Update

Während IAA auf Autobahnbrücke geklettert: Klimaaktivisten zu geringer Geldstrafe verurteilt

Eine Anti-IAA-Aktion führt zu einem Stau. Für die Staatsanwaltschaft ist das Nötigung in 1296 Fällen. Der Amtsrichter verhängt eine Geldstrafe für alle drei Angeklagten.
von  Jakob Mainz, John Schneider
Die drei Angeklagten: Mirjam Herrmann, Kim Schulz und Susanne Egli (v.l.n.r.).
Die drei Angeklagten: Mirjam Herrmann, Kim Schulz und Susanne Egli (v.l.n.r.). © Jakob Mainz

Fürstenfeldbruck - Nötigung wirft die Staatsanwaltschaft München II drei Aktivisten vor, die mit einer spektakulären Protestaktion Aufsehen erregt hatten: Zwei von ihnen hatten sich am 7. September 2021 an einer Brücke über der A96 abgeseilt und ein Anti-IAA-Banner am Geländer angebracht. Die Polizei sperrte daraufhin die Autobahn. Viele Autofahrer standen daraufhin im Stau. Gestern kam es am Amtsgericht zum Prozess.

Die Autobahn war damals fast zwei Stunden von der Polizei komplett gesperrt worden. Auf einer Länge von 5,4 Kilometer wurden durch die Sperrung – laut Gutachten – 1296 Autofahrer daran gehindert weiterzufahren. Die drei Aktivisten auf der Anklagebank halten dagegen: "Wir rasen auf eine Klimakatastrophe zu, die unsere Zivilisation zerstören wird. Das rechtfertigt auch ungewöhnliche Protestformen."

Autobahnkletterer: Angeklagt wegen Nötigung

Im Prozess geht es zum Teil sehr emotional zu. Immer wieder pochen die Angeklagten darauf, dass ihr Protest gegen die IAA und die mangelnde Bereitschaft der Politik, die Klimaziele umzusetzen, auch diesen ungewöhnlichen Protest rechtfertige. Mutige und waghalsige Aktionen dienten dem Zweck, für Aufmerksamkeit zu sorgen – Ziel erreicht.

Aktivistin Mirjam Herrmann (25), die sich gemeinsam mit Kim Schulz (25) abgeseilt hatte, berichtet, dass sie im Gefängnis – sie war wie Schulz tagelang in polizeiliches Gewahrsam genommen worden, um weitere Aktionen zu verhindern – viel Zuspruch von außen bekommen habe. Sie liest Postkarten vor, die sie in der Haft erhalten habe. Tenor: "Danke für dein Engagement. Halte durch." Als die 25-Jährige das liest, kommen ihr die Tränen.

Kim Schulz hat es nach vier Tagen Haft getröstet, dass die Aktion und ihre Folgen für Aufsehen gesorgt haben. Schulz: "Ich sehe, dass andere Formen des Protests keinen Fortschritt bringen."

Richter findet die Abseil-Aktion "verwerflich"

Allerdings bleibt die Aktion nicht ohne Konsequenzen für die drei: Amtsrichter Martin Ramsauer verhängt jeweils eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen für alle Angeklagten – wegen Nötigung. Je nach Einkommen bedeutet das 600 bis 900 Euro für das Trio auf der Anklagebank.
Der Richter findet die Abseil-Aktion "verwerflich", denn die Aktivisten hätten ihre Mitbürger für den Protest instrumentalisiert. Zwar sei der Klimaschutz ein hehres Ziel, aber in einer funktionierenden Demokratie gäbe es andere Mittel, diesen zu erreichen, begründet er sein Urteil.

Die Polizei sei gezwungen gewesen, die Autobahn zu sperren. So dass eine Gewaltanwendung und damit Nötigung in einem Fall seitens der Aktivisten vorliege. Ramsauer fürchtet, dass genervte Autofahrer bei solchen Aktionen mal zur Selbstjustiz greifen könnten. Der soziale Frieden sei gefährdet, wenn man solche Protestformen erlaube.

Die Strafe fiel zwar milde aus, zufrieden waren die drei Aktivisten dennoch nicht. Susanne Egli (39) – sie hatte die Aktion dokumentiert – findet, dass "ein Freispruch mal ein Zeichen gewesen wäre". Egli: "Es gibt ein ganz klares Ungleichgewicht zwischen der Autolobby und Umweltlobbys. Deswegen leben wir nicht in einer funktionierenden Demokratie."
Mirjam Herrmann ist "ganz schön enttäuscht". "Der Richter ist ein bisschen auf Kuschelkurs gegangen", sagt sie im Anschluss an den Prozess. Was die Studentin damit meint? "Unsere Geldstrafe ist nicht hoch, aber wir wurden auch nicht freigesprochen. Er hatte Angst, sich klar zu positionieren."

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.