Während der Urlaubszeit: Tiersitter-Notstand in München
München - Hat Sie Ihr Nachbar auch schon gefragt, ob Sie im Sommer bitte zwei Wochen auf seine Katze aufpassen, wenn er nach Italien fährt? Den neuen Hund zu sich nehmen können, der natürlich schon total stubenrein ist und überhaupt nicht bellt? Oder bitte, bitte den Hasen füttern, das Meerschweinchen und den Papagei?
3.000 neue Hunde in München
Es ist ein Betreuungsnotstand ausgebrochen, bei den Münchner Neu-Zamperln, Loras, Miezen und Co. Denn im Corona-Lockdown haben sich so viele Münchner wie nie neue Haustiere angeschafft – allein rund 3.000 Hunde zusätzlich zu den über 37.000, die vor dem Lockdown-Jahr schon in der Stadt wohnten.
Man war ja entweder einsam daheim oder sowieso permanent samt Familie im Homeoffice. Der Zeitpunkt für ein Haustier war quasi perfekt.
Profi-Tiersitter sind ausgebucht
Bloß, nun ist Urlaubszeit, reisen kann man endlich wieder – nur in der Regel eben nicht mit Tier. Also was jetzt?
Bei den Profi-Tiersittern klingelt in diesen Tagen nonstop das Telefon – und es geht so gut wie nichts mehr. "Seit Pfingsten sind die Anfragen immens, die haben sich locker verdoppelt", sagt beispielsweise Tierpfleger Alexander Felbermeir (34), der 2013 in Untermenzing seine "Mobile Tierbetreuung München" gegründet hat.

Für den Sommer sei er samt seinen Mitarbeitern, die von früh bis spät von Wohnung zu Wohnung fahren, um Haustiere zu versorgen, so gut wie ausgebucht. Katzen, Hamster, Kanarienvögel, Papageien, Schildkröten, ja auch Streifenhörnchen, Bartagamen und eine Königspython müssen versorgt werden, während die Tierbesitzer verreist sind.

Die meisten Kunden kommen aus Trudering und Bogenhausen
"Wir füttern, machen Katzenklos und Käfige sauber, stellen frisches Wasser bereit", sagt er, "und wir streicheln und reden auch mit den Tieren, damit sie sich nicht so alleine fühlen."
Gebucht werde im Schnitt für eine bis zwei Wochen Urlaub. Die meisten Kunden kommen aus Trudering und Bogenhausen, neuerdings auch viele aus Neuhausen, Nymphenburg, Ramersdorf und dem Hasenbergl. Felbermeir sagt: "Ich brauche dringend mehr Personal, wer Tierpfleger, Tiermediziner oder Quereinsteiger ist, bitte melden!"

Auch die Katzenpension ist voll
Auch in Fritzis Katzenpension in Berg am Laim geht nichts mehr. "Ich bin bis Ende September für Urlaubskatzen ausgebucht, bis ins letzte Loch", sagt Friederike Rajmann auf AZ-Nachfrage, "es steht auf meiner Webseite, die Leute rufen trotzdem an, da sind die Nöte wirklich groß."

Zum einen seien seit dem Lockdown viel mehr Hauskatzen in der Stadt angeschafft worden, zum anderen brauchen die Halter gerade jetzt dringend einen Tapetenwechsel. "Ich höre das ständig am Telefon, dass die Leute ausgehungert sind nach Verreisen."

Großer Andrang bei den Hundetagesstätten
Übrigens sind nicht nur die Pensionsplätze mit Tierübernachtung für den Sommer weitgehend voll, auch in den Münchner Hundetagesstätten ("Huta") ist es wohl so eng wie nie.
"Das Problem ist, dass viele Neu-Hundehalter, die sich in der Homeoffice-Zeit ein Tier angeschafft haben, jetzt wieder ins Büro müssen", sagt die Tierpflegerin und Tierverhaltenstherapeutin Daniela Keil, die die Huta Hundsviecherlgaudi in Johanneskirchen führt. "Die suchen jetzt alle Tagesbetreuungsplätze für den Hund – und finden nichts." Um die 20 Vierbeiner, vom Chihuahua bis zum Labrador, betreut ihre Huta in diesen Tagen, während die Halter im Job sind.
Die Anfragen für August und September reißen nicht ab, aber sie kann maximal 30 Hunde pro Tag aufnehmen, "wenn sie kompatibel sind".
Das Riemer Tierheim kann nicht helfen
Das Tierheim in Riem kann freilich auch nicht helfen. "Urlaubsbetreuung gibt es bei uns nicht", sagt Sprecherin Kristina Berchtold, das Personal muss gerade viele Anrufer enttäuschen.
Ohnehin ist das Tierheim mit 1.155 Tieren (davon 101 Hunde und 144 Katzen) aktuell voll (nur noch Notfälle werden angenommen). Ein Drittel, schätzt sie, sind im Lockdown angeschaffte Tiere, mit denen die Halter überfordert sind. "Die wenigsten Halter geben das zu, aber wir merken es am jungen Alter der abgegebenen Tiere."
Wohin also mit dem Haustier? Viele Lösungen gibt es nicht. "Wir verweisen auf Hausgemeinschaften, Bekannte oder Facebook-Gruppen, die manchmal helfen können", sagt Kristina Berchtold. Und auf die "Urlaubstipps" auf der Tierheim-Webseite. Wenn sich die Nachbarin, Schwester oder der Schwiegerpapa nicht erbarmt, hilft nur: das Viecherl mitnehmen – oder eben daheimbleiben.