Vorländer vs. Köning: Zwei Männer kämpfen um den SPD-Chefsessel in München

München - Mit 48 Jahren bezeichnet sich Christian Vorländer zwar als alten weißen Mann - wenn auch ohne graues Haar (er hat nämlich eine Glatze). Trotzdem fallen ihm an diesem Vormittag im Café Glockenspiel viele Gründe ein, warum aus ihm trotzdem ein Chef der Münchner SPD werden kann, der Aufbruch versprüht.
Neben Christian Vorländer: Auch Christian Köning will SPD-Chef werden
Seit die bisherige Vorsitzende, die Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend ihren Rückzug angekündigt hat, zeichnet sich ein Duell ab: Nicht nur der Stadtrat Christian Vorländer bewirbt sich, sondern auch sein Fraktionskollege Christian Köning, 33 Jahre alt, Hausmann und bis diesen Sommer Juso-Vorsitzender (AZ berichtete).

Der Vorteil, wenn man kein ganz junger Mann mehr ist: Man hat einiges erlebt und vieles zu erzählen. So ist das Eis in Vorländers Glas geschmolzen, bevor er nach fast zwei Stunden Gespräch dazu kommt, seine Cola light einzuschenken.
Im Libanon: Christian Vorländer musste als Kind in Schutzräumen übernachten
Vorländer ist in Beirut, der Hauptstadt des Libanon geboren. Seine Eltern, zwei Theologen, arbeiteten an der Uni dort. Von zwei Geräuschen kann Vorländer berichten: dem Raketenbeschuss - im Libanon herrschte Bürgerkrieg, seine Familie musste in Schutzräumen übernachten. Schließlich schaffte das britische Militär die Familie aus dem Land.
Das zweite Geräusch: Das sanfte Tackern der Schreibmaschine, an der seine Mutter bis in die Nacht religionswissenschaftliche Bücher verfasste. Viele hätten sie lieber in einer klassischen Mutterrolle gesehen, sagt Vorländer. Er sei jedoch stolz auf sie gewesen.
SPD-Stadträtin Micky Wenngatz unterstützt Vorländer
Zu Vorländers Unterstützern gehört wohl auch wegen dieser Einstellung die SPD-Stadträtin Micky Wenngatz, die Vorsitzende der Gleichstellungskommission im Stadtrat. Sie kennt Vorländer gut, weil sich beide im Vorstand des Vereins "München ist bunt" gegen rechts engagieren. Außerdem treten beide für die Rechte von Schwulen und Lesben ein. Vorländer outete sich in den 90er Jahren. Er sei von Passanten bespuckt und beleidigt worden, sagt Vorländer. Bis heute spüre er schiefe Blicke, wenn er einen Mann in der Öffentlichkeit küsse.
Micky Wenngatz plante vor mehr als zehn Jahren Vorländers Wahlkämpfe, als er zweimal als Direktkandidat im Münchner Süden für den Bundestag kandidierte. Damals unterlag er Peter Gauweiler von der CSU. Vorländer errang aber mit 28 Prozent trotzdem fast zehn Prozentpunkte mehr als Sebastian Roloff für die SPD diesen Herbst bei der Bundestagswahl im Süden erzielen konnte.
Wenngatz erhofft sich von Vorländer vor allem mehr öffentliche Präsenz für die SPD. Tatsächlich ist Vorländer niemand, der die Öffentlichkeit scheut. Er arbeitet als Strafverteidiger und wurde durch die Gerichtsshow "Alexander Hold" bekannt. Händeschütteln, der freundliche Small Talk, liegen ihm.
Morgens ratscht er in einem Stehcafé schon mal mit den Mülladern, erzählt er und zeigt ein Foto. Im Café winken ihm vom Nachbartisch zwei Rathaus-Mitarbeiterinnen zu. Er wolle ein Ohr für alle haben, sagt Vorländer.
Vorländer will Kontakt zu Wirtschaft und den Gewerkschaften pflegen
Das schätzt auch Isabell Zacharias, sie saß für die SPD zehn Jahre lang im Landtag. Seit sie 2018 ausschied, arbeitet sie für einen Hospizdienst. In der Münchner SPD, sagt sie, gebe es viel Expertise: "Viele Dornröschens, die nur darauf warten, endlich wachgeküsst zu werden." Zacharias erhofft sich, dass es Vorländer schafft der SPD Kampfgeist zurückzugeben.
Auch den Kontakt zu Wirtschaft und zu den Gewerkschaften will Vorländer besser pflegen. Erol Akbulut, ein Betriebsrat bei BMW, und der Unternehmensberater Christoph Moosbauer, gehören zu Vorländers Unterstützerkreis. Moosbauer wurde 1998 direkt für den Münchner Süden in den Bundestag gewählt.
19 Sozialdemokraten stehen insgesamt auf dieser Liste. Inoffiziell ist diese jedoch noch um mindestens zwei bekannte Namen länger: Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter und der SPD-Bayern-Chef Florian von Brunn sollen Vorländer unterstützen, wenn die SPD am 22. Januar ihren neuen Vorsitzenden wählt.