Vor allem für Männer geplant? Warum diese Kreuzung nicht "gendergerecht" ist

Milbertshofen - Über Jahrzehnte hinweg wurden Städte so geplant, dass man möglichst bequem mit dem Auto umher fahren kann. Davon haben vor allem Männer profitiert, die von ihrem Wohnort zu ihrem Arbeitsplatz im Zentrum mussten. Natürlich hat sich inzwischen vieles verändert. Trotzdem können sich immer noch nicht alle gleich gut in Städten fortbewegen.
Gendergerechte Stadtplanung: Alle kommen gleich sicher und gut ans Ziel
Bei einer Führung, die das Mobilitätsreferat gemeinsam mit dem Verein Frauenstudien organisiert hat, erklärten eine Geografin und ein Architekt, wie eine "Stadt für alle" aussehen müsste.
"Gendergerechte Stadtplanung" heißt das Konzept offiziell. Dahinter steckt die Idee: Alle – egal, ob Mann oder Frau, Senior oder Kind, Mensch mit Migrationshintergrund oder mit Einschränkungen – kommen gleich sicher und gut ans Ziel. Das erklärt Geografin Janina Laube gleich zu Beginn der Führung am U-Bahnhof Milbertshofen. Diesen Stadtteil hat sie mit Architekt Tristan Nigratschka genauer analysiert.
Frauen fahren mehr Fahrrad und nutzen den ÖPNV
Die Zeiten, in denen bloß Männer im Dienstwagen zur Arbeit rollten und Frauen zu Hause die Kinder hüteten, sind zwar vorbei. Allerdings gibt es noch immer Unterschiede im Mobilitätsverhalten. Analysen zeigen: Frauen legen im Vergleich zu Männern mehr Wege pro Tag zurück, die Strecke ist aber in der Regel kürzer. Frauen fahren weniger Auto, gehen häufiger zu Fuß, nutzen mehr das Fahrrad und eher den ÖPNV. Laut Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes gehen nicht mal ein Drittel der Pkw-Neuzulassungen an "weibliche Halter".
Gleichzeitig wenden Frauen pro Tag im Durchschnitt 52,4 Prozent mehr Zeit für die Kinderarbeit, die Pflege von Angehörigen, die Hausarbeit oder das Ehrenamt auf. Alles Tätigkeiten, die sich eher daheim und in der Nachbarschaft erledigen lassen.

Aber auch in München sind die Straßen und U-Bahnverbindungen eher darauf ausgelegt, ins Stadtzentrum zu kommen. "Radiale Verbindungen sind schlechter ausgebaut", sagt Laube. An der Schleißheimer Straße zeigt die 30-Jährige, was "autogerecht" konkret bedeutet: Autos haben hier vier Spuren für sich. Es gibt zwar einen Radweg, aber bloß einen schmalen. "An Ampeln haben Fußgänger die kürzeste Grünphase", sagt Laube. Manche schaffen es während einer Ampelschaltung nicht mal über die Straße und müssen dann auf der Insel in der Mitte warten. Aber auch die ist eng.
Bei der Stadtplanung geht auch um das Sicherheitsgefühl
Doch nicht nur die Mobilität spielt eine Rolle, wenn man eine Stadt für alle schaffen möchte. Es geht auch darum, wie wohl und sicher sich die Menschen fühlen. Ein paar Mal auf ihrer Führung zeigen Tristan Nigratschka (25) und Janina Laube (30) Straßen, die gut beleuchtet sind, aber nicht die Gehwege.
Sie erzählen, dass Pissoirs oft kostenlos seien, aber nicht die Toiletten. Sie führen auf Plätze, wo Bäume und Sitzgelegenheiten fehlen – oder so angeordnet sind, dass man sich dort nicht mit anderen unterhalten kann: Bänke stehen oft nebeneinander und nicht gegenüber, Tische fehlen.
Wien als Vorreiter bei gendergerechter Stadtplanung
Dass es auch anders geht, zeigt Wien. Dort wurde schon in den 90er Jahren eine Leitstelle für "Alltags- und frauengerechtes Planen und Bauen" eingerichtet. Damals stellte eine Studie fest, dass sich Mädchen ab etwa zehn Jahren fast komplett aus Parkanlagen zurückziehen, weil sie sich auf umzäunten Basketball- oder Fußballfeldern nicht wohlfühlten.
Wien hat darauf hin Sportflächen offener gestaltet, auch Volleyballplätze und Sitzmöglichkeiten wurden geschaffen. Heute gilt Wien als Vorreiter, wenn es darum geht, eine Stadt zu schaffen in der sich alle wohlfühlen. Denn es gibt auch Leitlinien für den Wohnungsbau oder die Mobilität.
Grüne und SPD haben ein Hearing beantragt
Auch Grüne und SPD im Stadtrat wollen dem Thema "Gender Planning" einen größeren Fokus geben. Im Herbst 2021 haben sie ein Stadtratshearing beantragt. Dabei kommen auch immer Wissenschaftler und Fachleute zu Wort. Im Juli soll es stattfinden.
Daraus soll die Stadt konkrete Kriterien ableiten und diese bei ihren Planungen berücksichtigen. Bei der Führung sind deshalb auch einige Fachleute aus der Verwaltung dabei. Allerdings: keine Männer.