Vor welche Probleme die Pandemie eine Gärtnerei stellt

Gärtnereien dürfen derzeit nicht öffnen. Doch wenn die Blumen verblüht sind, bis der Shutdown vorbei ist, muss alles weggeworfen werden.
Laura Meschede |
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Patrick Maibücher steht bei den einzigen Dingen, die die Gärtnerei noch stationär verkaufen darf: Obst und Gemüse.
Daniel von Loeper 2 Patrick Maibücher steht bei den einzigen Dingen, die die Gärtnerei noch stationär verkaufen darf: Obst und Gemüse.
Ein einsames Blumenmeer: Eigentlich wäre jetzt die starke Verkaufszeit. Doch Blumen dürfen in der Gärtnerei nicht verkauft werden.
Daniel von Loeper 2 Ein einsames Blumenmeer: Eigentlich wäre jetzt die starke Verkaufszeit. Doch Blumen dürfen in der Gärtnerei nicht verkauft werden.

München - Eine ältere Dame blickt interessiert über den Zaun der Gärtnerei Bisle und begutachtet die ausgestellten Blumen.

"Verkaufen Sie?" "Nur Gemüse", antwortet Barbara Bisle. "Keine Tulpen?" "Nein, keine Tulpen. Die müssen Sie online bestellen." Die Frau blickt etwas unzufrieden drein und schlendert weiter. Das Telefon in Barbara Bisles Hand klingelt. "So geht das im Sekundentakt", seufzt sie. "Dabei haben wir doch gerade Mittagspause."

Es herrscht reger Betrieb in der Gärtnerei Bisle und für die Bisles ist das erstmal eine erfreuliche Nachricht. Schließlich sind es gerade keine guten Zeiten für Gärtnereien. Weil Blumen nicht als lebensnotwendige Güter gelten, sind die Blumenläden in Bayern seit März geschlossen. Die Gärtnerei Bisle hat noch offen. Aber sie darf nur Gemüse verkaufen. Obwohl – beziehungsweise weil – Blumen den größten Teil ihres Sortiments ausmachen.

"Tulpen müssen Sie jetzt online bestellen"

Das hat für die Gärtnerei einiges verändert. "Wenn eine Sache mehr als 50 Prozent des eigenen Verkaufs ausmacht, dann gilt sie als Hauptprodukt", erklärt Barbara Bisle. "Unser Hauptprodukt sind Blumen, und weil Blumenläden während Corona geschlossen sein müssen, dürfen wir jetzt im Laden nur noch Gemüse verkaufen."

Patrick Maibücher steht bei den einzigen Dingen, die die Gärtnerei noch stationär verkaufen darf: Obst und Gemüse.
Patrick Maibücher steht bei den einzigen Dingen, die die Gärtnerei noch stationär verkaufen darf: Obst und Gemüse. © Daniel von Loeper

Anders als beispielsweise der Supermarkt ein paar Straßen weiter. "Die verkaufen ja in erster Linie andere Sachen – und weil Blumen nicht ihr Hauptprodukt sind, dürfen sie diese auch weiter anbieten." Bisle seufzt. Kürzlich hat sich ein Supermarkt aus der Umgebung bei ihr gemeldet und wollte der Gärtnerei einige Pflanzen abkaufen.

"Solche Angebote sehe ich mit einem weinenden und mit einem lachenden Auge", sagt Barbara Bisle. "Einerseits ist es natürlich gut, wenn wir so etwas verkaufen können – aber andererseits schlagen damit die großen Ketten Gewinne aus den Problemen der Gärtnereien." Aber die Bisles müssen verkaufen. Denn anders als Autos oder Halsketten haben Blumen ein Ablaufdatum.

"Wir müssen Blumen wegwerfen"

Die Topfdahlien, Geranien und Schneeflocken, die ab Januar gepflanzt wurden, können nicht warten, bis die Corona-Krise vorbei ist. Bis zum Ende des Shutdowns werden sie längst zu groß für ihren Topf geworden sein – oder aufgehört haben, zu blühen.

"Wenn es uns nicht gelingt, die Blumen zu verkaufen, dann müssen wir sie wegwerfen", sagt Rainer Bisle. "Und dann haben wir den ganzen Januar für die Tonne gearbeitet."

Die Monate von März bis Mai gehören eigentlich zur umsatzstärksten Zeit für den Blumenhandel in Deutschland.

Ein einsames Blumenmeer: Eigentlich wäre jetzt die starke Verkaufszeit. Doch Blumen dürfen in der Gärtnerei nicht verkauft werden.
Ein einsames Blumenmeer: Eigentlich wäre jetzt die starke Verkaufszeit. Doch Blumen dürfen in der Gärtnerei nicht verkauft werden. © Daniel von Loeper

Nach Angaben des Verbandes des deutschen Blumen Groß- und Importhandels e. V. werden in jenen Monaten für gewöhnlich etwa 47 Prozent aller Blumen und Pflanzen, die über das Jahr verkauft werden, abgesetzt.

"Ein paar Primeln mussten wir schon wegwerfen, weil wir sie nicht verkaufen konnten", sagt Rainer Bisle. "Aber bislang sind wir mit einem blauen Auge davongekommen. Wir wissen nur nicht, ob das so bleibt. Alles, was wir jetzt eintopfen, kultivieren wir auf das Risiko hin, dass wir es am Ende wegwerfen müssen."

Blumen-Lieferungen bis spät in die Nacht

Rainer Bisle steht im Gewächshaus seiner Gärtnerei und blickt mit Bedauern auf Tausende Blumentöpfe. Vor einigen Tagen haben seine Frau und er ihren Betrieb auf online umgestellt. Kunden können jetzt per Mail oder telefonisch Blumenbestellungen aufgeben.

Am Freitag war er bis halb 12 Uhr nachts mit dem Ausliefern beschäftigt. Aber trotzdem kommt die Gärtnerei den Bestellungen nicht hinterher. Etwa 40 Lieferungen am Tag schaffen sie aktuell – als der Laden noch geöffnet war, hatten sie täglich weit über hundert Kunden.

"Ich fühle mich jetzt als Logistiker"

"Ich fühle mich fast, als sei ich Logistiker", sagt Rainer Bisle. "Früher habe ich in erster Linie gegärtnert, jetzt fahre ich vor allem durch die Gegend."

Nicht zuletzt, weil die Krise auch die Lieferungen erschwert hat. "Wir haben mehrere Lieferanten aus unterschiedlichen Ländern", erklärt Bisle. "Und für gewöhnlich kamen die einfach mit einem Lkw und ich hab mir die Lieferung angesehen und geschaut, was ich davon haben will." Seit Corona gibt es das nicht mehr. "Kein Großhändler kauft mehr etwas, von dem er nicht sicher weiß, dass er es auch loswird." Deshalb muss Bisle jetzt auch für den Einkauf durch die Gegend fahren.

"Das ist schon alles sehr umständlich jetzt", sagt Rainer Bisle. "Aber sehen wir es so: Amazon ist auch nicht an einem Tag entstanden."

Lesen Sie hier: Weinverkostung daheim - Von Heftpflastern und Tanninen

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