Viktualienmarkt: Fünf Jahre Baustelle!
"Es wird eine Operation am offenen Herzen": Eines der Wahrzeichen Münchens soll erneuert werden. Aber wie? Die AZ erklärt die Positionen der Beteiligten
München - Am heutigen Donnerstag wird Kommunalreferentin Gabriele Friederich bei der Sitzung im Kommunalausschuss den Bericht des Tüv Rheinland über den Zustand der vier festen Münchner Märkte vortragen. Die Mängelliste ist lang (AZ berichtete), die Konsequenz unausweichlich: Die Märkte müssen saniert werden.
Höchste Dringlichkeit hat dabei der Viktualienmarkt. Frühestens 2013, vielleicht erst 2014 werden die Bauarbeiten beginnen, bis 2018 sollen sie abgeschlossen sein. „Es wird eine Operation am offenen Herzen“, sagt Bernd Plank vom Kommunalreferat. Nach und nach sollen die Buden saniert werden, der Betrieb wird aufrecht gehalten. „Einen Ensembleschutz – im Gegensatz zu Teilen der Großmarkthalle – gibt es hier nicht“, so Plank.
Wie soll das Wahrzeichen im Zentrum der Stadt nach der Sanierung aussehen? Was darf, was muss sich verändern? Die AZ sprach mit Kunden, Händlern, und Beteiligten über die Themen, auf die es beim Viktualienmarkt ankommt.
HYGIENE
]Viele Standlbesitzer haben kein fließendes Wasser, sie holen es aus den Brunnen. Keller sind marode oder nur 1,10 Meter hoch. Oberflächen sind schwer zu reinigen, Toiletten für Besucher und Personal fehlen ganz. Die Hygienesituation ist „verbesserungswürdig“, heißt es im Bericht des Tüv Rheinland.
TRADITION
Sie zu wahren ist vor allem den Standlbesitzern ganz wichtig. „Das Alte hat seinen eigenen Charme“, sagt Standlmann Hans Bibinger. „Die Besucher finden den Markt schön, weil er so traditionell ist“, bestätigt Sevda Sadak, die südländische Spezialitäten verkauft. Der Wunsch, die Tradition zu wahren, geht bei vielen einher mit der Angst vor Veränderung. Dagegen sagt Michael Ritter, Referent für Bräuche beim bayerischen Landesverein für Heimatpflege: „Traditionen müssen nicht immer die gleiche Form haben. Bräuche passen sich veränderten Lebensformen an.“ Allerdings mahnt er: „Der Viktualienmarkt darf sein Gesicht nicht verlieren!“
GASTLICHKEIT
„Je gastlicher der Markt ist, desto mehr lädt er zum Verweilen an“, sagt Brauch-Experte Michael Ritter. „Das ist von zentraler Bedeutung.“ Einige Standlbesitzer befürchten aber, dass mit der Sanierung Sitzplätze wegfallen werden, die bislang unter Markisen oder freiem Himmel toleriert wurden. Das würde Umsatzeinbußen mit sich bringen. Die Händler, die keine Getränke und Speisen anbieten, lässt das eher kalt. Manuela Rannefeld von Erika’s Blumenladen meint: „Was der Markt nicht braucht, ist noch mehr Gastronomie. Das ist ein Markt zum Einkaufen und so soll es bleiben!“
ENSEMBLE
„Das Gesamtbild der Stände, wenn sie geschlossen sind, könnte etwas ordentlicher werden“, meinen sogar Standlverkäufer wie Karin Schmid (Caseus). Brauchtums-Experte Ritter mahnt: „Harmonisch darf nicht einheitlich heißen, das ginge auf Kosten der Attraktivität. Es darf nicht alles bis ins Letzte reglementiert werden. Standlbesitzer Klaus Trübenecker schimpft: „Die Gärtnerstände an der Frauenstraße waren früher so schön. Jetzt wurden sie für eine Million neu gemacht. Und nun ist das ganze Eck tot!“
VIELFALT
Angeblich sollen die neuen Stände künftig eine Mindestgröße haben. Kritiker fürchten, darunter müsse die Vielfalt leiden. Volkskundler Michael Ritter vom mahnt: „Die Vielfalt ist von zentraler Bedeutung.“
DAS VORBILD
Der Stand der Allgäuer Demeter-Bio-Bauern St. Michaelshof an der Frauenstraße gilt stadtintern als gelungenes Beispiel für eine Marktbuden-Sanierung. Bio-Bäuerin Andrea Heppeler: „Wir haben mit einem Schirmstand und einem Tisch angefangen und schließlich das ganze Häuschen mit sehr viel Eigeninitiative saniert.“ Nur das Dach blieb auf Stützen stehen. Die Bude wurde ausgehöhlt und mit Zedernholz ausgekleidet, der Keller saniert. Ironie des Schicksals: „Damals haben uns die Behörden viele Steine in den Weg gelegt. Wir sind von Pontius zu Pilatus gelaufen.
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