VHS-Chef geht in den Ruhestand: Viel mehr als "nur" was lernen

Klaus Meisel geht nach 15 Jahren als VHS-Chef in den Ruhestand. Warum er Bildung für Erwachsene für so wichtig hält, was er in München gelernt hat und was er an der VHS mag? Die Leute lernen freiwillig.
von  Emily Engels
Klaus Meisel hört als VHS-Chef auf - und zieht aus München weg.
Klaus Meisel hört als VHS-Chef auf - und zieht aus München weg. © Daniel von Loeper

München - "Man darf Menschen nicht unterschätzen", sagt Klaus Meisel und lacht dabei freundlich. Mit dem 67-Jährigen muss man keine fünf Minuten an einem Tisch sitzen, um zu begreifen, dass und warum er seiner Arbeit als Managementdirektor der Münchner Volkshochschule (MVHS) fast 15 Jahre mit so großer Leidenschaft nachgegangen ist.

MVHS: Ort, an dem Menschen zusammenkommen

Meisel sieht die MVHS als einen Ort, an dem die verschiedensten Menschen zusammenkommen - und doch alle eins gemeinsam haben: ihre Wissbegierde, den Willen, sich mit neuen Themen auseinanderzusetzen. "Was ich an der Erwachsenenbildung besonders schön finde", erklärt er, "ist, dass die Menschen freiwillig kommen. Es gibt keine Pflichten, keine strengen Lehrpläne - und sie ist offen für alle."

Für Pädagogik interessiert hat sich der scheidende VHS-Chef schon sehr lange. Meisel hat Deutsch, Mathe und Politik auf Lehramt studiert und danach 28 Jahre lang am Leibniz-Institut für Erwachsenenbildung in Bonn gearbeitet. 2006 ist er nach München gekommen - um zusammen mit Programmdirektorin Susanne May die Münchner Volkshochschule zu leiten. Als Managementdirektor war Meisel zuständig für Finanzen, Personal-, Organisations- und Standortentwicklung.

Meisel: "Münchner Bevölkerung sehr wissbegierig"

Als er bei der MVHS angefangen hat, gab es dort jährlich 12.500 Veranstaltungen - und 171.000 Belegungen. Jetzt sind es 250.000 Belegungen bei 19.000 Veranstaltungen pro Jahr. "Eine starke Entwicklung", sagt Meisel. Doch der Noch-Chef bleibt bescheiden - und schreibt sich den Erfolg nicht primär selbst zu. Er erklärt stattdessen: "Die Münchner Bevölkerung ist sehr wissbegierig."

Was Meisel mindestens genauso sehr begeistert wie das Bildungsangebot der VHS als solches, ist der gesellschaftliche Zusammenhalt, den man seiner Ansicht nach in den VHS-Kursen erfährt. "Eines der Hauptanliegen der MVHS ist, Menschen zusammenzubringen", sagt er. Bei den Kursen kommen die verschiedensten Menschen unterschiedlichsten Alters zusammen. Meisel: "Bei den Kursen lernt man nicht nur etwas zu dem Thema, sondern auch, respektvoll mit anderen Lebenskonzepten umzugehen."

Immer aktuelle Themen im Blick

Der scheidende Managementdirektor ist überzeugt davon, dass die MVHS als solche ein "selbstlernendes System" ist, das ständig aktuelle Themen und Bedürfnisse im Blick haben und auf sie eingehen muss. Er nennt ein Beispiel aus dem Jahr 2015. Da hat die MVHS den Programmschwerpunkt Flucht und Migration angeboten - und um die 10.000 Anmeldungen bekommen. Meiser: "Auch in diesem Fall lagen wir mit dem Thema richtig."

Doch für ihn haben nicht nur die großen politischen Themen ihre Berechtigung im Programm. Faszientraining, Tibetisch oder vegane Kochkurse - auch das sei alles wichtig, sagt Meisel. Er erklärt: "Bei der MVHS müssen wir ständig im Blick behalten, wo sich Bedürfnisse verändern - und dem im Programm wie der Standortentwicklung und Raumoptimierung nachgehen."

Münchner VHS ist mit Stadt räumlich gewachsen

Apropos Räumlichkeiten. Innerhalb der fast 15 Jahre, in denen Meisel MVHS-Chef war, ist nicht nur die Stadt gewachsen - sondern die MVHS mit ihr. 2008 hat der Stadtrat bewilligt, das Haus Buchenried am Starnberger See zu modernisieren - 2013 wurden die Arbeiten abgeschlossen.

2017 wurde das Bildungszentrum "Einstein 28" am Max-Weber-Platz eröffnet, 2018 der Standort Moosach - Stadtteilzentren in der Messestadt Riem, Obersendling/Solln und Freiham folgen in den nächsten Jahren. "Die Volkshochschule soll nicht nur inhaltlich, sondern auch räumlich nah am Menschen sein", so Meisel.

"Innovationsschub" im Corona-Jahr

Besonders heuer, im Corona-Jahr, hat die MVHS bewiesen, wie ernst sie selbst es nimmt mit dem lebenslangen Lernen. Die etwa 800 Dozenten haben an Online-Fortbildungen teilgenommen - um weitgehend auf ein Online-Angebot umzustellen. "Die Dozenten und Mitarbeiter haben sich als ausgesprochen agil erwiesen - wir haben einen unglaublichen Innovationsschub erfahren", so Meisel.

Damit meint er auch die etwa 450 Hauptbeschäftigten bei der VHS. Etwa 300 unter ihnen mussten quasi von heute auf morgen ins Homeoffice.

VHS künftig digital statt analog?

Wegen der Corona-Pandemie wird im Frühling noch etwas wegfallen: Das 770 Seiten dicke Nachschlagwerk, in dem alle Kurse verzeichnet sind, wird es in der kommenden Saison - coronabedingt - nicht geben, das Programm wird nur online erscheinen.

Wird dadurch nicht gerade das ältere Publikum ausgeschlossen? Meisel glaubt, dass das nicht der Fall sein wird. Denn die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass es generationsspezifische Barrieren kaum mehr gibt, sich auch ältere Teilnehmer immer häufiger online für Kurse anmelden.

Online wird auch die Verabschiedung von Meisel stattfinden. "Es ist einfach so - man muss auch aus dieser Situation das Beste machen", sagt er zwar dazu. Doch an seinem Blick kann man erkennen, dass er sich viel lieber persönlich von seinen Mitarbeitern verabschiedet hätte.

Zurück in die Heimat - Weg aus München

Für Meisel bedeutet der Abschied von der MVHS auch der Abschied von München. Denn er wird auch seine Einzimmerwohnung am Kufsteiner Platz, von der aus er immer heimgependelt ist, verlassen. Heimat, das ist für ihn das hessische Groß-Umstadt am Rande des Odenwaldes, wo auch seine Frau und seine vier Söhne wohnen.

In seiner Münchner Zeit hat Meisel übrigens selbst das lebenslange Lernen gelebt - und bei der MVHS Spanisch gelernt. Allerdings anonym. "Selbst die Dozentin wusste lange Zeit nicht, wer ich bin" erzählt Meisel. Wie schätzt er seinen Lernerfolg ein? "Meine Frau würde sagen, dass ich die Sprache jetzt gut kann", sagt Meisel.

Meisels Nachfolger ist Martin Ecker

Persönlich sieht er das kritischer. Findet, dass er nicht genug Arbeit reingesteckt hat. Denn, so weiß der Experte: "Ein Dozent kann noch so gut sein, lernen muss man immer selbst."

Am 1. November folgt Martin Ecker auf Meisels Posten. Der Theaterwissenschaftler war zuletzt Direktor des Bildungscampus Nürnberg.

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