Videoüberwachung: Altstadt-Kameras im Check

Nach AZ-Bericht: Datenschützer überprüfen die vielen Überwachungskameras in der Münchner Fussgängerzone und finden dabei Erstaunliches - sogar nutzlose Attrappen
von  Myriam Siegert

München - "Fussgängerüberwachungszone" taufte die AZ im April die Kaufinger- und Neuhauser Strasse. Ein AZ-Reporter hatte sich in der hochfrequentierten Einkaufsmeile ganz genau umgesehen - und viele, viele Kameras entdeckt. Ob die alle erlaubt sind?

Für das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA), die Behörde, die über die Einhaltung des Bundesdatenschutzgesetzes und andere Vorschriften im nicht-öffentlichen Bereich wacht, waren die AZ-Recherchen auf jeden Fall Anlass genug, vor Ort nachzuforschen.

27 Geschäfte in der Fussgängerzone wurden von der Behörde überprüft. Dabei wurden die Unternehmen schriftlich aufgefordert, detailliert Auskunft über ihre Videoüberwachung zu geben. Ausserdem mussten die Geschäfte Beispielbilder der Kameras einschicken, nur so kann etwa der Winkel des Aufnahmebereichs überprüft werden. Der Hintergrund: Videoüberwachung ist für private Stellen nur zulässig, wenn sie "zur Wahrnehmung des Hausrechts oder berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen".

Im Fragenkatalog der Datenschützer an die Unternehmen ging es deshalb konkret darum, wie, wo und wie viele Kameras eingesetzt werden, und welche Bereiche gefilmt werden. Ob und wie lange die Daten gespeichert werden und wer Zugriff darauf hat. Ausserdem darum, welchem Zweck die Überwachung dient und ob nicht andere Mittel eingesetzt werden könnten.

Mit den Antworten zeigten sich die Datenschützer zufrieden. In keinem der Bereiche gab es erhebliche Verstösse, sagt Thomas Kranig, der Präsident des Landesamts für Datenschutzaufsicht. Alle Geschäfte gaben an, die Kameras zum Schutz vor Diebstahl und Vandalismus oder für den Schutz von Mitarbeitern und Kunden vor Übergriffen angebracht zu haben. Gefilmt werden vor allem Eingangs- und Kassenbereiche und verwinkelte Ecken der Geschäfte - alles im erlaubten Mass.

Allerdings: Die Angaben wurden von der Behörde nicht vor Ort überprüft. Landesamt-Präsident Kranig erklärt, dafür habe es keinen Anlass gegeben. Die meisten Auskünfte seien plausibel gewesen. Er erklärt ausserdem: "Unsere Behörde hat 17 Mitarbeiter." Diese Form der Überprüfung sei die übliche Vorgehensweise und "das, was wir mit unseren Mitteln machen können".

Ein paar kleine "Unzulänglichkeiten" wurden bei der Prüfung aber schon festgestellt. "Manchmal war hier Unkenntnis, manchmal Schlamperei mit den Vorschriften erkennbar", sagt Kranig.

Ein Beispiel: Bei den vorgeschriebenen Hinweisschildern auf die Überwachung liessen die Datenschützer nachbessern. "Manche waren winzig klein und kaum lesbar, manchen hingen so, dass man sie nicht sehen konnte", sagt Kranig. Bei vier Geschäften reichten den Datenschützern ausserdem die schriftlichen Auskünfte nicht. In einer angekündigten Kontrolle schauten sie sich am Dienstag die Überwachungsbedingungen vor Ort an.

Bemerkenswert fand die Behörde, dass sich viele der Kameras als funktionslose Attrappe entpuppten, mit blossen Auge sind die nicht zu unterscheiden.

Kranig ist aber zufrieden: "Wir haben den Eindruck, dass die Unternehmen die Regelungen einhalten wollen."

 

Wo die Kameras hängen:

 

1. Stachus, Justizpalast: Eine Kamera an der Wand filmt den S-Bahn-Aufgang.

2. Prielmayerstrasse, Justizpalast: Eine Kamera am S-Bahn-Aufgang. Es sei nicht zu vermeiden, dass Teile der Umgebung des Gebäudes, die im Blickwinkel der Kamera liegen, mit angezeigt werden, so ein Sprecher des Justizministeriums.

3. Prielmayerstrasse, Haupteingang Justizpalast: Eine Kamera filmt den Nachtbriefkasten, aber auch den Gehsteig.

4. Stachus, Königshof: Eine Kamera der Polizei beobachtet den Platz vom Dach des Luxushotels - sie steht links neben dem "Degussa"-Schriftzug.

5. Neuhauser Str. 10, Telekom-Shop: Der Bildschirm im Laden zeigt das Kamerabild. 

6. Neuhauser Strasse/Augustinerstrasse, Polizeipräsidium: Neben dem Jagdmuseum hängt eine Dome-Kamera der Polizei. Sie soll laut Polizeisprecherin "den Bereich des Präsidiums überwachen". Was sie konkret filmt, bleibt geheim.

7. Augustinerstrasse/Neuhauser Strasse: Wer im Container der Münchner Bank Geld abhebt, wird dabei gefilmt - sagt jedenfalls ein Hinweisschild.

8. Kaufingerstrasse 28, Hirmer: Eine Kamera hängt hinterm Eingang. Ob und wie weit sie die Strasse filmt, ist nicht zu erkennen.

9. Kaufingerstrasse 26, Juwelier Christ: Eine Kamera ist auf die Strasse gerichtet.

10. Kaufingerstrasse 22, "New Yorker": Zwei Kameras hängen direkt über der Tür des Kleidungsgeschäfts.

11. Kaufingerstrasse 16, Eingangstür des J. Lindauer Verlags: Über der Klingel ist eine Kamera installiert.

12. Kaufingerstrasse 14, "Zara": Eine Dome-Kamera hängt am Eingang. Wie weit sie filmt, ist nicht zu erkennen.

13. Kaufingerstrasse 12, Parfümerie Douglas: Eine Dome-Kamera hängt im Türbereich.

14. Kaufingerstrasse 10, Deichmann: Hinter der Tür des Schuhgeschäfts hängen vier Dome-Kameras.

15. Kaufingerstrasse 6, Telekom-Store: Eine Kamera ist auf den Eingang gerichtet.

16. Kaufingerstrasse 4: Unter den Arkaden hat Juwelier Peter Bley eine Kamera installiert.

17. Kaufingerstrasse 1: In zehn Metern Höhe hängt eine alte Webcam der Telekom-Firma Alcatel. Laut Kommunalreferat ist sie ausser Betrieb.

18. Marienplatz 11, Ludwig Beck: Am Haupteingang hängen hinter der Tür mehrere Dome-Kameras. Sie filmen laut Sicherheitsdienst nicht hinaus. Beck hat auch eine Webcam installiert, die den Marienplatz filmt.

19. Marienplatz 16, Bijou Brigitte: Eine Kamera ist auf den Eingang gerichtet. Eine Dome-Kamera hängt rechts gleich hinter der Tür.

20. Marienplatz 16, Hallhuber: Hinter der Tür ist eine Kamera auf den Eingang gerichtet.

21. Marienplatz 19, 02-Shop: An der Decke hinterm Eingang hängt eine Dome-Kamera.

22. Marienplatz 22, Hugendubel: Grosse Dome-Kamera im Eingangsbereich.

23. Marienplatz 22, Cafe am Marienplatz: Bei der Geburtsstätte der Münchner Weisswurst hängt eine Kamera draussen am Eingang.

24. Marienplatz 25, "Orsay": Eine Kamera ist auf Eingang und Strasse gerichtet.

25. Marienplatz 28, "Wormland": Eine Dome-Kamera ist auf den Eingang gerichtet.

26. Kaufingerstrasse 5, Juwelier Christ: Eine Kamera zeigt in Richtung Eingang.

27. Kaufingerstrasse 7, "Orsay": Eine Kamera hängt in Richtung Tür.

28. Neuhauser Strasse 5: Auf halbem Weg zum Schuhgeschäft Roland filmt eine Kamera die Passage. Wem sie gehört? Unklar.

29. Neuhauser Strasse 13, Ludwigsapotheke: Der hauseigene Bildschirm zeigt das Kamerabild.

30. Neuhauser Strasse 15: Drei Kameras überwachen die Passage, die rechts am Modegeschäft "Kult" entlangführt.

31. Neuhauser Strasse 17, "Tally Weijl": Über der Türschwelle des Modegeschäfts sind zwei Spezialkameras angebracht. Sie sind dazu gedacht, ein- und ausgehende Kunden zu zählen.

32. Neuhauser Strasse 29, Boutique "Ann Christine": Eine Kamera filmt den Eingang. Ein Bildschirm zeigt: Sie filmt dabei auch bis zu zehn Meter auf die Strasse raus.

33. Neuhauser Strasse 35, Juwelier Christ: Eine Kamera ist auf den Eingang gerichtet.

34. Neuhauser Strasse 37, Swarovski: Ein Kamera-Auge über der Tür stiert auf die Strasse.

35. Neuhauser Strasse 45, O2-Shop: Ein Meter hinter der Tür sind drei Dome-Kameras.

36. Karlsplatz 10, SB-Center der Deutschen Bank: Zwei Kameras überwachen die Geldautomaten.

 

 

 

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