Von Berlin auf die Theresienwiese

Für Sepp Krätz gilt: Nach der Wiesn ist vor der Wiesn! Wie der Festwirt mit einer Nachbildung seines berühmten Hippodroms gerade in der Hauptstadt für Oktoberfest-Stimmung gesorgt hat.
von  Abendzeitung
Prost - auf die Wiesn! Sepp Krätz mit Tochter Stefanie vor seinem Hippodrom, auf dessen Dach auch heuer wieder die Pferde-Troika gehoben wurde.
Prost - auf die Wiesn! Sepp Krätz mit Tochter Stefanie vor seinem Hippodrom, auf dessen Dach auch heuer wieder die Pferde-Troika gehoben wurde. © Mike Schmalz

Für Sepp Krätz gilt: Nach der Wiesn ist vor der Wiesn! Wie der Festwirt mit einer Nachbildung seines berühmten Hippodroms gerade in der Hauptstadt für Oktoberfest-Stimmung gesorgt hat.

Die Stimmung kocht. Nur wenige hält es bei Bier und Blasmusik auf den Bänken. Hoch die Krüge! Prost mit süffigem Wiesn-Bier! Auf den Tellern die berühmten kälbernen Fleischpflanzerl nach Originalrezept von Jahrhun-dertkoch Eckart Witzigmann und Hippodrom-Hendl, verfeinert mit einer speziellen Ge-würzmischung von Alfons Schubeck. An der Champagner-Bar knallen die Korken, wird geflirtet, was das Zeug hält. Mittendrin Wiesn-Wirt Sepp Krätz mit strahlenden Augen: "Die Gäste in meinem Hippodrom happy zu ma-chen, ist doch einfach das Grösste!" Und zwar schon vor der Wiesn.

Während seine Kollegen, die 13 weiteren Festwirte mit grossen Bierzelten, erst am Samstag Wiesn-Stimmung haben, sieht das bei Sepp Krätz ganz anders aus: Er erlebt den ganz normalen Oktoberfest-Wahnsinn bereits seit letztem Mittwoch - fern der Heimat in der Hauptstadt.

Bevor es in München "Ozapft is!" heisst, zeigt der rührige bayerische Promi-Wirt erstmal den Berlinern, wie auf der Wiesn gefeiert wird. Für acht Tage haben Krätz und seine Lebensgefährtin Tina Fichtel vor dem Roten Rathaus, dem Amtssitz des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, eine kleinere Nachbildung des Hippodroms aufgebaut - beim schon traditionellen Berliner Oktoberfest, bei dem Sepp Krätz heuer erstmals der (höchst engagierte) Festwirt ist.

Sein 2000-Plätze-Zelt, das heute wieder abgebaut wird, erinnert nicht nur wegen der rot-gelben Fassade, wegen Champagner-Bar oder Witzigmann-Pflanzerln ans weitaus aufwändigere Original: Über die Hälfte des Küchen-, Schank- und Servicepersonals stammt aus dem berühmten Hippodrom. Für das Team - wie für den Wirt, der heute wieder in den Fieger gen München steigt - gilt: Nach der Wiesn ist vor der Wiesn.

"Das ist schon eine Mordsaufgabe", sagt Krätz: "Wir müssen per Laster ja unter anderem auch noch einen grossen Teil der Küchenausrüstung von Berlin auf die Theresienwiese schaffen, die Dirndl der Bedienungen reinigen . . . Doch ich freu' mich riesig auf mein Hippodrom." Auf jenes traditionsreiche Wiesn-Festzelt gleich am Eingang der Wirtsbudenstrasse.

Auf dem Zeltdach, in 16 Metern Höhe, stehen dort schon längst wieder weithin sichtbar die drei grossen weissen Pferde. "Sie sind unser Wahrzeichen", sagt Krätz: "Sie werden gehegt und gepflegt und alljährlich von Künstlerhand überarbeitet." Die Troika, die der Wiesn-Wirt auch auf seinen roten Biergarten-Tischen und auf allen Tischtüchern im Festzelt abgebildet hat, erinnert an die Geschichte des Hippodroms, die 1902 begann.

Damals genehmigte der Magistrat dem Schausteller Carl Gabriel eine Wirtsbude, in deren Innenraum eine Manege war. Auf der Reitbahn mit 25 Pferden konnten die Zeltbesucher gegen Entgelt und zur Erheiterung der anderen Gäste ihre Reitkünste ausprobieren. Vor dem Festzelt stand der legendäre Recommandeur, der wie ein Reiter in den Knien wippte, in einer Hand eine Peitsche hielt, in der anderen imaginäre Zügel. Eingestellt wurde das Reitvergnügen in den 80er Jahren.

"Das Hippodrom von einst ist auf grossen Bildertafeln auf der Galerie meines Festzelts zu sehen", sagt Krätz: "Die Historie muss man bewahren." Die heute bekannte Zelt-Fassade wurde 1985 vom oscarprämierten Szenenbildner und Filmausstatter Rolf Zehetbauer entworfen. Sepp Krätz übernahm das Hippodrom vor 14 Jahren. Er brachte es wieder auf Vordermann und machte es zum Festzelt mit Stimmungsgarantie. In der Hausboxe tummeln sich täglich die Promis, die stets für reichlich Blitzlichtgewitter sorgen. Auch Arnold Schwarzenegger genoss hier schon mal eine Mass. Ronan Keating gab ein kleines Gratis-Konzert.

"Auch wenn ich heuer schon beim Berliner Oktoberfest war - dem Wiesn-Start am Samstag fiebere ich richtig entgegen", sagt der nimmermüde Sepp Krätz, der einzige Festwirt, der nicht nur 16, sondern ganze 24 Tage Oktoberfest hat.

Alle Infos rund um Zelt

Größe: 3400 Plätze im Hippodrom und 1000 im Biergarten. Außerdem gibt’s noch die berühmte „Champagner- Flirtbar“.

Spezialität: Hendl, zubereitet mit Andechser Fassbutter und Schubeck-Gewürzmischung, Kalbfleischpflanzerl à la Witzigmann, Spanferkel und Ente aus der Hippodrom-Küche von Küchenchef Leonhard „Hartl“ Schneider.

Publikum: Viele Münchner und viele Promis, die alle gern (in fescher Tracht) feiern und ganz besonders gern flirten.

Annette Baronikians

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