Vom Kopf in die Wirbelsäule: München hat Rücken!
München - Wie ein Blitz fährt der Schmerz in die Wirbelsäule und lässt den Betroffenen erstarren. Bewegung? Unmöglich. Nach ein paar Sekunden wird aus dem stark stechenden ein dumpfer Schmerz im Rücken. Wenig später ist der Spuk vorbei. Im besten Fall.
Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland. 18,2 Prozent aller Fehltage resultieren aus Beschwerden, die das Muskel-Skelett-System betreffen, ein wesentlicher Anteil sind Rückenschmerzen. In München betrug die Zahl der Fehltage aufgrund von Muskel-Skelett-Beschwerden 193 pro hundert Einwohner, zeigt der aktuelle Gesundheitsreport der DAK. Besonders alarmierend: Krankenkassen und Betriebe haben das Angebot zur Prävention und die Anzahl an Rücken-Fit-Kursen in den vergangenen 15 Jahren deutlich erhöht. Doch die Zahl der Rückenkranken sinkt nicht.
Psychische Belastung häufiger in der Stadt
Einen Erklärungsansatz hat Prof. Thomas Tölle, Vertreter der Schmerztherapie im Klinikum rechts der Isar. "Durch die tägliche Belastung im Beruflichen wie im Privaten nehmen die Rückenschmerzen zu." Belastung gehe mit Stress einher – ein Großstadtphänomen?
"Diese psychische Belastung kann verschiedene Ursachen haben, dazu zählen Versagensängste und Zukunftsängste." Probleme, an denen Menschen in der Stadt häufiger leiden als Menschen, die auf dem Land leben. Psychische Leiden würden sich häufig auf den Körper auswirken. Bauch- und Kopfschmerzen, Herzleiden – oder Rückenschmerzen seien typische Symptome.

Die Erkrankungen haben 2017 die meisten Fehltage in der Stadt München verursacht. Die Prozentzahlen zeigen den Anteil am Krankenstand. Grafik: DAK
Nur wenige lassen Rückenschmerzen behandeln
Tölle nennt es einen "körperlichen Schmerz mit psychischen Begleiterscheinungen." Eine vorsichtige Formulierung, um genau zu wissen, wie sich Körper und Psyche beeinflussen, muss der Arzt genauer hinschauen. Das nächste Problem. Tölle nennt ein Beispiel: "An einem Montagmorgen im Winter, an dem das Wartezimmer voller Grippekranker ist, nimmt sich der Arzt etwa drei Minuten Zeit, um die Rückenschmerzen eines Patienten zu behandeln." Eine genaue Nachfrage bleibe meist aus.
Bei der Behandlung von Rückenleiden unterscheiden Mediziner nach akuten Beschwerden, die weniger als sechs Wochen dauern, subakuten Beschwerden von sechs bis zwölf Wochen und chronischen Leiden. Hier hält der Rückenschmerz mehr als drei Monate an. Rund zehn Prozent der Rückenleidenden in Bayern haben chronische Schmerzen. "Akuten Schmerz" hingegen, sagt Prof. Tölle, "den kennt ja jeder von uns." Nur wenige lassen ihn behandeln: Weniger als jeder Dritte in Bayern geht mit Rückenschmerzen zum Arzt.
Rückenschmerzen: So beugen Sie Beschwerden vor
Laut Prof. Thomas Tölle vom Klinikum rechts der Isar machen sich die meisten Betroffenen erst an die Prävention, wenn die Schmerzen bereits da sind. Ideal ist aber, dem Schmerz vorzubeugen, damit dieser erst gar nicht entsteht. Auch psychisch bedingte Leiden können präventiv versorgt werden.
- Stress bei der Arbeit vermeiden oder minimieren (durch besseres Zeitmanagement, weniger Unterbrechungen, weniger Zeitdruck)
- Arbeitsabläufe optimieren (durch Dienstpläne, bessere Kommunikation mit den Kollegen)
- den Arbeitsplatz rückenfreundlich gestalten (Stehpult, falls möglich, anschaffen, Gymnastikbälle, Monitor auf die optimale Höhe einstellen)
- Fitness- und Gesundheitskurse im Betrieb wahrnehmen (wer nicht ohnehin Sport betreibt)
- Bewegung in den Pausen (regelmäßig Pausen einlegen und den Arbeitsplatz verlassen, um zum Beispiel einen Spaziergang zu machen)
- Entspannungsübungen (sowohl während der Arbeit, als auch daheim, zum Beispiel Yoga, Atemübungen)
- Körperhaltung verbessern (häufig gebückte Haltungen und schweres Tragen über eine längere Zeit vermeiden)
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Psychische Leiden verursachen die meisten Fehltage
Im Vergleich zu 2016 nimmt die Anzahl an Erkrankungen in München leicht zu.
In zwei Regionen Bayerns waren die Bewohner 2017 seltener krank als in München. Im Landkreis Starnberg und im Landkreis München lag der Krankenstand bei 2,6 Prozent, in der Stadt München bei 2,9 Prozent und damit unter dem Landesschnitt von 3,6 Prozent. "Insgesamt ist die Stadt München relativ gesund", bilanziert Ulrich Koller, Chef der Krankenkasse DAK München-Mitte, der den Gesundheitsreport für München und Bayern am Dienstag vorstellte.
Seit zwei Jahren verursacht die Psyche die meisten Fehlzeiten in München. Jeder fünfte Arbeitnehmer fällt wegen Stress, Burnout, Depressionen oder seelischen Problemen aus. Diese können sich auf den Körper auswirken und andere Leiden verursachen. Sie nahmen im Vergleich zum Vorjahr leicht zu (219 zu 214 Fehltage pro hundert Versicherte). Atemwegserkrankungen, etwa Erkältungen und Bronchitis, sind die dritthäufigste Ursache für Ausfälle in München. 2017 ist die Zahl im Vergleich zu 2016 klar gestiegen: von 156 zu 175 Fehltagen. Beunruhigend sei das nicht, sagt Koller. "Das liegt an der ein oder anderen Grippewelle."
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Die Münchner haben mit die wenigsten Fehltage in Bayern. (Zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken.) Grafik: DAK
Kranke Münchner fehlen im Schnitt ein bis drei Tage
In München verletzten sich die Arbeitnehmer 2017 deutlich seltener als im Bayern-Schnitt, Infektionen und Atemwegserkrankungen gab es in der Stadt seltener als in anderen Regionen. Deutlich geringer ist der Anteil an Muskel-Skelett-Erkrankungen. Prof. Tölle vermutet: "Der ländliche Bereich ist handwerklicher geprägt." Das löse mehr Muskelerkrankungen aus.
Die meisten Münchner, 36 Prozent, blieben der Arbeit pro Krankheit zwischen ein und drei Tagen fern. Ihr Anteil an der Gesamtfehlzeit ist sehr gering (6,4 Prozent). Langzeiterkrankte mit mehr als 43 Fehltagen sind für fast die Hälfte der gesamten Ausfallzeit verantwortlich.
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