Vorglüher:Vom Saufen und Raufen

Der Suff am Morgen ist unter Jugendlichen Kult: Heuer erlebt die erste Bierleiche nicht einmal den Anstich – ein trauriger Rekord
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Die Volltrunkenheit ihrer Opfer nutzen Sex-Täter besonders auf der Wiesn aus
AP Die Volltrunkenheit ihrer Opfer nutzen Sex-Täter besonders auf der Wiesn aus

MÜNCHEN - Der Suff am Morgen ist unter Jugendlichen Kult: Heuer erlebt die erste Bierleiche nicht einmal den Anstich – ein trauriger Rekord

Der junge Mann blickt aus trüben Augen. An seiner rechten Hand klebt dunkles getrocknetes Blut. „Und dann hab I eahm oane mitgebn“, erzählt er von der Prügelei, die nur wenige Stunden zurückliegt. Drüben war’s, auf der Hackerbrücke. Da habe so ein Typ Stress gesucht. Nur zwei Schläge hätte es gebraucht. Schon sei er dagelegen – und neben seinem Gesicht ein paar ausgeschlagene Zähne.

Günter ist trotz schmerzender Faust bester Stimmung. Es ist acht Uhr am Morgen am Sonntag, der zweite Wiesntag. Der 21-jährige Verkäufer hat durchgemacht. Als er um elf in der Nacht aus dem Bierzelt flog, ist er weitergezogen zur After-Wiesn im Club Neuraum. Hat dort ein bisserl mit Kanadierinnen gebusselt. Dann auf der Hackerbrücke geschlägert. Und jetzt ist er halt wieder auf der Wiesn.

„I war seit zwoa Tag nimmer dahom“, sagt er. Vielleicht habe seine Freundin ihn nun als vermisst gemeldet: „Hoffentlich findet die mi ned“, grinst er.

Typen wie Günter, die saufen und raufen und ihre Grenzen ausloten, gibt es auf der Wiesn viele. Ein Problem sind die Vorglüher, die im Morgengrauen die Bierburgen belagern – um gleich nach Öffnung der Zelte um neun Uhr einen Platz zu ergattern. Sofern sie dann noch laufen können – denn die Wartezeit wird gerne mit kleinen Feiglingen überbrückt. Ramona ist so eine Vorglüherin. Die hübsche 20-jährige Schülerin aus Freising hat um acht Uhr am Sonntag zwei Bier intus. „Ich schieß’ mich nicht ab“, verspricht sie dennoch. Dann hakt sie sich bei den Freundinnen unter, um fröhliche Liedchen zu trällern. Vorglühen ist Kult.

Nicht alle Eltern sehen es zur Wiesnzeit so eng mit dem Alk. Am Samstagmittag griff die Polizei zwei 14-Jährige auf, die zusammen mit 15-Jährigen an der Bavaria einen Kasten Bier leeren wollten. Die Polizei rief die Eltern an. Die Buben mussten im Beisein der Beamten ihre Flaschen ausleeren. Dann bekamen sie das von den Eltern das Okay zum Weiterfeiern.

Am Eröffnungstag mussten 340 Wiesn-Besucher (2008 waren es 363) ärztlich versorgt werden. Davon 55 wegen Alkoholvergiftung. Zwei waren Jugendliche unter 16 Jahren. Im vergangenen Jahr waren es noch fünf. Einen traurigen Rekord hat die Jubiläumswiesen dennoch aufgestellt. Ein 19-jähriger hatte die Nacht auf Samstag im Kunstpark Ost durchgezecht und wollte anschließend auf dem Festgelände den Anstich abwarten. Um 10.15 Uhr kollabierte er. So früh wurde in den vergangenen Jahren noch keine Bierleiche gemeldet.

Juniorwirt Michael Schottenhamel will Vorglüher jetzt gar nicht mehr bewirten. Tausend hätten Samstagfrüh vor seinem Zelt gewartet, viele habe man gleich weitergeschickt. „Dadurch“, sagt der Wirt, „war es angenehmer im Zelt." rke, akk

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