Wählt mich - nicht die anderen!

München - Im Wahlkampf ist es die vordringlichste Aufgabe eines Politikers, die Menschen von sich selbst und seinen Ideen zu überzeugen. Und ihnen klar zu machen, dass der politische Gegner die eindeutig schlechtere Wahl wäre. Umso kniffliger war die Frage an die drei OB-Kandidaten gleich zu Beginn des Giesinger Gipfeltreffens, was sie denn – ausgerechnet – an ihren Mitbewerbern schätzen.
Die Grünen-Politikerin Sabine Nallinger (grüner Blazer, schwarze Bluse) machte auf dem Podium im Kaffee Giesing den Anfang und lobte CSU-Mann Josef Schmid dafür, dass er seinen Wahlkampf-Bulli auf Gas-Antrieb umgestellt hat. „Ich glaube ihm, dass er für CSU-Verhältnisse ein nachdenklicher und fortschrittlicher Mensch ist.“
Dieter Reiter attestierte Sabine Nallinger, dass manche ihrer Ideen „nachahmenswert“ und „charmant“ seien, wenngleich die eine oder andere davon seiner Meinung nach noch eine „Realitätsschärfung“ vertragen könne.
Und Josef Schmid betonte, dass er mit beiden Mitbewerbern bei Sachfragen gut reden könne. Damit war der Schmuse-Teil der Veranstaltung, die von den AZ-Redakteuren Willi Bock und Michael Schilling moderiert wurde, allerdings auch abgeschlossen.
Die Stichelei mit der „Realitätsschärfung“ wollte Nallinger freilich nicht auf sich sitzen lassen. Ihre Idee, 30 Prozent der Wohnungen in städtische oder genossenschaftliche Hand zu bringen, sei „sicherlich nicht zu ambitioniert“.
Überhaupt das Thema Wohnen. Alle drei OB-Bewerber wissen, dass es in der Wohnwahnsinns-Stadt München wahlentscheidend sein kann, wer diesbezüglich die besten Konzepte hat. Josef Schmid plädierte für eine Nachverdichtung, „wo es verträglich ist“. Was seiner Meinung nach zum Beispiel dort ist, wo es ohnehin schon eine Blockrandbebauung gibt, auf die man noch ein, zwei Stockwerke draufsatteln könnte.
„Sie kaprizieren sich ausschließlich auf den Bau neuer Wohnungen“, warf ihm Dieter Reiter daraufhin vor. Genau so wichtig sei aber, dass den Münchnern bezahlbare Wohnungen erhalten blieben. Prompt war ein Übergang zum großen GBW-Streit geschaffen – und im voll besetzten Kaffee Giesing flogen die Fetzen.
Den Verkauf der Landesbank-Tochter mit ihren 32 000 Wohnungen nannte Reiter „eine absolute Sauerei, die die CSU zu verantworten hat“. Schmid warf ein, es sei im Rathaus immerhin seine Partei gewesen, die per Antrag gefordert habe, dass das mitbietende – letztlich dann aber unterlegene – kommunale Konsortium sein Kaufangebot nochmal erhöhe.
Woraufhin Sabine Nallinger erklärte, warum es sich dabei ihrer Meinung nach um einen reinen „Scheinantrag“ handelte. Einen „unlauteren“ noch dazu.
Auch beim Thema Straßenverkehr zeigten sich trotz der Harmonie, die am Anfang des Treffens geherrscht hatte, ganz klar die Unterschiede zwischen den Kandidaten. „Meine Erfahrung zeigt, dass Rot-Grün mit seiner Politik, das Auto zurückzudrängen, gescheitert ist“, sagt Josef Schmid. „Weil die Menschen es nicht akzeptieren.“ Die Stadt der Zukunft müsse deshalb auch für den Autoverkehr noch Raum haben.
Sabine Nallinger geißelte seinen Wunsch, die Autos noch häufiger unter die Erde zu schicken, allerdings als zu teuer. „Wir haben schlicht und ergreifend nicht das Geld dafür.“ Deshalb müsse die Stadt andere Wege gehen, um trotz des starken Zuzugs nicht im Verkehr zu ersticken. Nallinger selbst träumt übrigens schon von einem überdachten Liegerad, mit dem sie von OB-Termin zu OB-Termin radeln kann.
Auch Reiter hält es nicht für ein Zukunftskonzept, den Autoverkehr zu forcieren. „Perspektivisch werden wir die Innenstadt nicht mehr mit Benzinautos befahren können.“
Gerade erst hatte eine von der SPD in Auftrag gegebene Umfrage gezeigt, dass keiner der drei Kandidaten eine ausreichende Mehrheit bekäme, wenn am nächsten Sonntag der neue OB gewählt würde (AZ berichtete). Dieter Reiter und Josef Schmid müssten in die Stichwahl. Die AZ wollte von den drei Kandidaten wissen: Wer soll ihnen im kommenden März zum Wahlsieg verhelfen? Welche Wählergruppe ist für sie entscheidend?
„Alle, die Dieter Reiter wählen - das ist einfach“, kalauerte der SPD-Mann in seiner Antwort. Sabine Nallinger erzählte, sie treffe oft auf frühere CSU-Wähler, die ihr sagen würden: „Sie sind eine vernünftige Frau, ich kann mir vorstellen, Sie zu wählen.“
Josef „Seppi“ Schmid verzichtete darauf, im Gegenzug von ehemaligen Grünen-Wählern zu berichten, die jetzt ihm zugeneigt seien. „Das Rennen ist völlig offen“, sagt er.
Zumindest die drei wissen natürlich genau, warum die Wähler ihr Kreuzerl bei ihnen machen sollten – und nicht bei der Konkurrenz. Wirtschaftsreferent Reiter verwies unter anderem auf seine langjährige Verwaltungserfahrung. Nallinger nimmt für sich in Anspruch „mutiger und experimentierfreudiger“ als ihre Mitbewerber zu sein.
Schmid, der aus einer Metzgerfamilie stammt und Jura und BWL studiert hat, betonte, wie wichtig ihm die einzelnen Münchner Bezirke sind. „Stadtpolitik ist auch das, was in den Stadtvierteln stattfindet.“