Vor Gericht: Banküberfall wegen Geldstrafe

Alexander W. (44) erbeutet 52 000 Euro – 8400 Euro trägt er sofort zur Polizei, um seine Geldstrafe wegen Tank-Betrugs zu begleichen. Dann gehen die Banküberfälle weiter.
Eva von Steinburg |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Angeklagt wegen räuberischer Erpressung und Banküberfällen: Alexander W. (44).
Daniel von Loeper Angeklagt wegen räuberischer Erpressung und Banküberfällen: Alexander W. (44).

Alexander W. (44) erbeutet 52 000 Euro – 8400 Euro trägt er sofort zur Polizei, um seine Geldstrafe wegen Tank-Betrugs zu begleichen.

München - Alexander W. ist ein musikbegeisterter Tüftler, Schreiner und Gitarrist – bereits mit 16 Jahren baute er seine erste Gitarre. Seine späteren Jobs als Einbauküchen-Monteur und Gepäckfahrer am Münchner Flughafen befriedigen ihn nicht. Nach aufreibenden Jahren, in eher unerquicklichen Jobs, wagt er einen mutigen Neuanfang: Alexander W. nimmt einen Kredit auf, kauft ein Häuschen und macht sich mit einer Gitarrenbau-Werkstatt selbstständig. Doch das geht leider gründlich schief.

Als „Serien-Bankräuber“ geisterte der große und massige Mann aus Hebertsfelden (Kreis Rottal-Inn) bereits durch die Presse. Seit gestern steht der gelernte Schreiner wegen vier Überfällen auf zwei Raiffeisenbank-Filialen (Kreis Ebersberg und Kreis Passau) vor dem Münchner Landgericht. Die Beute ist beträchtlich: insgesamt über 130 000 Euro.

„Unten bleiben, euch passiert nichts“ – maskiert mit Sturmhaube und Wollmütze, die Gaspistole im Anschlag (nicht geladen) nötigt Alexander W. beim ersten Überfall drei Raiffeisen-Angestellte in Rotthalmünster in den Tresorraum. Als der Safe piept, flieht der Bankräuber. Mit 52 000 Euro Beute.

Das Tragische in dem Fall: Die erste Bank plündert Alexander W. eigentlich nur, um nicht ins Gefängnis zu müssen. Er braucht dringend eine große Summe, um eine (über)hohe Geldstrafe der Justiz zu begleichen. Er fährt in seinen Geburtsort Eggenfelden nach Niederbayern – und zahlt exakt 8400 Euro aus dem geraubten Geld bei der dortigen Polizeidienststelle ein. „Ich stand unter unendlichem Druck. Ich wusste, wenn ich das Geld bis 12 Uhr nicht zahle, gehe ich noch am selben Tag ins Gefängnis“, so der 44-Jährige.

„Haben Sie nie daran gedacht, ihre Geldstrafe wegen Betrugs in gemeinnützige Arbeit umzumünzen?“, möchte der Richter von ihm wissen. Schließlich ist er zum damaligen Zeitpunkt bereits hoch verschuldet. Alexander W.: „Diese Möglichkeit ist mir nicht angeboten worden. Aber ich habe mich auch nicht erkundigt.“ Sein Anwalt Michael Adams meint dazu: „Es ist ungünstig, dass Rechtspfleger auf diese Möglichkeit nicht immer hinweisen. Bei Schulden macht eine Geldstrafe alles nur noch schlimmer.“

So auch hier: Das Gitarrenbaugeschäft bringt einfach zu wenig ein. Bei der AOK, beim Finanzamt, bei seiner Bank, bei seinen Eltern und bei guten Freunden haben sich Schulden angehäuft. An jenem Frühlingstag wurde der Druck für den frustrierten Mann zu groß: Alexander W. braucht 8400 Euro, um bei der Polizei in seinem Geburstort Eggenfelden (Kreis Rottal-Inn) die hohe Vorstrafe wegen Betrugs endlich zu begleichen: Ein Gericht hatte ihn 2011 zu 140 Tagessätzen à 60 Euro verurteilt. Eine sehr deftige Summe.

Und die Quittung dafür, dass er ein Autokennzeichen geklaut (Diebstahl), es an seinen Wagen geschraubt (Urkundenfälschung) und getankt hatte, ohne zu bezahlen (Tank-Betrug).

Es sei die pure Verzweiflung gewesen, weshalb Alexander W. am Münchner Flughafen Autokennzeichen gestohlen und sie an seinem nicht versicherten, graublauen Skoda angebracht hatte. Außerdem hatte der Gitarrenbauer fünfmal in Freising und Moosburg Diesel schwarz gezapft.

Noch ein Bankraub: Doch diesmal nimmt er Geiseln

Um sein Haus vor der Zwangsversteigerung zu retten, macht er trotz Gewissenskonflikten mit Bankraub weiter: Ein halbes Jahr später überfällt er in Rotthalmünster dieselbe Bank, erbeutet 38 000 Euro. Doch diesmal nimmt er zwei Kunden als Geiseln: einen Opa und seine Enkelin.

Er überfällt noch zwei weitere Raiffeisen-Filialen, diesmal in Hohenlinden (Kreis Ebersberg). Wieder hält er Kunden im Tresorraum fest. Beim dritten Überfall verletzt er Saima D., die fliehen will. Er nimmt die Frau in den Schwitzkasten, zieht sie gewaltsam in den Schalterraum zurück.

Sein Haus ist bereits während seiner Untersuchungshaft zwangsversteigert worden. Aus den 17 000 Euro Erlös zahlte Alexander W. die Schulden an seine Eltern zurück – brave Leute, die ihrem Sohn aus der Patsche helfen wollten.

Das Urteil wegen schwerer räuberischer Erpressung wird am Freitag erwartet.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.