Vorduschen für eine andere Pflegestufe
Leonore Kasberger (83) kommt ohne Hilfe nicht aus der Wohnung – um Pflegestufe 1 zu erhalten, wird sie jetzt unter Aufsicht duschen
München – Ihre Geschichte hat viele AZ-Leser bewegt: Seit November ist die Schwabingerin Leonore Kasberger in ihrer Wohnung gefangen. Die gehbehinderte Rentnerin kann die Treppe ins Erdgeschoss nicht mehr allein bewältigen. Die 83-Jährige würde deshalb gerne in ein barrierefreies Pflegeheim in Herrsching umziehen. Dafür müsste sie als Pflegefall der Stufe<TH>1 eingestuft werden (AZ berichtete). Aber dafür ist sie nicht hilflos genug. Das hat das Schiedsgericht ihrer Krankenkasse jetzt bestätigt.
Zwei Mal hat der Medizinische Dienst der Barmer die pensionierte Kinderkrankenschwester bereits überprüft. Stets mit demselben Ergebnis: Die Münchnerin ist bei der Körperpflege 19 Minuten zu schnell. Sie braucht 27 Minuten, um sich zu waschen. Voraussetzung für die Einstufung zum Pflegefall wäre aber, dass sie länger als eine Dreiviertelstunde mit Seife und Waschlappen beschäftigt ist.
Tatsache ist: Allein kann sich die Münchnerin nicht duschen. Deshalb bezahlt sie einen Pflegedienst, der ein Mal pro Woche vorbei kommt, ihr hilft und ihr die Haare wäscht. Auch ihr Essen lässt sich Leonore Kasberger von einem sozialen Dienst liefern, weil sie selbst nicht mehr kochen kann. All das hat sie beim Schiedsgericht angegeben – und gehofft, dass sie endlich als Pflegefall eingestuft wird. Vergeblich.
Zum neuen Bescheid sagt die alte Dame: „Das ist alles sehr undurchsichtig für mich. „Da wurden zwei Minuten Hilfezeit zum Duschen angesetzt. Aber allein kann ich doch nicht duschen. Und zwei Minuten mit Hilfe – wie soll denn das gehen?“
Ursprünglich wollte Leonore Kasberger weiterkämpfen und vors Sozialgericht ziehen. „Aber ich bin Mitglied im VDK und dort haben sie mir gesagt, dass es bis zu zweieinhalb Jahre dauern kann, bis es zur Verhandlung kommt.“ Das Problem: „Eine so lange Wartezeit kann ich mir mit meinen 83 Jahren nicht erlauben.
Jetzt will Leonore Kasberger vier weitere Monate in ihrer Wohnung ausharren – und sich dann erneut vom Medizinischen Dienst ihrer Kasse überprüfen lassen. Und diesmal, sagt sie, werde sie alles anders machen. „Beim letzten Mal bin ich in meinem Sessel gesessen und habe Fragen beantwortet.“ Aus ihren Angaben wurden dann die Bedarfszeiten errechnet.
„Diesmal werde ich denen alles zeigen: Wie schwer es ist, mit dem Rollator in die enge Toilette zu kommen. Wie lange ich brauche, um mir Hände und Gesicht zu waschen und dass ich wirklich nicht alleine duschen kann.“
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