Volksentscheid in München: Begehren Sie hier!
Das Volksbegehren gegen Studiengebühren hat begonnen. 940 000 müssen zustimmen. Am ersten Tag wird schon klar: Es wird eng!
Altstadt - Um 10 Uhr war schon Dieter Reiter da. Und Sabine Nallinger. Christian Ude kommt später, um 14 Uhr. Dazwischen: fast nur Senioren. Albert Dietrich winkt sie alle durch, ob OB-Kandidat oder Bürger. „Zu mir! Ausweis raus, da lang bitte“, ruft er durch die Stadt-Information am Rathaus. Manche führt er sanft am Ellenbogen und geleitet sie in den Gang mit der roten Kordel und den gelben Pfeilen auf dem Boden.
Die Leute nicken, stellen sich kurz an und unterschreiben. Es ist Donnerstagmorgen, und sie sind hier, um die Studiengebühren abzuschaffen.
542 Euro pro Semester müssen Studenten in Bayern derzeit bezahlen – 72 Prozent der Bayern wollen das laut Umfragen abschaffen. Damit es zu einem Volksentscheid kommt, müssen in den kommenden zwei Wochen zehn Prozent der bayerischen Wähler mitmachen. 940 000 Unterschriften braucht’s – das sind knapp 68000 pro Tag.
Danach sieht’s gerade nicht aus. Es ist 11 Uhr, 600 haben unterschrieben. Schätzt jedenfalls Albert Dietrich, seit 36 Jahren Leiter der Stadt-Info. „Vui zwenig“, sagt er und zuckt die Schulter. Er kennt sich aus. Es ist das vierte Volksbegehren, bei dem er die Münchner zur Unterschrift empfängt. „Beim Nichtraucher-Volksbegehren war viel mehr los.“
Das könnte an denen liegen, um die es eigentlich geht: die Studenten. In einer Stunde kommen höchstens 20. „Vielleicht sans in der Uni, vielleicht schlaffans no“, sagt Dietrich. „Jetzt sind nur die Omas und Opas da, oder die Eltern, die die Gebühren zahlen müssen.“ Er ruft ein paar Neuankömmlinge zu sich: „Begehren Sie jetzt! Im Februar ist’s zu spät“
Da betritt ein junger Mann die Stadt-Info. Albert Dietrich hebt die Stimme: „Ein Student! Ausgschlaffa?“ Der geht leicht beschämt durch den leeren Gang mit der Kordel. Der ist leer – bis auf einen Mitarbeiter der Stadt-Info. Er nutzt die Gelegenheit und hängt an einer Tafel die aktuellen Flohmärkte aus.
11.13 Uhr: Erste Hochrechnung aus dem Wahllokal. Ganz optimistisch gerechnet sind’s jetzt 1000 Unterschriften. Bis 20 Uhr hat die Stadt-Info geöffnet, das wären also 10000. Albert Dietrich rechnet noch mit ein paar tausend Studenten von der angekündigten Demo am Nachmittag. Also 13000 Unterschriften, bestenfalls. „Des g’langt ned“, sagt Dietrich.
Marie Petra sucht nach Erklärungen: „Es gibt ja noch andere Stellen, wo man unterschreiben kann“, sagt die 26-Jährige, die an der TU Umweltplanung studiert. „Es ist ja auch der erste Tag – Studenten machen ja vieles auf den letzten Drücker.“
Sebastian Scheck (25) macht sich mehr Sorgen. „Das Volksbegehren war in den vergangenen Tagen nicht gerade das große Uni-Gespräch“, sagt der Lehramtsstudent. Ob’s am Ende klappt, wisse er nicht, „aber wenn wir die Studiengebühren nicht abschaffen, ist das echt ein Armutszeugnis“.