Vom großen Glück, ein Jogging-Junkie zu sein

AZ-Redakteur Ralph Hub trainiert auch, wenn es regnet und der Weg ein Sumpf ist. "Ich bin ein Junkie, ein Jogging-Junkie", sagt er. Lesen Sie hier, wie er sich am Tegernsee auf den Stadtlauf vorbereitet.
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Der laufende Reporter: Ralph Hub
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MÜNCHEN - AZ-Redakteur Ralph Hub trainiert auch, wenn es regnet und der Weg ein Sumpf ist. "Ich bin ein Junkie, ein Jogging-Junkie", sagt er. Lesen Sie hier, wie er sich am Tegernsee auf den Stadtlauf vorbereitet.

Jahrelang hab ich versucht, das vor Familie, Freunden und Kollegen geheim zu halten. Sprüche wie "Joggen macht süchtig" haben mir bestenfalls ein müdes Lächeln entlockt. Trotzig hab' ich dann jedesmal meine Laufschuhe angezogen und bin losgetrabt. Heute gestehe ich: Das Training für den Münchner Stadtlauf ist nix weiter als Tarnung für meine hemmungslose Laufsucht!

"Papa, es regnet, lass es", stöhnt mein Sohn entnervt und verdreht die Augen, als ich mich morgens um sechs Uhr aus dem Haus schleiche. Gut eine Woche ist das jetzt her. Es gießt wie aus Kübeln. Doch ich muss raus an den Tegernsee. 21 Kilometer, einmal rum, ein paar zackige Steigungen inklusive. Meine Lieblingsstrecke, mindestens einmal die Woche muss das sein. Kurzstrecken sind langweilig, die kicken längst nicht mehr. Kein Flash, keine Glückshormone - wie bei 'nem Junkie.

Oben beim Gut Kaltenbrunn warnt mich ein Schild. "Hochwasser" steht drauf. Egal, ich lauf schnurstracks runter zum See und steh' nach ein paar Metern bereits bis zu den Knien im eiskalten Wasser. Treibholz umtanzt mich. Klasse! Halbmarathon nach Kurvater Kneipp. So was hab' ich auch noch nicht erlebt.

Von oben prasselt der Regen, von unten spritzt mir das Seewasser um die Ohren. Die Beine brennen nach kurzer Zeit wie Feuer. "Spinnst du jetzt völlig", jault mein innerer Schweinehund gequält auf. Egal. Sein Gemaule geht im Hochwasser unter. Nicht schlapp machen, weiter.

In Gmund geht's über das Mangfallbrückerl. Ein Hund kläfft mich erschrocken an. Kein Wunder. Ich seh' inzwischen aus wie ein See-Monster aus einem B-Movie: dreckverschmiert und mit Schilfgras um den Beinen. Der Hundebesitzer ruft seinen Fiffi zurück und schüttelt fassungslos dem Kopf. Ich weiß, was der denkt: "Wie kann man nur so blöd sein und bei so einem Sauwetter laufen?"

Die Uferpromenade zwischen Gmund und Tegernsee steht unter Wasser. Blesshühner und Enten paddeln durch die gefluteten Wiesn. Der wildgewordene Jogger in ihrer Mitte macht sie sichtlich nervös. Flügelschlagend suchen sie das Weite.

Am Schlosscafe in Tegernsee ist der Biergarten abgesoffen. Die Holzbänke beim Bootsverleiher treiben träge durchs Wasser. Beim Segelclub treffe ich einen Mann, der mit einem Ruderboot zwischen den vertäuten Segelbooten herumpaddelt. "Bis du der Irre, den ich schon in Gmund gesehen hab?", ruft er. Klar bin ich das. Ich stehe fast bis zum Bauch im Wasser, er sitzt gemütlich in seinem Boot. Wir unterhalten uns. "Warum schwimmst ned glei?", fragt er grinsend. Ich nutz die Laufpause, nehm' einen Schluck Wasser aus meiner Pulle. Komisch, ich bin nass bis auf die Knochen und hab trotzdem einen Brand wie ein Verdurstender in der Wüste.

Im noblen Rottach-Egern haben etliche Grosskopferte nasse Füße bekommen. Vor allem die Besitzer teurer Villen direkt am See versuchen, mit Pumpen ihre voll gelaufenen Keller leer zu bekommen. Auch das Büro eines Immobilienmaklers ist dabei. Schlecht beraten der Mann. Ein schadenfrohes Grinsen huscht mir übers Gesicht. Und das obwohl ich 15 Kilometer Wassertreten hinter mir habe.

Im Wald am Ringsee sieht es aus wie in einem Mangrovendschungel. Die Bäume stehen komplett im Wasser. Ein paar Kilometer weiter wird's richtig skurril - die Seepromenade in Bad Wiessee ist auf ganzer Länge abgesoffen. Dort wo normalerweise Urlauber flanieren und Radler strampeln, schwimmen mir ein paar abenteuerlustige Saiblinge zwischen den Beinen rum - da wird doch der Hund, oder besser gesagt der Fisch in der Pfanne verrückt.

Kaum zurück am Auto, hört der Dauerregen schlagartig auf. Egal, fit für den Stadtlauf bin ich auf alle Fälle. Mal sehen welche Wetterkapriolen der 27. Juni bereithält - auf einen Wasserlauf quer durch den Englischen Garten bin ich jedenfalls bestens vorbereitet.

Ralph Hub

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