Vom Tanzen mit Lemmingen

Monster Magnet im Backstage: Dave Wyndorf über den Teufel und Kraut-Rock.
In den 90ern setzten Monster Magnet ihren Stoner-Rock gegen den Zeitgeist. Nach einem Schlaftabletten-Zusammenbruch 2006 hat Sänger und Gitarrist Dave Wyndorf ein neues Magnet-Album veröffentlicht. Wir rufen ihn zuhause in New Jersey an. Wyndorf klingt gut gelaunt und hat eine Stimme wie ein Schwarzkohlebergwerk.
AZ: Die neue CD heißt „4-Way Diablo“.
DAVE WYNDORF: 4-Way Diablo ist ein Slang-Begriff, den ich als Teenie dafür erfunden habe, wenn alles total verpfuscht ist. 4-Way ist inspiriert von einer LSD-Art, die damals auf dem Markt war. Ich glaube, die hieß 4-Way-Acid. Der Diablo ist der Teufel. Macht eigentlich nicht viel Sinn, aber bedeutet einfach, das Schlimmste vom Schlimmen.
Wenn Sie den Teufel beschreiben sollten, wie sähe der denn aus?
Uuh... Wahrscheinlich ist der Teufel ein gut aussehender, freundlicher, beruhigender Gentleman, der dich zu gutem Zeugs verführt und dich dann für den Rest des Lebens in die Hölle sperrt.
Gibt es in ihrem Leben auch ein diabolisches Element?
Das gab es wohl zeitweise. Ich weiß aber nicht, ob das tatsächlich völlig diabolisch war, obwohl ich das Wort liebe. Es gab Zeiten, wo meine Augen nach bösen Dingen Ausschau hielten. Aber im Moment verschwindet das meiste Böse aus meiner Vorstellung.
Haben Sie Techniken, um mit der bösen Seite umzugehen?
Ja. Behandle die anderen so, wie sie dich behandeln sollen. Und dann hörst du auf, Menschen zu missbrauchen. Jeder hat seine dunkle Seite, aber ich habe das Glück, meine Vorstellung nutzen zu können.
Hat die private Krise 2006 das neue Album beeinflusst?
Sicher. Auf gute und schlechte Weise. Das Schlechte war, ich kämpfte mit der Musik und konnte sie nicht weiterentwickeln. Ich hätte sonst mehr geschrieben. Das Gute war: die Texte schrieb ich erst, nachdem alles passiert war. Das sind wohl die ehrlichsten Texte, die ich je geschrieben habe, fast schon peinlich für mich. Aber wenn man durch Scheiße geht, sollte ein Songwriter über seine Gefühle schreiben.
Ist Musik Therapie?
Absolut. Jeder sollte Musik machen. Auch wenn es nur eine Gitarrennote ist, hilft es, die Aggressionen loszuwerden.
Warum haben sie „2000 Light Years From Home“ als Coverversion gewählt?
Jeder in der Band wollte einen Stones-Song machen. Ich hatte Angst, weil es halt die Stones sind. Dann erwähnte jemand „2000 Light Years“ und ich sagte, wenn es je einen Stones-Song gab, den wir covern können, ist es dieser.
Jagger hat den Text angeblich in Brixton Prison geschrieben, nachdem er wegen Drogenbesitz verurteilt worden war. Was würden Sie sagen, um was es in dem Song geht?
Ich habe keine Ahnung. Ich glaube, er bläst nur psychedelischen Bullshit raus. Um mal die Wahrheit zu sagen. Aber es klang cool.
Also war es nur der Klang des Textes, der sie ansprang?
Wenn es Poesie wäre, wäre ich viel investigativer. Aber das ist es eben nicht: Es sind Musik und Text. Und oft erklärt der Text nicht alles.
Auf dem neuen Dylan-Bootleg-Album hört man, wie viele Möglichkeiten es gibt, einen Text zu interpretieren.
Marc Bolan ging raus und sang „I’ve never ever kissed a car before ...“ Von was, zur Hölle, redete er? Keine Ahnung, aber es klang verdammt lässig. Es lässt mich träumen.
Ihnen werden Kraut-Rock-Einflüsse nachgesagt.
Klar. Speziell Amon Düül II.
Ich habe mich vor kurzem mit Chris Karrer (Amon-Düül-Gitarrist) unterhalten.
Echt! Oh Mann!
Das war faszinierend.
Es ist faszinierend! Schau dir das an! Man kann es kaum glauben, aber es gab eine Zeit, als die progressivste und wildeste Musik aus Deutschland kam. Es hat so viele beeinflusst. Ich würde wirklich gerne zurückreisen, um das zu sehen.
In München ist diese Szene fast vergessen.
Ich weiß. (seufzt) Diese Platten benötigen viel Vorstellungskraft und Geduld. Ein Durchschnittstyp hat diese absolute Liebe nicht, eine Platte zu erforschen. Amon Düül unternahmen diese gigantischen Musikreisen auf zwei Vinyl-Scheiben. Für mich wird da ein Traum wahr. Es ist wie das Coolste, was ich je gesehen habe. Ich habe erst gestern „Tanz der Lemminge“ und „Wolf City“ gehört. Das tötet mich, verdammt noch mal. Diese Klänge ... Und die Stimmen klingen wie nichts, was ich je gehört habe.
Kennt man die Kraut-Rock-Szene in Amerika?
In Hipster-Kreisen. Vor vier, fünf Jahren fingen die Leute in New York wieder an, Kraut-Rock-Alben zu kaufen. Zum ersten Mal nahmen sie die Platten aus der Psychedelic-Ecke und machten eine eigene Abteilung unter dem Namen „Kraut Rock“.
Wenn Sie wählen könnten, würden Sie eher auf CD oder Vinyl veröffentlichen?
Beides. Das einzig schlechte ist, wenn Du etwas ausschließt. Obwohl ich doch denke, Vinyl klingt besser. Allerdings kommen CDs da mittlerweile fast ran. MP3-Downloads klingen allerdings wie ein Haufen Scheiße. Elektrische Gitarren funktionieren nicht als komprimierte Dateien. Unglücklicherweise zerstört Bequemlichkeit in der modernen Welt immer die Qualität. Wenn Leute mehr von etwas bekommen können, das aber schlechter klingt, dann nehmen sie mehr.
Christian Jooß
Backstage, Friedenheimer Brücke 7, 20.30 Uhr, Eintritt: 30 Euro