Vier Sonntage ohne Auto – ein echter Flop

Vor 40 Jahren: Wegen der Ölkrise werden Privatfahrten verboten. Ein ehemaliger Taxler aus München erinnert sich an die Folgen. Die kuriosen Bilder.
von  Rudolf Huber
So sieht es am ersten autofreien Sonntag in der Stadt aus: Eine Pferdekutsche fährt durch die leere Ludwigsstraße.
So sieht es am ersten autofreien Sonntag in der Stadt aus: Eine Pferdekutsche fährt durch die leere Ludwigsstraße. © SZ-Archiv

Vor 40 Jahren: Wegen der Ölkrise werden Privatfahrten verboten. Ein ehemaliger Taxler aus München erinnert sich an die Folgen

München -  Der Schock saß tief vor 40 Jahren. Die Opec drehte den Ölhahn zu, setzte die Preise drastisch rauf. Deutschland steuerte geradewegs auf eine massive Energiekrise zu. Die Bundesregierung reagierte – und verhängte für vier Sonntage ein Fahrverbot. „Ein Schlag ins Wasser“, sagt der Münchner Rainer Henning – er war damals als Taxler unterwegs.

„Vorbildliche Autofahrer“, „Enttäuschte Taxifahrer“ „Waldluft am Stachus“ titelte die AZ an den autofreien Sonntagen am 25. November, 2., 9. und 16. Dezember 1973. Viel war nicht los auf den Straßen – nicht nur wegen des Fahrverbots. Das Wetter war ziemlich mies, Regen und Graupelschauer begleiteten etwa die damalige Zirkus-Prinzessin Christel Sembach-Krone auf ihrer Kutschfahrt über den still ruhenden Stachus.

„Auf der Leopoldstraße habe ich Witzbolde mit VW-Bussen gesehen“, erinnert sich Ex-Taxler Henning. „Einer hatte ein Pferd vorgespannt, die anderen ließen sich von drei, vier Spezln ziehen.“

Für die Taxler endete der Traum vom tollen Umsatz kläglich. „Jeder hat sich ein gutes Geschäft erwartet“, so der inzwischen 65-Jährige. „Aber die Leute sind wegen des Wetters daheim geblieben.“ Und nicht nur das: Weil’s die Straßen so leer waren, ließen’s manche Taxler ein bisserl krachen – einer wurde mit 86 Sachen in der Stadt geblitzt. Vier seiner Kollegen verursachten kleinere Karambolagen – Taxi gegen Taxi ...

Insgesamt entpuppte sich die ganze Fahrverbots-Aktion sehr schnell als blinder Aktionismus. Die Einsparungen an Sprit hielten sich in sehr übersichtlichen Grenzen. Und über die sonstigen Folgen des Fahrverbots für Privatleute hatten sich dessen geistige Väter sowieso keine Gedanken gemacht: Ausflugslokale und Skigebiete meldeten katastrophale Besucherzahlen. Am Spitzing entdeckte der damalige AZ-Lokalchef Günter Reimann Ski-Fans, die ihre Brettl mangels Auto auf dem Radl die Straße hoch schoben.

Böse erwischte es einen Schreiner (24) aus dem Landkreis Miesbach: Der war auf einem Fest berauscht eingeschlafen und hatte den autofreien Tag völlig vergessen, als er aufwachte und noch reichlich berauscht heim fuhr. Nach der Polizeikontrolle wegen des Fahrverbots war der Führerschein weg.

Die Münchner Polizei hatte nach dem ersten autofreien Sonntag eine überaus positive Bilanz gezogen: „So viel Disziplin habe ich noch nie erlebt“, schwärmte Polizeipräsident Manfred Schreiber. Oberpolizeirat Reinhard Rupprecht ergänzte: „Die 300 Sonderpolizisten kontrollierten 4356 Autofahrer. Nur 25 von ihnen waren Schwarzfahrer!“

Der Rest hatte eine der anfangs noch sehr spärlichen, sich dann aber von Sonntag zu Sonntag epidemisch vermehrenden Ausnahmegenehmigungen. Am letzten „autofreien“ Sonntag, am 16. Dezember 1973, so melden Chronisten, gab es schon so viele Ausnahmen, dass es wieder zu den üblichen Staus kam.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.