Wahlkampf am Tabellenende: Florian von Brunn und Martin Hagen in der BR-Wahlarena

München - SPD und FDP standen schon mal besser da. Trotz der Flaute in den Umfragen kämpften Florian von Brunn (SPD) und Martin Hagen (FDP) in der dritten und letzten BR24 Wahlarena im schwäbischen Hawangen bis zur letzten Minute um die Gunst der bayerischen Wähler.
Durch den Abend führte wieder das bewährte Moderatoren-Team aus Christian Nitsche (BR-Chefredakteur), Franziska Eder ("Jetzt red i") und Helene Reiner (Online-Zuschauerfragen).
"Ein bisschen fördern und fordern ist okay", findet Florian von Brunn
Den Anfang macht der Bayern SPD-Chef Florian von Brunn. Die erste Frage darf eine Kleinbäuerin aus dem Oberallgäu stellen: Was will die SPD für kleine bäuerliche Betriebe tun. Der Sendlinger überlegt kurz, erwähnt, dass er gerne im Oberallgäu Urlaub macht. Er würde auf jeden Fall Bürokratie abbauen.
Eine Lehrerin fragt, warum Leistungsanforderungen an Kinder (Schulnoten, Urkunden für Bundesjugendspiele) immer weiter reduziert werden.
Von Brunn stutzt: "Da bin ich anderer Meinung als Sie", sagt er. Man müsse alle Kinder gleich fördern. Er selbst habe früher gerne an den Bundesjungendspielen teilgenommen: "Und ich war immer ein bisschen enttäuscht, wenn es nur ne Siegerurkunde gab. Ein bisschen fördern und fordern ist, glaube ich, okay."
Bei besseren Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte ist Florian von Brunn in seinem Element
Ein Selbstständiger reagiert verärgert auf den SPD-Chef: "Warum behandelt die SPD alle Selbstständigen wie Verbrecher", poltert er und erzählt, dass er sich von den ständig neuen Vorschriften gegängelt fühlt. Von Brunn wird kleinlaut: "Ich sehe das genauso wie sie", antwortet er. Fügt hinzu, dass er lange selbst selbstständig in der IT gearbeitet habe. Man müsste dringend Bürokratie abbauen.
Eine Krankenpflegerin fragt nach besseren Arbeitsbedingungen. Hier ist von Brunn in seinem Element: "Wer sich nachts ans Bett stellt, muss auch was davon haben." Entweder mehr Geld oder mehr Freizeit, sagt er entschlossen.
Beim Thema Wohnen kritisiert Florian von Brunn Ministerpräsident Söder
Es folgen die Fragen junger Wähler aus dem Netz: "Warum gibt es in Bayern so wenig Rente?" Hier fordert von Brunn, dass alle in die Rentenkasse einzahlen. Renten seien in Deutschland grundsätzlich zu niedrig, weil es zu wenige junge Leute gäbe, die einzahlten." Finden Sie es fair, dass die Renten weniger steigen als das Bürgergeld?" Von Brunn druckst kurz: "Das Bürgergeld ist an die Inflation gekoppelt. Die Rentenerhöhung richtet sich an den Reallöhnen aus. So sehr ich mir wünschen würde, dass sie auch steigen."
Bürgergeld hieße Grundversorgung. "Aber man kann das nicht direkt trennen, viele Rentner beziehen ja auch Grundsicherung," beendet er seine Ausführungen. Die dritte Frage handelt von billigem Wohnen in München. Hier kritisiert von Brunn Markus Söder: "Dank Söder fehlen in München über 200.000 Wohnungen." Man müsste den sozialen Wohnungsbau entsprechend fördern mit einer Milliarde im Jahr.
Florian von Brunn mahnt, am 8. Oktober keine anti-europäische Partei zu wählen
Ein älterer Mann regt sich über die hohen Freibeträge für Kinder bei der Pflege auf. Hier möchte von Brunn eine Vollkaskoversicherung in die alle einzahlen.
Eine ehemalige Goethe-Institut-Mitarbeiterin fragt nach der Europawahl. Sie habe in Brüssel gelebt und sei Europäerin im Herzen. Was ist ihr Beitrag an einem nachhaltigeren, besseren Europa: "Wir müssen mehr über Europa reden", beginnt er: "Und am 8. Oktober auf gar keinen Fall eine anti-europäische Partei wählen." Er lächelt die Dame an: "Sie wissen, wen ich meine." Er meint, natürlich, die AfD. Dann erzählt er, wie schlecht der Brexit für Großbritannien war.
Als es um die Steuern ging, ist die Sendezeit vorbei
Ein Herr in Tracht fragt nach dem Waffengesetz, das nur Sportschützen tangiere, aber keine illegalen Waffenbesitzer. Der Schwarzmarkt für Waffen würde dank der Flüchtlinge boomen, fügt der Mann schimpfend hinzu. Letzteres ist neu für von Brunn: "Ich will keine Kultur wie in den USA. Eher das Gegenteil", erklärt er. Eingewanderte, die sich schlecht verhalten, hätten das Land zu verlassen, beantwortet er die zweite Frage.
Ein Biobauer und Philosoph fragt: "Was machen Sie, dass das Allgäu grün bleibt?" Und fügt hinzu, dass er ihm Heu schenken möchte. Von Brunn nickt: "Das Allgäu muss grün bleiben." Er käme gerne zur Heumahd. Ein Mann in Lederjacke fragt nach der Mineralölsteuer: "Warum erheben Sie Steuern auf Steuern? Das ist doch illegal." "Nein, ist es nicht", antwortet von Brunn. Doch da ist die Sendezeit schon um.
Martin Hagen erklärt, warum die FDP gegen das Tempolimit ist
Nach der Pause nimmt FDP-Chef Martin Hagen den Platz am Rednerpult ein. Eine Frau fragt nach der Förderung praktischer Berufe. Sie arbeitet in einer Molkerei. "Wir sollten unbedingt mehr Praxisanteile in den Schulen vermitteln", antwortet Hagen. Besonders im Gymnasium und an Realschulen würde nur Theorie unterrichtet.
Ein Mann fragt, warum die FDP nicht für ein Tempolimit ist. Er sei dafür, möchte CO2 sparen. "Das Tempolimit spart viel zu wenig CO2 ein. Wenn die Grünen nicht alle Atomkraftwerke abgeschaltet hätten, hätten wir viel mehr gespart," erklärt Hagen. Ein Teil des Publikums klatscht. Ein anderer Tempolimit-Befürworter meldet sich. Es gäbe so weniger Unfälle und weniger Stau. Die Mehrheit sei dafür.
Für Martin Hagen ist das "Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper wichtig"
"Auf anderen europäischen Autobahnen gibt es mehr Tote als bei uns", antwortet Hagen unbeeindruckt. Die Deutschen Autobahnen seien die sichersten der Welt. Er vergleicht sie mit seinem Geburtsland Italien. Hier würde er sich viel sicherer fühlen.
Ein weiterer Zuschauer fragt nach der Organspende. Er habe eine Spenderniere. Die FDP habe die Widerspruchsregelung gekippt. Er möchte wissen, ob Hagen selbst einen Organspendeausweis hat: "Ich hatte einen, aber nach der Chemotherapie wurde er mir abgenommen", erzählt Hagen. Ihm wurde 2020 ein bösartiger Tumor entfernt. "Ich finde das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper wichtig", fügt er hinzu. Man könnte aber Fragen, zum Beispiel wenn jemand einen Personalausweis beantragt.
Bei der Sozialpolitik knöpft Martin Hagen sich Hubert Aiwanger vor

Ein Mann in Tracht, der ehrenamtlich viel mit Mittellosen arbeitet, fragt nach Aufstockern. Er sei aus der FDP wegen schlechter Sozialpolitik ausgetreten. Er kenne viele, die mit Arbeit knapp über Hartz Vier-Niveau seien. Hier kritisiert Hagen Hubert Aiwanger. Diese Idee, dass Arbeit sich nicht lohnt, komme von Leuten wie ihm. Die FDP habe durchgesetzt, dass benachteiligte Jugendliche, die in den Ferien arbeiten, ihr Geld behalten dürfen "damit sie sehen, man kann sich rausarbeiten".
Dann kommen die Fragen aus dem Netz: "Sollen gute Lehrer mehr bezahlt bekommen als schlechte?" Das findet Hagen gut. Man brauche standardisierte Tests, um die Leistung von Schülern zu prüfen, damit man herausfindet, welche Lehrer sich besonders bemühen. "Finden Sie es fair, dass Landtagsabgeordnete einen Inflationsausgleich erhalten und Rentner leer ausgehen?" "Das stimmt nicht," antwortet Hagen: "Und das fände ich auch falsch." Christian Nitsche verlangt einen Faktencheck.
Mehr bauen geht nicht, wenn die Mieten gedeckelt werden, findet Martin Hagen
"Warum werden in Bayern Geschäfte immer noch um 20 Uhr geschlossen?" – "Weil die FDP nicht an der Regierung ist", antwortet Hagen. Er findet, das sollen Ladenbesitzer selbst entscheiden. Ein älterer Herr fragt: "Warum zahlen nicht alle in die Rente ein? Warum gibt es keine Grundrente, die höher ist als das Bürgergeld?" Er findet, jeder sollte einzahlen. Auch Beamte. Hier gerät Hagen etwas ins Schwimmen. An den Pensionen für Beamte möchte er nicht rütteln. Wegen des Fachkräftemangels.
Außerdem würden Beamte weniger verdienen als in der Freien Wirtschaft. Zudem würde jeder Einzahler das, was er eingezahlt hat, erhalten. Eine Frau mit blonden Locken fragt nach Wohngeld. Ihre Tochter ist alleinerziehend, hat vier Kinder und sucht eine bezahlbare Wohnung. "Wir müssen mehr bauen", erklärt Hagen: "Das geht nicht, wenn wir die Mieten deckeln." Er möchte die Grunderwerbsteuer für die erste selbst genutzte Immobilien abschaffen.
Beim Thema Ukraine-Krieg wird Martin Hagen deutlich: "Dann stünden die Russen heute in Kiew"
Ein Mann fragt nach dem Atomausstieg und zitiert Söders Satz vom "energiepolitischen Geisterfahrer". Hier findet Hagen den Ausstieg richtig, aber den Zeitpunkt falsch. Auch ein Endlager lehnt er ab: "Es gibt inzwischen Technologien, die Atommüll verwerten." Ihn nicht rückholbar zu lagern, sei deshalb falsch.
Zum Schluss kritisiert ein Mann die Waffenlieferungen in die Ukraine. Er fühle sich an Verdun erinnert. Hagen antwortet souverän: "Wenn wir keine Waffen geliefert hätten, stünden die Russen heute in Kiew." Dann wäre wahrscheinlich als Nächstes der Bündnisfall eingetreten, wenn Putin das Baltikum angegriffen hätte. "Das kann niemand wollen", antwortet Hagen. Das Publikum klatscht laut. Damit endet die letzte Wahlarena.