Vision und Wirklichkeit in München: Bauruinen statt Vorzeigeprojekte

Die Stadt München hat nun das gleiche Problem wie der Freistaat: Sie hat ein Grundstück in Erbbaurecht vergeben, der Investor ist pleite.
von  Nina Job
Seit Mitte Februar wird an der Adolf-Kolping-Straße 10 nicht mehr gearbeitet. Die Imfarr-Tochter, die hier eine vollautomatische Tiefgarage und darüber ein Bürohaus bauen wollte, hat Insolvenz angemeldet.
Seit Mitte Februar wird an der Adolf-Kolping-Straße 10 nicht mehr gearbeitet. Die Imfarr-Tochter, die hier eine vollautomatische Tiefgarage und darüber ein Bürohaus bauen wollte, hat Insolvenz angemeldet. © Daniel von Loeper

München - München hat ein neues Immobilien-Sorgenkind. Nach den Pleiten von René Benkos Signa, die Bauruinen in bester Innenstadtlage zurückgelassen hat, droht nun eine weitere in Stachus- und Bahnhofsnähe: Mitte Februar wurden die Bauarbeiten für ein begonnenes Vorzeigeprojekt auf städtischem Grund eingestellt. In der Adolf-Kolping-Straße 10, wo früher ein Parkhaus stand, sollte ein fünfstöckiges Gebäude für Büros und Einzelhandel gebaut werden. Darunter war das modernste vollautomatische Parkhaus Deutschlands mit rund 550 Plätzen geplant. "Muc.One" hieß das Projekt.

Vision: So sollte der Bau in der Adolf-Kolping-Straße 10 mal ausschauen. Die Fertigstellung war für 2026 geplant.
Vision: So sollte der Bau in der Adolf-Kolping-Straße 10 mal ausschauen. Die Fertigstellung war für 2026 geplant. © Nightnurse Images

Bauruinen in München: "Ich beobachte die aktuellen Entwicklungen mit großer Sorge"

Zu sehen ist davon: Ein großes, tiefes Loch – und daran wird sich wahrscheinlich länger nichts ändern. Am 20. Februar hat der Projektentwickler Elements of Infrastructure, ein Tochterunternehmen der österreichischen Firma Imfarr, Insolvenz angemeldet. "Ich beobachte die aktuellen Entwicklungen in der Innenstadt mit großer Sorge", sagt Stadtbaurätin Elisabeth Merk dazu.

Was den Anwohnern nun bevorsteht, davon können die Sendlinger ein Lied singen. Dort klafft an der Alramstraße seit Jahren ein riesiges Loch. Mittlerweile ist es voll Wasser gelaufen, Enten haben das Becken für sich entdeckt. Der Müll, der auch darin schwimmt, schreckt sie nicht ab. Hier wollte Projektentwickler Stefan Mayr mit seiner Firma M-Concept teure Eigentumswohnungen bauen. 2019 bekam er die Baugenehmigung. Doch seitdem die Baugrube ausgehoben ist, herrscht Stillstand. M-Concept begründet das mit dem Anstieg von Baukosten und Finanzierungszinsen und dass sich potenzielle Käufer zurückhalten. Bauträger, die ihre Projekte fremdfinanzieren, brauchen jedoch schon vor der Fertigstellung Käufer und Teil-Vorab-Zahlungen, damit Banken schrittweise Kredite auszahlen. 

Ähnliche Grube, aber anderer Ort: Das "Sendlinger Loch" an der Alramstraße vermüllt seit Jahren. Manchmal schwimmen hier Enten.
Ähnliche Grube, aber anderer Ort: Das "Sendlinger Loch" an der Alramstraße vermüllt seit Jahren. Manchmal schwimmen hier Enten. © Hannes Magerstaedt
Vision: In der Alramstraße in München-Sendling wollte der Bauträger M-Concept Eigentumswohnungen bauen. Stattdessen klafft an der Stelle ein riesiges Bauloch.
Vision: In der Alramstraße in München-Sendling wollte der Bauträger M-Concept Eigentumswohnungen bauen. Stattdessen klafft an der Stelle ein riesiges Bauloch. © M-Concept

Auch in der Adolf-Kolping-Straße hätten stark gestiegene Kosten zum Baustopp geführt, sagt Michael Koschier, Geschäftsführer der insolventen Imfarr-Tochter Elements of Infrastructure. Er teilte mit, dass eine Nachbarschaftsklage um Wasserrechte zu monatelangen Verzögerungen geführt habe. Dann habe man die Arbeiten forcieren müssen, die Kosten stiegen – und letztlich hätten die Banken einen Rückzieher gemacht.

Erbbaurecht für städtische Grundstücke: Nun steckt München in der Klemme

Anders als in der Alramstraße handelt es sich hier um ein städtisches Grundstück. Damit hat die Stadt nun ein Problem. Sie hatte es im Erbbaurecht vergeben. Nach Informationen der "SZ" war eine Einmalzahlung von 20 Millionen Euro vereinbart. Außerdem wäre ein Basis-Erbbauzins von 428.000 Euro im Jahr fällig geworden plus eine mögliche Umsatzbeteiligung am Parkhausgeschäft. Ab Oktober 2025, so die "SZ", hätte jährlich eine Million Euro an die Stadt fließen sollen.

Es ist noch gar nicht lange her, da hatte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) mit dem Finger auf den Freistaat gezeigt, der ebenfalls eine Immobilie in Erbbaurecht vergeben hatte an eine Gesellschaft, die pleite ging: nämlich die Alte Akademie an René Benkos Signa.

Benkos Prestigeobjekt in München: Die Baustelle Alte Akademie steht seit November still. Der Freistaat hofft auf einen neuen Investor, der in den Erbaurechtsvertrag einsteigt.
Benkos Prestigeobjekt in München: Die Baustelle Alte Akademie steht seit November still. Der Freistaat hofft auf einen neuen Investor, der in den Erbaurechtsvertrag einsteigt. © IMAGO/Sven Simon

Der OB ermahnte die CSU-geführte Regierung "alles zu tun" für "eine schnelle Lösung." Nun steckt die grün-rote Stadtregierung in einem ähnlichen Dilemma. Von der Pleite der Imfarr-Tochter hatte man erst aus der Zeitung erfahren. Das Kommunalreferat teilte nun mit: "Die Stadt prüft bereits das sinnvollste weitere Vorgehen."

Zwischen René Benkos Signa und der Imfarr gibt es Parallelen

Zwischen dem Benko-Imperium und der Imfarr gibt es einige Parallelen: Beide Gründer sind aus Österreich, expandierten stark mit ihren familiengelenkten Unternehmen. Und sowohl Benko als auch Imfarr-Gründer Nemat Farrokhnia, ein ehemaliger Investmentbanker, waren bestens politisch vernetzt. Im Aufsichtsrat der Signa saß der österreichische Ex-Kanzler der Sozialdemokraten, Alfred Gusenbauer. Am Donnerstag kündigte er seinen Rückzug an. Auch bei der Imfarr spielten hohe Ex-Politiker der Sozialdemokraten wichtige Rollen. Laut "SZ" kam Ex-SPÖ-Kanzler Werner Faymann nach München, um OB Reiter Imfarr-Projekte vorzustellen. Reiter habe ihn zum Planungsreferat geschickt.

Die Imfarr ist in München schon aktiv gewesen: 2021 hatte sie die "Highlight Towers" in der Nähe vom Nordfriedhof gekauft. Auch der riesige Büroneubau "Elementum", der an der Bayerstraße entsteht, gehörte zum Unternehmen – die Mehrheitsanteile gingen aber 2023 an einen Investor aus den USA, der den Bau fortführen will. Im Münchner Osten will Imfarr ein Großprojekt mit Gewerbe- und Bürobauten mitentwickeln.

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