Virus-Experte: „Die Schweinegrippe wird über uns hinwegfegen“

MARKT SCHWABEN - Wegen dem Schweinegrippe-Virus sind in Bayern derzeit zwei Schulen geschlossen. Auch eine siebte Klasse in Neufahrn ist freigestellt. Doch: Wie gefährlich ist das Virus? Experte Dr. Nikolaus Frühwein klärt auf.
Weil zwei 15-jährige Schüler an Schweinegrippe erkrankten, wurde das Franz-Marc-Gymnasium in Markt Schwaben (Kreis Ebersberg) geschlossen. Für bis zu 1300 Schüler fällt damit der Unterricht aus (AZ berichtete). Seit Montag ist auch das Bayreuther Richard-Wagner-Gymnasium geschlossen. Und am Oskar-Maria-Graf-Gymnasium in Neufahrn wurde eine siebte Klasse bis einschließlich Montag nach Hause geschickt. In allen Fällen der erkrankten Schüler ist der Verlauf der H1N1-Erkrankung mild. Grippeexperte Dr. Nikolaus Frühwein beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.
AZ: Herr Frühwein, viele Schüler müssen wegen der Schweinegrippe zuhause bleiben.
NIKOLAUS FRÜHWEIN: Die neue Grippe ist sehr ansteckend und so kann die Verbreitung des Erregers sicher eingedämmt werden. Aber dass gleich ganze Schulen geschlossen werden, finde ich nicht so gut. Ich denke, man muss angemessen auf die Einzelerkrankungen reagieren und die Betroffenen gut aufklären.
Trotz der hohen Ansteckungsgefahr verläuft die Grippe in den hiesigen Fällen aber mild.
"Die Dunkelziffer ist sehr hoch."
Ja, und weniger lang als saisonale Grippen. Weil viele gar nichts von der Erkrankung merken, ist die Dunkelziffer sehr hoch. Die Menschen, die weltweit an der Grippe starben, scheinen alle eine Vorerkrankung gehabt zu haben.
Ist die Grippe also gar nicht so gefährlich?
Im Moment geht in Deutschland von ihr sicher weniger Gefahr aus als von saisonalen Grippen, die von Dezember bis April auftreten. Dann sterben hierzulande 5000 bis 10000 Menschen mehr als in den restlichen Monaten. Trotzdem darf man H1N1 nicht unterschätzen. In den Wintermonaten wird das Virus noch über uns hinwegfegen.
Würde es dann noch nützen, Schulen prophylaktisch zu schließen?
"Anstecken kann man sich überall, in der Tram, im Kino."
Nein. Wenn es mehr wird, kann man sich überall anstecken, auch in der Trambahn oder am Kino.
Gut, dass es bald einen Impfstoff geben wird.
Er wird schon produziert, muss aber noch die Zulassungsprozedur durchlaufen. Ende Juli wird die erste Firma den Impfstoff zur Verfügung stellen.
Sollte man dann zu einer allgemeinen Impfung aufrufen?
Nein. Wegen des milden Verlaufs ist das nur chronisch Kranken zu empfehlen.
Im Moment können die Grippemittel Tamiflu und Relenza den Verlauf der Erkrankung abschwächen. Doch das Virus könnte schon morgen dagegen resistent sein.
"Es könnte noch schlimmer kommen, wenn das Virus mutiert."
Ja. Und es könnte noch schlimmer kommen. Wenn es gefährlich mutiert, könnte auch der gerade entwickelte Impfstoff nicht mehr wirken.
Die Fälle an den bayerischen Schulen zeigen: Es erkranken überwiegend Jüngere an Schweinegrippe. Warum?
Ältere Leute haben im Lauf des Lebens schon mehrfach Grippen durchgemacht und Antikörper entwickelt. Die scheinen gegen das Virus zu helfen. Trotzdem kann jeder Einzelne etwas tun: Sich die Hände waschen.
Interview: Verena Duregger