Vor 50 Jahren in München: "Der übelste Diebstahl, den es gibt“ – Grabschänder unterwegs

Auf Münchens Friedhöfen verschwinden vor 50 Jahren täglich Blumen und Gestecke von Gräbern. Die Stadt ruft Bürger dazu auf, Diebe zu melden und verspricht eine Belohnung.
von  Felix Müller
Friedhofsgärtner Günther Vornehm (28) sagt 1974 zur AZ: „Vor den Gedenktagen verdoppeln sich die Diebstähle.“
Friedhofsgärtner Günther Vornehm (28) sagt 1974 zur AZ: „Vor den Gedenktagen verdoppeln sich die Diebstähle.“ © AZ-Archiv/H.orstBuch

München – Viele Münchner erinnern sich vor Allerheiligen an ihre verstorbenen Angehörigen und gehen auf den Friedhof – um zu stehlen“, so beginnt heute vor 50 Jahren, am 15. Oktober 1974, ein Artikel in der AZ. Überschrift „Kopfgeldjagd auf Münchens Grabräuber“. Das Bestattungsamt habe 100 Mark Belohnung ausgesetzt.

Überhaupt noch nie seien so viele Blumengedecke und Gebinde von Gräbern verschwunden, heißt es in dem Bericht. „Immer weniger Friedhofsbesucher haben offenbar Skrupel, die Toten zu bestehlen“, sagt Blasius Berchtenbreiter, der Vorsitzende der Münchner Friedhofsgärtner. „Wir sind machtlos gegen die Blumenräuber.“

Jedes Mal verschwanden die Blumen aufs Neue

Wie die AZ berichtet, hat die Rentnerin Inge Münz in den zwei Wochen zuvor drei Mal das Grab ihrer Mutter auf dem Westfriedhof besucht und frische Blumen aufgestellt. Jedes Mal verschwanden sie wieder – und jedes Mal samt Vase. Andreas M. wiederum seien auf dem Nordfriedhof ein wertvoller Azaleen Stock und drei Töpfe mit weißer Erika entwendet worden.

Zwei Fälle – aber offenbar absolut keine Ausnahmefälle. Der Direktor der Städtischen Bestattung, Josef Großmann, sagt: „Auf allen großen städtischen Friedhöfen werden täglich Diebstähle von Blumen und Gestecken gemeldet. Immer mehr Besucher bringen keine Blumen mehr mit, sondern bedienen sich auf dem Nachbarsgrab.“ Das sei doch der „übelste Diebstahl, des es gibt, aber wir können nur sehr wenig dagegen tun“. Die „Grabschänder“ seien sehr schwer zu fassen.

Nur ganz wenige würden erwischt

Zwar radelten auf jedem größeren Friedhof in München fünf bis sechs Friedhofswärter umher, um Blumendiebe zu fassen. Doch erwischt würden nur ganz wenige. Ein Problem laut Großmann: „Wenn die Leut‘ sagen, sie seien Angehörige der Verstorbenen, sind wir machtlos.“

Nun appellieren die Stadt und die Friedhofsgärtner gemeinsam an die Münchner, künftig selbst mehr achtzugeben auf die Friedhofsdiebe und sie der Verwaltung zu melden. Großmann sagt: „Wir haben eine Belohnung ausgesetzt. Wer einen Grabschänder auf frischer Tat ertappt und festhält, bis ein Gärtner kommt, bekommt einen Hunderter. Denn die Toten soll man in Frieden ruhen lassen. 

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