Viele Studenten bleiben zu Hause wohnen
Zu Weihnachten machen sich viele Studierende auf den Weg in ihre Heimatstadt, um mit der Familie zu feiern. Doch nicht alle packen die Koffer.
München – Die Eingangshalle der Ludwig-Maximilians-Universität München schmückt ein Christbaum, mit Lichterkette und einem Stern auf der Spitze. Wie viele Studenten reist Philipp, Lehramtsstudent im ersten Semester, an Weihnachten nach Hause zu den Eltern. Allerdings pendelt der 18-Jährige sogar fast täglich zwischen Seminarraum und Kinderzimmer in der Nähe von Augsburg. Wie viele Studenten: Bundesweit wohnen 23 Prozent noch bei den Eltern, wie eine Erhebung des Deutschen Studentenwerks zeigt. „Zu Hause hat man einfach seine vertraute Umgebung und kann gut lernen“, sagt Philipp.
Nach der WG ist das die zweithäufigste Wohnform deutscher Studierender. Obwohl Hochschüler ins Ausland gehen und Unternehmen Flexibilität voraussetzen, hat sich die Zahl seit den 1990er Jahren nicht merklich verändert. Auch in München, Erlangen-Nürnberg und Würzburg liegt ihr Anteil laut Studentenwerk im bundesweiten Durchschnitt. Ein Sprecher des Studentenwerks Erlangen-Nürnberg spricht sogar von einem „deutlichen Aufwärtstrend.“
„Es ist einfach billiger, zu Hause zu wohnen,“ sagt Philipp. München ist laut Deutschem Studentenwerks nach Köln die zweitteuerste Hochschulstadt in Deutschland bei Miete und Nebenkosten. „Ich denke die meisten würden sowieso am liebsten in einem Ein-Zimmer-Appartement leben – das ist in München aber schwer zu finden“, sagt Julia Wölfle, Sprecherin des Studentenwerks München. Auch Uwe Scheer vom Studentenwerk Erlangen-Nürnberg hält die Wohnsituation für schwierig: Es gebe zu wenige Plätze, und die seien auch noch sehr teuer.
Nicht immer wird im Hotel Mama unfreiwillig eingecheckt. Zu Hause ist es bequem, und die Wäsche wird noch gewaschen. „Da bin ich noch verwurzelt mit allem, Sportverein, Musik und auch meine ganzen Freunde sind natürlich da“, sagt Philipp.
Doch Stefan Grob, Pressesprecher des Deutschen Studentenwerks, warnt davor, diese Studierende als faule Nesthocker abzutun. Vielmehr vollziehe sich ein Wertewandel: „Eltern und Studierende begreifen ein Studium heute als gemeinschaftliches Projekt.“ Heute seien die Eltern bei der Erstsemesterbegrüßung, der Unterschreibung des Mietvertrags oder auf dem Bafög-Amt dabei. Studenten stehen unter Druck, sie müssen schnell und erfolgreich studieren, Praktika anhäufen und Fremdsprachen sprechen. Die Haltung gegenüber einem Studium habe sich total verändert, sagt Grob. Gerade junge Studenten bringen nach der G-8-Reform, nach der teilweise mit 18 Jahren ihr Studium beginnen, häufig ihre Eltern mit.
„Das kann ich bestätigen, dass die Eltern sehr stark mit ihren Kindern das Studium bestreiten“, sagt Frank Tegtmeier, Abteilungsleiter Wohnen des Studentenwerks Würzburg: Wohnheime würden in Anwesenheit der Eltern angemietet, und manche schauten auch regelmäßig vorbei, um die Zimmer der Kinder zu reinigen.
Philipps Kommilitone Johannes pendelt jeden Tag fast zwei Stunden vom Heimatort zur LMU. Seine Eltern bezahlen ihm das Studium, deshalb wollten sie auch mit zur Einschreibung, sagte der 18-Jährige. Aber er wolle so selbstständig wie möglich sein.
Zu Hause zu wohnen wirkt sich nicht gleich negativ auf die Entwicklung des Studierenden aus, sagt Marita Luger, Leiterin der Psychologischen Beratungsdienste des Studentenwerks Erlangen-Nürnberg. Aber so versorgt und behütet, werde mancher auch geschwächt: „Geschwächt in dem normalen Antrieb den ein junger Mensch hat, sein Leben auf eigenständige Beine zu stellen.“
Philipp und Johannes überlegen, ob sie im Verlauf des Studiums ausziehen. „Es ist schon hart“, sagt Philipp. „Heute musste ich um halb sechs aufstehen, um hier zu sein.“