Interview

Von München nach Südamerika: CSU-Politiker Wolfgang Stefinger sucht nach Energiepartnern

Grüner Wasserstoff und Lithium: Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Stefinger (CSU) aus München spricht darüber, warum sich Energiepartnerschaften mit Argentinien und Chile lohnen könnten – und welche Probleme es zu bewältigen gilt.
Natalie Kettinger
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Ein Motorradfahrer durchquert einen Windpark in der chilenischen Atacama-Wüste.
Ein Motorradfahrer durchquert einen Windpark in der chilenischen Atacama-Wüste. © imago

München - Der CSU-Politiker Wolfgang Stefinger ist seit 2013 Mitglied des Bundestages und vertritt den Wahlkreis München-Ost. Er ist Vize-Vorsitzender des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung und Obmann der Unionsfraktion im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Gerade ist er von einer Reise nach Südamerika zurückgekehrt, wo er sich über Kooperationen in den Bereichen Grüner Wasserstoff und Lithium schlau gemacht hat. Die AZ hat mit ihm darüber gesprochen.

AZ: Herr Stefinger, Sie sind vor Kurzem von einer Reise nach Chile und Argentinien zurückgekehrt, bei der es um mögliche Energiepartnerschaften ging. Welche Potenziale sehen Sie?
WOLFGANG STEFINGER: Sehr große. In beiden Ländern gibt es hervorragende Möglichkeiten – viel Sonne, viel Wind, Bodenschätze –, die wir dringend für eine Zusammenarbeit nutzen müssen.

Ein Thema Ihres Besuchs war Grüner Wasserstoff. Der wird allerdings kontrovers diskutiert: Die Kosten und der Energieverbrauch bei der Produktion sind hoch. Es mangelt an Infrastruktur und Transportwegen nach Europa. Welchen Sinn macht es da, dass die Europäische Union 216 Millionen Euro für Wasserstoffprojekte allein in Chile bereitstellt?
Die Gegebenheiten in Südamerika sind hervorragend! Anders als in vielen afrikanischen Staaten, wo wir bei unseren Projekten mit Meer-Entsalzungsanlagen arbeiten müssen, ist etwa in Argentinien Wasser im Überfluss vorhanden. Aber ich habe mir auch die Transportwege angeschaut, die natürlich schwierig sind. Es stellt sich ja durchaus die Frage: Wie bringt man den Wasserstoff auf CO2-freiem Weg nach Europa?

"Manchmal ist es ratsam, Themen durch die Vor-Ort-Brille und nicht durch unsere zu betrachten", sagt Wolfgang Stefinger im AZ-Interview.
"Manchmal ist es ratsam, Themen durch die Vor-Ort-Brille und nicht durch unsere zu betrachten", sagt Wolfgang Stefinger im AZ-Interview. © CSU-Landesgruppe

Und wie lautet die Antwort?
Einige Reedereien arbeiten bereits daran, ihre Schiffe auch CO2-neutral betreiben zu können. Sie werden umgerüstet, so dass sie entweder selbst mit Wasserstoff fahren können oder mit synthetischen Kraftstoffen, also E-Fuels, betankt werden.

CSU-Politiker Wolfgang Stefinger: "Wasserstoff muss stark gekühlt werden"

Bleibt der Transport des begehrten grünen Gutes selbst.
Ja, und der ist sehr energieintensiv, weil Wasserstoff stark gekühlt werden muss, um transportiert werden zu können. Aber die Möglichkeit besteht. Eine andere Variante ist, den Wasserstoff umzuwandeln und ihn in verflüssigter Form zu verschiffen – wobei man ihn dann erneut umwandeln müsste, wenn man ihn wieder als Wasserstoff nutzen möchte. Deshalb ist eine der entscheidenden Fragen, wie die Energie produziert wird, damit der Wasserstoff in der gesamten Kette grün bleibt. Auch deshalb entstehen in Chile derzeit riesige Windparks. In Argentinien ist der Nachholbedarf aufgrund der jahrzehntelangen Misswirtschaft aber generell deutlich größer.

Dort ist jetzt der umstrittene Präsident Javier Milei an der Macht, der das Land radikal umbauen will und seinen Regierungssprecher unlängst ausrichten ließ: "Alle Verträge, die der Staat im vergangenen Jahr abgeschlossen hat, stehen auf dem Prüfstand." Ist es wirklich ratsam unter derart volatilen Bedingungen zu investieren?
Ich habe vor Ort mitbekommen, dass bisher alles sehr volatil war, weil die vorherigen Regierungen vor allem mit Dekreten regiert haben, die oft nur eine Gültigkeit von einem Jahr hatten. Die fehlende Planungssicherheit aufgrund fehlender Gesetze war bei allen Wirtschafts-Gesprächen Thema, die ich dort geführt habe. Ein Erneuerbares-Energien-Gesetz etwa liegt seit Jahren im Parlament und wird einfach nicht verabschiedet. Vor Ort erwartet man sich, dass der neue Präsident hier durchgreift, Reformen um- und eine langfristige Planung aufsetzt. Darüber hinaus will er Argentinien für den Welthandel öffnen, die hohen Zölle bei Ein- und Ausfuhr abschaffen und Argentinien stärker an Amerika, Israel und Europa binden.

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Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat Milei allerdings das Demonstrationsrecht in der Form eingeschränkt, dass er den Einsatz der Polizeikräfte von den Demonstranten bezahlen lassen will. Das sind erste Schritte in die Diktatur – spielt die Staatsform bei Rohstoffpartnerschaften keine Rolle?
Manchmal ist es ratsam, Themen durch die Vor-Ort-Brille und nicht durch unsere zu betrachten: In Argentinien haben die Gewerkschaften eine unglaubliche Macht. Sie können das gesamte Land lahmlegen. Gemäßigte Gewerkschafter haben mir selbst gesagt, dass das argentinische Streikrecht zu stark ist und es an dieser Stelle Änderungen geben muss. Das Land braucht einfach dringend Reformen. Wenn man sich die Wahlanalysen anschaut, haben vor allem junge Leute Milei gewählt – und viele Studenten sagten mir: "Wenn sich jetzt nichts ändert, sind wir weg." Nach den Jahrzehnten der Misswirtschaft, insbesondere durch den Kirchner-Clan, sind die Menschen müde – und setzen Hoffnungen in diesen Präsidenten. Allerdings muss man dazusagen, dass Milei keine eigene Parlamentsmehrheit hat.

Bundestagsabgeordneter aus München: "Aufbau einer Produktion nach europäischen Standards"

Zurück zu den Rohstoffen. Sie haben eingangs erwähnt, Argentinien sei reich an Wasser. Im Norden, wo Grundwasser zur Lithium-Gewinnung verdunstet wird, sehen die Menschen das anders. Dort trocknen Flüsse aus und die Landschaft verödet. Der Umweltanwalt Enrique Viale fordert daher: "Unsere Natur darf nicht geopfert werden, damit jeder Amerikaner einen Tesla hat und Europäer ihren BMW ersetzen." Was sagen Sie dazu?
Ich habe in Argentinien auch mit Wissenschaftlern gesprochen, die sich mit dem Thema Wasser beschäftigen. Sie sagen, die existierenden Gesetze seien mit Blick auf den Umwelt- und Wasserschutz eigentlich in Ordnung, würden vom Staat bisher aber nicht umgesetzt. Es ist also in etwa so, als würden wir in Deutschland den Unternehmen zwar Umweltauflagen machen – doch niemand käme zum Kontrollieren. Aber natürlich ist Lithiumförderung wasserintensiv. Da muss man sich ehrlich machen, auch was den Bereich der E-Mobilität betrifft.

Argentinische Umweltschützer kritisieren, die Gewinne flössen an große Konzerne oder ins Ausland, den Menschen vor Ort blieben die Umweltschäden.
Deshalb ist es wichtig, dass Wertschöpfung vor Ort passiert, und auch in Argentinien und Chile Zukunfts-Arbeitsplätze geschaffen werden, indem man mit entsprechenden Standards agiert. Das muss schon deshalb sein, weil das europäische Lieferkettengesetz kommt. Ohne Zertifikate wäre eine Einfuhr in die Europäische Union dann nicht möglich. Deshalb wäre der gemeinsame Aufbau einer Produktion nach europäischen Standards ein entscheidender Schritt.

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In Sachen Lithium-Gewinnung gibt es auch andere Ansätze: In Rheinland-Pfalz will ein Start-up den Rohstoff in Deutschland fördern und es gibt Versuche, Lithium-Batterien zu recyceln. Warum setzt man nicht stärker auf solche Projekte – anstatt in die Ferne zu schweifen?
Bayern und Deutschland sowie die Autokonzerne investieren in die Batterieforschung. Das wird sich alles weiterentwickeln. Aber für den Übergang braucht man einfach Lithium.

Bleibt die Frage: Wie weit haben die Chinesen diesmal – also etwa bei der Lithium-Förderung in Argentinien – die Nase vorn?
Die Chinesen mischen in diesem Bereich bei etwa 30 Prozent mit, aber: Aufgrund der Misswirtschaft in Argentinien wurde erst ein Bruchteil der Bergwerke und Minen erschlossen. Insofern gibt es großes Potenzial. Wichtig ist natürlich, dass Argentinien die Wirtschaftspolitik jetzt in den Griff bekommt. Schließlich reden wir von einem Land mit einer Inflation von aktuell mehr als 160 Prozent, in dem die Menschen nicht so viel Geld am Automaten abheben können, wie ein günstiges Gericht im Restaurant kostet.

Angenommen, Argentinien und Chile liefern der EU irgendwann Grünen Wasserstoff und Lithium – was bekommen diese Länder dafür?
Den Aufbau einer Infrastruktur nach den hier geltenden Standards, gerade im Umweltbereich. Außerdem wollen wir Arbeits- und Sozialstandards mit implementieren. Das ist auch ein Thema, das den Gewerkschaften wichtig ist.

"Jeder weiß, wo die Probleme liegen"

Das klingt gut – und wer würde die Einhaltung kontrollieren?
Bei aller berechtigten Kritik am europäischen Lieferkettengesetz: So etwas hilft.

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Abschließend: Was hat Sie an dieser Reise am meisten beeindruckt?
Es wurde nichts schöngeredet. Jeder weiß, wo die Probleme liegen. Aber es gibt große Beharrungskräfte, und die Frage ist, wie man die Veränderungen hinbekommt. Ein Beispiel: Man führt Gespräche in einem Ministerium und in der Eingangshalle rufen Beamte zum Streik auf. Das wäre bei uns undenkbar. Oder: Mir ist immer wieder exemplarisch erzählt worden, dass allein die Parlamentsbibliothek 3000 Mitarbeiter hätte – einen für jedes Buch. Das funktioniert doch nicht! Doch die Argentinier erzählen sich zu all dem gerne einen Witz, den ich total nett fand.

Und der lautet wie?
Nachdem Gott die Erde erschaffen hat, fragt ihn Petrus: "Was ist denn das? Ein Land mit so vielen Rohstoffen, Sonne und Wind, netten Menschen und dem Potenzial, eine Kornkammer der Welt zu sein? Das geht doch gar nicht!" Darauf der Liebe Gott: "Warte erstmal, was ich denen für Politiker schicke." Das fasst die Situation ganz gut zusammen.

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