westlich des Stadtzentrums gebe es dagegen eine weniger stark ausgeprägte Walkability oder auch einen harten Übergang von guter hin zu unterdurchschnittlicher Walkability wie etwa westlich der Theresienwiese.
Die Stadt will "die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum für alle steigern"
Als Aufgaben für die Zukunft sieht Dunkel diese Punkte: "Errichtung von mehr Querungsstellen für Fußgänger*innen, Schaffung von ausreichend breiten, sicheren Verkehrsräumen für den Fußverkehr und die Ausweitung der Bereiche, die dem Fußverkehr vorbehalten sind."
Die Stadt arbeite zudem daran, "die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum für alle zu steigern und eine Quartiersplanung mit dem Fokus auf die zu Fuß Gehenden umzusetzen". Zudem werde in der Mobilitätsstrategie 2035 dem Fußverkehr eine eigene Teilstrategie gewidmet. "Im Rahmen der Umsetzung dieser Teilstrategie Fußverkehr soll auch geprüft werden, inwieweit Walkability-Indizes geeignet sind, als Instrument in der Fußverkehrsförderung Anwendung zu finden."
Nach Jahren der autogerechten Planung: Umdenken in München?
Der Münchner Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher, Mitglied des fünfköpfigen Bundesvorstands von Fuss e.V., dem Fachverband Fußverkehr Deutschland, sieht München zu Recht auf dem Treppchen im Ranking, auch wenn die ursprünglich aus den USA stammenden Walkability-Indizes nicht immer auf deutsche Verhältnisse übertragbar seien.

Positiv sei aber: "Man bringt das Zu-Fuß-Gehen mal nach vorne." Über Jahre habe es eine autogerechte Planung gegeben, "jetzt hat sich das Rad nach vorne gekämpft", dabei dürfe man jedoch die Fußgänger nicht vergessen.
Das Thema sei in München aber erkannt, so gebe es etwa einen Fußverkehrsbeauftragten. Die Stadt profitiere zudem von ihrer hohen Dichte und kurzen Wegen. Verbesserungswürdiges sieht Bickelbacher eher in den Randgebieten Münchens, etwa beim Gehsteigparken. "Das ist ein Problem, dass wir angehen müssen."