Voodoo: Wenn die Götter hungrig sind
Im Perlacher Forst köpft eine Frau ein Huhn und bittet einen Voodoo-Gott um nette Männer für ihre Töchter. Wie solche Opfer-Rituale ablaufen, erklärt der Münchner Autor Matthias Politycki
München – Was geschah im Perlacher Forst? Tierschützer haben dort ein geköpftes Huhn entdeckt, aufgeschlitzt, mit einem Zettel am Fuß. „Lieber Orisha, ich möchte, dass alle meine Wünsche in Erfüllung gehen“, hatte eine unbekannte Frau in portugiesischer Sprache darauf notiert (AZ berichtete). „Orishas“ nennen die Anhänger des Voodoo und seiner Schwesterreligionen (Santeria, Candomblé etc.) ihre Götter. „Und jeder Gott hat seine Lieblingsspeise“, sagt der Münchner Schriftsteller Matthias Politycki. „Das fängt bei Zucker oder irgendeinem Gemüse an und geht bis zu Vierbeinern.“
Für seinen 2005 erschienenen Roman „Herr der Hörner“ hat Politycki sieben Monate auf Kuba gelebt und dort Rituale kennen gelernt, die dem im Perlacher Forst ähneln könnten:
„Im Prinzip fängt es damit an, dass der Gläubige sich mit seinem Wunsch an einen Priester – einen Santero oder Palero wendet“, erzählt Politycki. Dieser besorge dann Kerzen, Kräuter für die spirituelle Reinigung und ein dem Anliegen angemessenes Opfer-Tier. „Tauben und Hühner stehen in der Hierarchie ganz unten.“
Zu Beginn der Zeremonie beten die Teilnehmer zu verschiedenen Orishas: Zum Schöpfergott Olofi, den Mitgliedern seiner Götter-Familie und schließlich zum persönlichen Orisha des Bittstellers. Das Opfer-Huhn sitzt derweil in einem Pappkarton – bis der Priester es herausholt, ihm den Hals umdreht und sein Blut in die „Kriegerschalen“ laufen lässt, die Altäre der Götter. Denn darum geht es: Die Götter müssen gespeist werden, damit sie voller Energie für den Gläubigen „arbeiten“ können. Weil sie auch gerne trinken, werden die Schalen zudem mit Wasser und Rum bepustet. „Danach werden die Opfer-Tiere zubereitet und von den Anwesenden gegessen. Das ist fester Bestandteil dieser Rituale. Man schwatzt und löst dabei vielleicht schon das ein oder andere Problem“, erklärt der Autor. „Deshalb wundert es mich, dass im Münchner Fall das Huhn zurückblieb.“
Außerdem fänden solche Rituale normalerweise hinter verschlossenen Türen statt, nicht im Wald. Und auch von „Wunsch-Zetteln“ hat der Autor nie etwas gehört. „Aber das ist möglicherweise eine brasilianische Besonderheit.“ Voodoo, Santeria und Candomblé haben zwar dieselben afrikanischen Wurzeln, im Laufe der Zeit entwickelten sie sich jedoch unterschiedlich und spalteten sich in viele kleine Bruderschaften auf.
Hungrig sind ihre Götter bis heute alle. „Es muss Blut fließen, sonst verlieren sie ihre Kraft“, sagt Matthias Politycki. „Sie sind unersättlich wie Tamagotchis.“
Die Inspektoren des Tierschutzvereins bitten in diesem Fall um Hinweise unter der Telefonnummer: 089/921000 -21 oder -59.
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