Von der Managerin zur Masseurin
Eine Münchnerin wagt, wovon viele träumen: Mit 45 Jahren fängt die allein erziehende Mutter beruflich ganz von vorne an
Aleksandra Stojmenovic hatte einen Teilzeitjob und arbeitete trotzdem 60 Stunden pro Woche. Nachts schreckte sie ständig aus dem Schlaf hoch, tastete nach Papier und Bleistift, notierte die To-Do-Liste für den nächsten Tag. Irgendwann begann in ihrem Ohr ein Tinnitus zu pfeifen. Irgendwann hatte Aleksandra Stojmenovic von all dem genug. Die allein erziehende Mutter aus München wagte, wovon viele träumen: Mit 45 Jahren zog sie einen Schlussstrich unter ihr bisheriges Berufsleben und begann noch einmal ganz von vorn. Seit kurzem betreibt die ehemalige Microsoft- Produktmanagerin für den Windows-Homeserver einen Massage-Salon in Neuhausen. „Denk mal an Dich!“ steht auf dem Schild, das den Weg von der Donnersbergerstraße zu ihrem „Siam Nature“- Spa im Hinterhof-Häuschen weist.
„Was erzählt der mir da? Das interessiert mich alles nicht mehr“
Im ersten Stock der ehemaligen Schreinerei sitzt Aleksandra Stojmenovic auf einem braunen Ledersessel, trinkt Tee und erzählt. Dass sie Betriebswirtschaft studiert hat, Schwerpunkt Marketing. Dass sie nach der Uni bei einer PRAgentur anheuerte, aber schnell genug hatte vom Dienstleister-Dasein und deshalb zu Microsoft wechselte. Dass sie dort Karriere machte. „Ich hatte einen tollen Job, very challenging“, sagt sie. „Aber irgendwann wollte ich nicht mehr. Ich wollte auch mal frei haben, Mutter sein, etwas anderes machen.“ Im Juni 2009 baute Microsoft Deutschland 40 Stellen ab und machte den Mitarbeitern ein großzügiges Abfindungs- Angebot. Aleksandra Stojmenovic rechnete. Am Ende stand für sie fest: „Okay – das ist mein Weg, so bin ich eine Weile abgesichert und kann mich neu orientieren.“ Ein Jahr lang kümmerte sie sich ausschließlich um ihre Tochter Alissa (10) und um sich selbst. „Wir waren in allen Ferien weg, zwei Mal in Amerika, im Ski-Urlaub, ständig unterwegs – eine schöne Zeit.“ Sie lächelt.
Damals plante sie noch, in die alte Branche zurückzukehren. Im Sommer 2010 standen die ersten Vorstellungsgespräche als Produktmanagerin an. Doch ihr Unterbewusstsein hatte sich längst anders entschieden. „Schon beim ersten Termin dachte ich: Was erzählt der mir da eigentlich? Das interessiert mich alles nicht mehr. Diese ganzen Wichtigtuer, rund um die Uhr online, 24/7-erreichbar. Alles in mir hat sich dagegen gesträubt.“ Wieder im Auto, hörte sie das Pfeifen in ihrem Ohr. Der Tinnitus. Ein Freund riet Aleksandra Stojmenovic zu Massagen, sie ließ sich in verschiedenen Salons durchkneten. „Aber den Laden, wie ich ihn wollte, gab’s einfach nicht. Entweder plapperten die Angestellten ohne Punkt und Komma, das Telefon klingelte die ganze Zeit, oder es zog wie Hechtsuppe. Ruhe konnte man da nicht finden. Aber genau das ist doch, was Menschen brauchen, die zur Massage kommen: Ruhe.“
Eines Nachts träumte Aleksandra Stojmenovic davon, selbst einen Salon zu eröffnen, „davon glücklich aufzuwachen und Kontakt zu interessanten Menschen zu haben“. Am nächsten Morgen rechnete sie wieder. Das Ergebnis diesmal: Sie würde so zwar nicht reich werden, aber über die Runden kommen. In einer Zeitungs-Annonce entdeckte sie das Gartenhaus an der Donnersbergerstraße. Zunächst erschien ihr das 160-Quadratmeter-Gebäude zu groß und zu teuer. Doch was sie sich später auch ansah – das passende Miet-Objekt war einfach nicht dabei. Also beschloss Aleksandra Stojmenovic, den geplanten Auto- Neukauf abzublasen, ihre alte Rostlaube noch ein paar Jahre zu fahren und das Geld lieber in die Selbstständigkeit zu investieren. Sie unterschrieb den Mietvertrag für das Gartenhäuschen und verwandelte den LagerraumimKeller in eine asiatische Ruhe-Oase. Die oberen Zimmer stylte sie zu weiteren Massage-Räumen – mit bequemen Liegen, fließenden Vorhängen, Buddha-Statuen und gedämpftem Licht. Nebenher ließ sie sich in traditioneller Thai-Massage und Aromatherapie ausbilden, um zu guter Letzt zum Arbeitsamt zu marschieren und eine Existenzgründung anzumelden. Oder, wie sie selbst sagt, „um von der Arbeitslosen zur Arbeitgeberin umzuswitchen“. Zweifel? Hatte sie nie.
„Es klappt. Einen anderen Gedanken habe ich nicht“
Seit 11. Januar hat Aleksandra Stojmenovics „Siam Nature“- Spa geöffnet. Noch können sich die Chefin und ihre fünf Angestellten die Termine recht großzügig einteilen. „In der ersten Woche waren 18 Kunden da. So viele müssten es eigentlich pro Tag sein, damit wir alle Spaß an der Arbeit haben und davon leben können.“ Doch die Ex-Managerin setzt auf ihr Netzwerk von einst – und auf ihr Gefühl. „Es wird klappen, einen anderen Gedanken habe ich nicht. Sonst hätte ich das Ganze doch gar nicht gemacht.“ Erste Erfolge sind bereits spürbar. „Ich wache nicht mehr vor lauter Stress um vier Uhr auf und habe auch keinen Mouse-Arm mehr“, sagt Aleksandra Stojmenovic zufrieden. Und vom Tinnitus hat sie auch nichts mehr gehört. Natalie Kettinger
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