Vorbildfunktion? Offener Brief an Uli Hoeneß
Lesen Sie hier den offenen Brief an Uli Hoeneß:
Sehr geehrter Herr Hoeneß,
wir beglückwünschen Sie zum furiosen 4:0 Erfolg des FC Bayern gegen „die beste Mannschaft der Welt“. Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass es in den letzten Tagen zumindest diese 90 Minuten gab, die für Sie persönlich nicht belastend waren.
Die seit einigen Tagen laufende Diskussion über Ihre Person hat uns alle sehr verärgert. Wir empfinden die momentane Berichterstattung geradezu als Hetzjagd, die Ihrer Person nicht würdig ist. So wie wir Sie kennengelernt haben, sind wir überzeugt, dass Sie für Ihr Handeln persönlich geradestehen und dem öffentlichen Sturm tatkräftig begegnen werden.
Aber warum sollen Sie nun kein Vorbild mehr sein? Der Bezeichnung „Vorbild a.D.“ in der Süddeutschen Zeitung möchten wir ganz entschieden widersprechen. Wir haben Sie während unserer Zusammenarbeit in der Dominik-Brunner-Stiftung immer als vorbildlichen Menschen erlebt. Sie haben sich entschlossen, an der Arbeit der Stiftung mitzuwirken und haben sich seither sehr aktiv eingebracht. Bei Ihnen ist das Engagement nie ein reines Lippenbekenntnis gewesen, sondern eine Herzensangelegenheit. Wenn Sie zugesagt haben, ein Projekt persönlich nach vorne zu bringen, sind Sie sich nie zu schade gewesen, Ihre knappe Zeit dafür zu opfern und Sie haben Ihre Versprechen immer eingelöst. Diese Zuverlässigkeit, dieses Engagement und Ihre Zivilcourage, auch einmal unangenehme Dinge zu sagen, schätzen wir sehr. Das sind für uns Tugenden, die gerade in der heutigen Zeit uneingeschränkt vorbildlich sind.
Auch Dominik Brunner war ein Vorbild. Er hat nicht weggesehen, als andere in Not waren. Vielleicht hat er nicht alles richtig gemacht, damals am 12. September in Solln. Auch bei ihm hat deshalb so mancher Medienvertreter versucht, ihm die Vorbildrolle im Nachhinein abzusprechen. Doch er hat nicht weggesehen, sondern geholfen. Sein Verhalten war deshalb vorbildlich und wird es immer bleiben.
Wie kann unsere Gesellschaft noch Vorbilder haben, wenn wir von ihnen übermenschliche Perfektion in allen Lebensbereichen erwarten? Ein Mensch kann in manchen Bereichen falsch handeln – und jeder von uns macht Fehler – und dennoch in anderen Bereichen weiterhin als Vorbild dienen. Wenn stattdessen Menschen des öffentlichen Lebens in ihrer ganzen Persönlichkeit an den Pranger gestellt werden, wenn sie Fehler begehen, darf sich unsere Gesellschaft nicht darüber beklagen, dass sie keine Vorbilder mehr hat.
Wir wünschen Ihnen für die kommenden Wochen und Monate viel Kraft und hoffen, dass sich Medien und Gesellschaft besinnen und Ihre jahrelangen Verdienste für das Allgemeinwohl nicht ausblenden. Für uns waren und sind Sie in vielen Bereichen ein Vorbild und werden es auch bleiben. Unserer Solidarität können Sie sich sicher sein.
Mit herzlichen Grüßen