Vor allem in München: Warum gibt es immer mehr Drogentote?

In Bayern sind dieses Jahr deutlich mehr Menschen an ihrer Drogensucht gestorben. Vor allem in München ist der Anstieg alarmierend. Behörden sprechen von natürlichen Schwankungen, Experten sehen die Entwicklung mit Sorge.
München - Allein 62 Drogentote in den ersten elf Monaten beklagt München 2015. Im gesamten letzten Jahr waren es 46. Und während in München der Anstieg am krassesten ausfällt, steigt auch im Rest Bayerns die Zahl derer, die an Überdosen gestorben sind, deutlich an. Januar bis Ende November registrierten die Polizeipräsidien in Bayern mehr als 260 Drogentote, statt 252 im letzten und 230 im vorletzten Jahr.
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Die Polizei hält die Zahlen nicht für ungewöhnlich, Wellenbewegungen gebe es immer mal wieder, teilte ein Sprecher des Polizeipräsidiums München mit. Bei der Münchner Drogenberatungsstelle Condrobs ist man dagegen durchaus beunruhigt. "Diese Entwicklung, die wir schon seit Jahren sehen, besorgt uns sehr", sagte Klaus Fuhrmann der Deutschen Presse-Agentur. "Wir sind alle am rätseln, was die Hintergründe für diesen enormen Anstieg sind."
Unberechenbare Ausweichdrogen als Ursache?
Einen möglichen Ansatzpunkt sieht der Suchtexperte im sogenannten Ausweichverhalten: Um nicht juristisch verfolgt zu werden, greifen viele Abhängige zu Mitteln, die leichter zu beschaffen sind als die gängigen Drogen, und deren Inhaltsstoffe bislang noch nicht auf der Verbotsliste stehen. Die Gefahr, eine zu hohe Menge zu konsumieren, ist hier ungleich höher. Derzeit beliebt ist die in der Milieusprache als Badesalz bekannte Ersatzdroge, die gefährlicher als Kokain und eine laut Fuhrmann "verschärfte Variante von Ecstasy" ist. Und statt Cannabis nehmen die Betroffenen diverse Kräutermischungen.
Weihnachten besonders heikel - "Konsumräume" gefordert
Die Mitarbeiter der Münchner Organisation Condrobs sind gerade in der staden Zeit besonders sensibilisiert. Dann ist die Einsamkeit der Suchtpatienten häufig am größten. "Weihnachten ist hochemotional für unsere Klientel, weil sich alle um eine heile Welt bemühen", sagte Fuhrmann. "Dann wird ihnen bewusst, dass sie das alles nicht haben." Mit Weihnachtsfeiern und ähnlichen besinnlichen Aktionen versuchen er und seine Kollegen, die negativen Gefühle der Patienten aufzufangen.
Um in Zukunft wieder weniger Rauschgifttote beklagen zu müssen, fordert der Fachmann daher die Einführung von "Konsumräumen", in denen Betroffene unter Aufsicht von Medizinern Betäubungsmittel einnehmen können. Zugleich sollten die behandelnden Ärzte keine Konsequenzen mehr befürchten müssen, wenn sie drogenabhängige Patienten substituierten. In der Vergangenheit, sagte Fuhrmann, sei Medizinern nicht selten - zumindest kurzfristig - die Approbation entzogen worden, wenn sie Personen legal mit Drogen versorgt hatten, die gleichzeitig andere illegale Mittel konsumiert hatten.